Die Aktienrallye hat sich nach einem dynamischen Jahresauftakt ungebremst fortgesetzt. Mit Indexständen von 520 im Eurostoxx und 5254 im S&P500 erreichten die Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks neue Allzeithochs. Treiber waren unter anderem robuste Konjunkturdaten aus den USA. Wir hatten bereits im Februar gemeint, dass die sehr positive Marktstimmung kaum Raum für weitere Verbesserungen lässt. Inzwischen ist es tatsächlich zu einer Stagnation gekommen. Messbar wird dies anhand verschiedener Indikatoren. So liegt der Anteil der Aktienmarktoptimisten gemäß der Umfrage AAII US Investor Sentiment Readings derzeit bei 47% und ist damit seit Mitte Februar nicht weiter gestiegen. Der Anteil der Bären blieb unverändert auf tiefem Niveau bei 22%. Auch das Verhältnis der Put- zu Call-Optionen der Options-Börse CBOE ist mit 0,72 auf einem nahezu unverändert tiefen Niveau. Gleiches gilt für die Prämien für Kreditausfallversicherungen von High-Yield-Anleihen, die als Maß für den Risikoappetit von Anlegern dienen und sich seit Anfang März (gemessen am Markit iTraxx Europe Crossover Index) nur noch seitwärts und nicht mehr abwärts bewegen. Unterstützt werden Risikoassets von den verbesserten Finanzierungsbedingungen in Europa und den USA, die von der Flutung der Finanzmärkte mit Liquidität infolge der US-Regionalbankenkrise und der massiven Schuldenaufnahme des US-Finanzministeriums profitiert haben.
Leicht gestiegene Volatilität ist unproblematisch
Auf eine leichte Anspannung an den US-Aktienmärkten weist der Volatilitätsindex VIX hin, der von den Rekord-Tiefständen bei 12 nun auf 17 gestiegen ist. Anleger brauchen sich wegen dieses Niveaus jedoch noch keine Sorgen zu machen. Ein Risiko bleibt die Inflationsentwicklung, die bei einem weniger starken Rückgang oder gar einem Anstieg ab Jahresmitte Druck auf Risikoassets ausüben könnte. Sollte sich dann die Stimmung eintrüben, wäre eine Kurskorrektur möglich. Dann könnte sich die Börsenweisheit »Sell in May and go away« einmal mehr als zutreffend erweisen. Solange sich die Indikatoren jedoch nicht signifikant eintrüben, rechnen wir mit einer weiterhin guten Anlegerstimmung an den Aktienmärkten. Saisonal betrachtet hat bislang ein positiver Jahresauftakt in der Regel für einen positiven weiteren Jahresverlauf gesprochen.
Aktienmarktanstieg wird von breiter Masse an Titeln getragen
Die Marktbreite der Aktienmarktentwicklung hat zuletzt zugenommen. So notieren 74% der Aktien im Eurostoxx und 83% im S&P500 oberhalb ihrer 200-Tage-Linie, was zeigt, dass die Rallye von vielen Titeln getragen wird. Gleichzeitig ist der Outperformancetrend des marktgewichteten S&P500 gegenüber dem gleichgewichteten S&P500 seit Mitte Februar ins Stocken geraten. Auch innerhalb der Magnificent Seven entwickeln sich nicht mehr alle Titel gut: Seit Jahresanfang liegen Apple und Tesla deutlich im Minus, während Nvidia, Alphabet, Meta, Amazon und Microsoft zweistellige Kurszuwächse ausweisen. Zudem stiegen jüngst alle regionalen Aktienindizes und bestätigen damit eine starke geografische Marktbreite. Selbst China, Thailand und Russland, die sich zuvor negativ entwickelt hatten, sind inzwischen auf dem Vormarsch. In Summe sehen wir eine größere Marktdurchdringung und damit bessere Marktbreite als bisher.
Charttechnik zeichnet ein gemischtes Bild
Das charttechnische Bild hingegen zeigt sich inzwischen nicht mehr so positiv: Die übergeordneten gleitenden 20-, 50-, 100- und 200-Tage-Durchschnitte sind für Eurostoxx und S&P500 zwar noch aufwärtsgerichtet, jedoch deuten MACD, Bollinger-Bänder und der exponentielle gleitende Durchschnitt, der die jüngsten Datenpunkte höher gewichtet, bereits auf eine Abschwächung des Trends hin. So hat infolge der unerwartet hohen US-Inflationsdaten der MACD für beide Indizes ein Verkaufssignal generiert. Inzwischen handeln sie sogar unterhalb des mittleren Bollinger-Bands, was als Signal für eine Trendumkehr gilt. Sofern keine neue Aufwärtsdynamik entsteht und sich der Aufwärtstrend fortsetzt, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch die gleitenden Durchschnitte nach unten drehen und das technische Gesamtbild negativ wird. Unterstützung dürfte der S&P500 zunächst bei 5130 Punkten (-0,6%) finden, was zugleich dem Niveau der 50-Tage-Linie entspricht. Eine Unterschreitung würde den Weg für tiefere Niveaus bis auf 4818 Punkte (-7,0%) und dann 4505 Punkte (-14,5%; zyklische Hochs) ebnen. Der Eurostoxx dürfte bei 503 Punkten (-1,3%) die nächste Unterstützung finden. Eine Unterschreitung dieser Marke würde den Weg für tiefere Niveaus bei 487 Punkten (-4,7%) bzw. 462 Punkten (-10,3%; zyklische Hochs) ebnen.
Von Marcio Costa, Senior Portfolio Manager, SSAs & Green Bonds