Steigende US-Inflationszahlen und robuste Arbeitsmarktdaten haben erneut den Anleihenmarkt belastet und zu einem weiteren Auspreisen der Leitzinssenkungserwartungen der Fed geführt. Inzwischen erwarten die Marktteilnehmer in den USA nur noch zwei Leitzinssenkungen bis Februar 2025. Entsprechend stiegen die Renditen für US-Treasuries im mittleren Laufzeitenbereich um 20 Basispunkte. Aktien setzten ihren Outperformancetrend gegenüber lang laufenden Anleihen fort. Vor der Publikation der jüngsten US-Inflationsdaten (CPI) ging der MOVE-Index – ein Volatilitätsmaß für US-Treasuries – in einen Abwärtstrend über und fiel unter die zuvor mehrmals getestete 100-Punkte-Marke. Obwohl der Index nach der Veröffentlichung der CPI-Zahlen wieder über die kritische 100-Punkte-Marke gestiegen ist, sehen wir einen intakten Abwärtstrend und rechnen angesichts der überdurchschnittlich hohen Volatilität mittelfristig mit wieder sinkenden Niveaus. Dies dürfte die Attraktivität von Anleihen für risikoaverse Anleger verbessern.
Angesichts des Gegenwinds von Konjunktur und Inflation änderte sich die pessimistische Positionierung der Anleger in US-Treasuries kaum. So entfielen gemäß CFTC-Daten für 10-jährige US-Treasuries – einem Indikator für die Positionierung der Marktteilnehmer – weiterhin rekordhohe 70% der ausstehenden Futures-Kontrakte auf Short-Positionen. Auf Long-Positionen entfielen nur 30%. Derzeit fehlen die Treiber für eine Umpositionierung. Stattdessen setzen Anleger auf andere Safe-Haven-Assetklassen wie zum Beispiel Gold, um sich gegen geopolitische Unsicherheitsfaktoren wie militärische Auseinandersetzungen und rekordhohe Schulden abzusichern.
Anleihen weiterhin relativ attraktiver als Aktien
Unverändert hoch bleibt jedoch die relative Attraktivität von Anleihen gegenüber Aktien: Europäische Aktien bieten derzeit gemessen am breiten Index Eurostoxx, der rund 300 Einzeltitel umfasst, eine Rendite von 3,38%, was auf dem Niveau 1-jähriger deutscher Bundesanleihen liegt. Europäische Unternehmensanleihen kommen sogar auf eine Rendite auf Endfälligkeit von 3,70%. 1-jährige US-Treasuries rentieren 50 Basispunkte oberhalb der erwarteten Dividendenrendite für den Dow Jones US Select Dividend Index von 4,55%. Damit haben Anleihen, insbesondere im kurzen Laufzeitenbereich, eine höhere laufende Rendite als Aktien.
Unterschiedliche Charttechnik-Aussage für Bundesanleihen und US-Treasuries
Charttechnisch setzt sich das Bild einer volatilen Seitwärtsbewegung bei den 10-jährigen Bundesanleihen fort, deren Renditen sich seit Februar in einer Spanne zwischen 2,20% und 2,50% bewegen und immer wieder das mittlere Bollinger-Band kreuzen, danach aber am oberen oder unteren Band abprallen. Deshalb sollten die Momentum-Indikatoren (MACD und gleitende Durchschnitte) kaum beachtet werden. Gleichzeitig zeigt sich eine starke Widerstandsmarke auf dem aktuellen Renditeniveau von 2,50%, was zugleich der 200-Tage-Linie entspricht. Damit dürfte das Aufwärtspotenzial zunächst beschränkt sein. Eine Fortsetzung der Bewegung innerhalb der genannten Spanne scheint am wahrscheinlichsten zu sein.
Ganz anders sieht das Bild bei den Renditen 10-jähriger US-Treasuries aus. Diese zeigen seit Jahresbeginn einen intakten Aufwärtstrend und handeln aktuell am oberen Ende des Aufwärtstrendkanals bei 4,55%. So deuten MACD, Bollinger-Bänder und gleitende Durchschnitte auf weiter steigende Renditen hin. Auf dem Niveau von 4,60% ist eine starke Widerstandsmarke zu erwarten. Eine Überschreitung könnte die Renditen bis auf 5,00% steigen lassen. Unterstützung finden die Renditen hingegen auf einem Niveau von 4,25% (200-Tage-Linie). Das charttechnische Bild deutet bei US-Treasuries auf eine Fortsetzung der Entwicklung innerhalb des Aufwärtstrendkanals hin, was zu entsprechenden Kursverlusten führen würde.
Marcio Costa, Senior Portfolio Manager, BANTLEON