- Konjunktureller Gegenwind dürfte 2024 zu Kursrücksetzern an den globalen Aktienmärkten führen
- Fokus auf Staatsanleihen, Pfandbriefe, bonitätsstarke Unternehmensanleihen und Qualitätsaktien empfohlen
Die Finanzmärkte profitieren neben der fallenden Inflation weiterhin von der robusten US-Wirtschaft, aber die positiven Impulse sollten schon bald nachlassen: So dürfte in den USA in den nächsten Monaten der Rückenwind aus Pandemiezeiten abnehmen und gleichzeitig der Gegenwind von den verschlechterten Finanzierungskonditionen größer werden. Wann die Bremskräfte die Oberhand gewinnen, bleibt zwar schwer abzuschätzen. Es gibt aber eine Reihe von Hinweisen, wonach dies im Laufe des 1. Halbjahres 2024 der Fall sein wird: schrumpfende Geldmenge, Belastung durch gestiegene Zinsen und gestiegene Lohnkosten.
Bei Aktien auf Qualität achten
»In Anbetracht der noch robusten, zugleich aber auch fragilen Konjunkturlage haben Anleger keine andere Wahl, als auf Sicht zu fahren«, meint Dr. Daniel Hartmann, Chefvolkswirt des Asset Managers BANTLEON. »Die Aktienquote sollte dabei zunächst auf neutralem Niveau liegen.« Sobald sich jedoch die konjunkturelle Nachrichtenlage in den USA erkennbar verschlechtere, sei eine defensivere Ausrichtung zu empfehlen. »Tritt unser Basisszenario einer zumindest milden Rezession in den USA ein, halten wir nach wie vor namhafte Kursrücksetzer an den globalen Aktienmärkten für wahrscheinlich. Schrammen die USA jedoch an einer Rezession vorbei, ist auch ein volatiles Auf und Ab ohne klaren Trend möglich.« Das Aufwärtspotenzial werde dabei insbesondere in den USA durch die hohen Bewertungen begrenzt.
In diesem herausfordernden Umfeld rät Hartmann Anlegern, auf solche Aktien zu setzen, die der steigenden Zinsbelastung und dem konjunkturellen Gegenwind trotzen können, also unter anderem einen niedrigen Verschuldungsgrad und robuste Gewinnmargen aufweisen. Das können Unternehmen aus den Bereichen Basiskonsum und Telekommunikation, aber auch solide aufgestellte Versorger sein.
Weitere Kursgewinne bei Staatsanleihen guter Bonität
Hochqualitative Staatsanleihen haben zuletzt vor allem vom fallenden Inflationstrend profitiert. Dies spiegelt sich auch in den rückläufigen Inflationserwartungen. Unter anderem sind die aus 5-jährigen EUR-Inflations-Swaps abgeleiteten
Inflationserwartungen erstmals seit Anfang 2022 wieder Richtung 2,00% gesunken. Zugleich ist das an den Geldterminmärkten eingepreiste Leitzinsniveau deutlich abgesackt.
»Die Teuerungsraten der USA und der Eurozone dürften in den nächsten Monaten im Trend weiter zurückgehen«, prognostiziert Hartmann. Zugleich sollte die Eintrübung des konjunkturellen Umfelds Staatsanleihen zusätzlich unterstützen. Schließlich würden auch die Notenbanken auf die geänderten Rahmenbedingungen reagieren. Statt der Inflationsbekämpfung werde immer mehr die Sorge um das schwindende Wachstum in den Fokus rücken. Selbst wenn die große Konjunkturkrise ausbleibe, dürfte bereits eine stagnierende Entwicklung ausreichen, um eine Rücknahme der Leitzinsen auf ein neutrales Niveau zu rechtfertigen. »Wir gehen daher davon aus, dass die Leitzinsen im Jahr 2024 von der Fed mindestens auf 3,50% und von der EZB auf 3,00% gesenkt werden. Die Wahrscheinlichkeit noch stärkerer Zinssenkungen in Richtung 2,00% ist dabei deutlich größer als der umgekehrte Fall.« Die SNB sollte zumindest einen kleinen Zinsschritt nach unten auf 1,50% oder 1,25% vornehmen.
»Deshalb sehen wir bei den Leitzinserwartungen noch Luft nach unten, obwohl an den Geldterminmärkten bereits stattliche monetäre Lockerungen eingepreist sind«, er-klärt der Chefvolkswirt. »Entsprechend prognostizieren wir weitere Renditeabschläge und damit verbundene Kursgewinne bei Staatsanleihen, wobei das Abwärtspotenzial in Deutschland deutlich kleiner ist als in den USA: Die Renditen 10-jähriger deutscher Bundesanleihen dürften bis Mitte 2024 auf 2,00% und die Renditen 10-jähriger US-Treasuries auf 3,40% fallen.« Bei kurzen Laufzeiten seien noch stärkere Rückgänge zu erwarten. Die Zinskurve sollte sich demzufolge versteilern und im Laufe des nächsten Jahres normalisieren. Der rückläufige Renditetrend werde natürlich keine Einbahnstraße sein. Vor allem negative Überraschungen bei der Inflation könnten temporäre Rückschläge auslösen. »Die Renditen von Schweizer Eidgenossen dürften sich dem globalen Abwärtstrend nicht entziehen. Angesichts des bereits erreichten tiefen Niveaus (10 Jahre: 0,70%) liegt das Potenzial aber höchstens noch bei 20 Basispunkten.«
Chancen bei Investment-Grade-Unternehmensanleihen und Covered Bonds
»Neben Staatsanleihen bieten in dem skizzierten Umfeld weitere Anleihenkategorien vielversprechende Ertragsperspektiven«, stellt Hartmann fest. »Auch hier lautet das entscheidende Stichwort Qualität.« Wenn sich die Weltwirtschaft abkühle, aber in keine schwere Rezession falle, dürften sich die Ausweitungen der Risikoprämien bei Covered Bonds und bonitätsstarken Unternehmensanleihen in Grenzen halten. Es bestünden somit gute Chancen, dass zumindest die aktuellen Renditeniveaus (in Europa: 3,00% bis 4,00%), wenn nicht sogar leichte Kursgewinne, vereinnahmt werden können. »Bei High-Yield-Anleihen bleiben wir dagegen skeptisch. Sobald sich ein Risk-off-Umfeld etabliert, wird dieses Segment stark unter Druck geraten, zumal bei vielen Junk-Emittenten der Refinanzierungsbedarf wegen der stark gestiegenen Zinsen in den nächsten Quartalen sprunghaft zunehmen wird.«
In einem Umfeld, in dem die Weltwirtschaft unter Druck gerät, aber nicht abstürzt, ergeben sich Hartmann zufolge auch in den Emerging Markets Chancen: »Vor allem einige solide aufgestellte ostasiatische Staaten – unter anderem Indien, Indonesien, Vietnam, die Philippinen und Malaysia – dürften sich 2024 wacker schlagen und erneut überdurchschnittlich expandieren, was Aktien und Anleihen gleichermaßen zugutekommen sollte.« Letzteres gelte umso mehr, als die absehbare Trendwende in der globalen Geldpolitik vielen Schwellenländern Spielraum für Zinssenkungen verschaffe.
Vorsicht bei Rohstoffen, Peripherie-Staatsanleihen und Linkern
Kurz- bis mittelfristig skeptisch sieht der Chefvolkswirt Rohstoffe, inflationsindexierte Staatsanleihen (Linker) und Peripherie-Staatsanleihen: »Die Industriemetallpreise werden erst dann richtig Aufwind bekommen, wenn die globale Konjunktur erkennbar nach oben dreht. Damit rechnen wir jedoch erst im 2. Halbjahr 2024. Aufgrund der strukturellen Angebotsdefizite sehen wir allerdings auch nur geringes Abwärtspotenzial. Inflationsindexierte Staatsanleihen dürften wiederum von den weiter fallenden Teuerungsraten ausgebremst werden.« Schließlich würden auch die südeuropäischen Länder 2024 in rauere See geraten. Vor allem in Italien drohe ein empfindlicher Rückschlag beim Wachstum. »Das Risiko, dass die Risikoprämien italienischer Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen von den aktuell sehr moderaten Niveaus steigen, ist entsprechend groß.«