Chinas Konjunkturhilfen: Wieso aktuell nicht von einer Bazooka gesprochen werden kann

BANTLEON | 15.10.2024 08:13 Uhr
Dr. Andreas A. Busch, Senior Economist des Asset Managers BANTLEON / © e-fundresearch.com / BANTLEON
Dr. Andreas A. Busch, Senior Economist des Asset Managers BANTLEON / © e-fundresearch.com / BANTLEON

Regierung hat neuen Versuch gestartet, die Wirtschaft anzukurbeln 

Ende September hat die chinesische Regierung für großes Aufsehen gesorgt, als sie einen neuen Versuch zur Ankurbelung der Wirtschaft startete, die seit geraumer Zeit unter der Last der Immobilienkrise ächzt. In den vergangenen Jahren hatte Peking zwar bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen lanciert, um die Bauwirtschaft zu stützen und damit die konjunkturellen Bremseffekte zu begrenzen. Den meisten dieser Bestrebungen war aber kein bzw. nur wenig Erfolg beschert.

Solch eine Schlappe will die Regierung nun offensichtlich nicht noch einmal erleben, weswegen sie dieses Mal aus dem Vollen schöpft. Zuerst wurde die Geldpolitik auf ungewöhnlich breiter Basis gelockert. Die Notenbank senkte den 7-tägigen Reposatz um 20 Bp von 1,70% auf 1,50%. Absolut gesehen scheint das nicht viel, ist aber die deutlichste Reduktion seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie 2020. Gleichzeitig wurde der Mindestreservesatz um 50 Bp zurückgeschraubt, was unterstreicht, dass die Notenbank den Geldhahn so weit aufdreht wie seit vier Jahren nicht mehr. Begleitet wurden die monetären Hilfen durch Lockerungen der Restriktionen beim Immobilienkauf und die Senkung der Zinsen auf bestehende Hypothekenkredite, was den Hausbesitzern neue Ausgabenspielräume eröffnen soll. 

Wenig später folgten Meldungen über umfangreiche fiskalische Stimuli. Berichtet wurde davon, dass die Regierung Unternehmen und Finanzinstitute mit Liquidität für Aktien(rück)käufe versorgen will, was dann auch zügig in die Tat umgesetzt wurde. Darüber hinaus wurde davon gesprochen, die privaten Haushalte unmittelbar mit Geldzahlungen zu unterstützen und zusätzlich den hoch verschuldeten Provinzen unter die Arme zu greifen. Details zu den Fiskalhilfen blieb Peking zunächst allerdings schuldig und es war nur allgemein von Summen zwischen 2 und beachtlichen 10 Bio. Yuan die Rede (entspricht rund 1,5% bis 8% des BIP). 

Finanzministerium lieferte am Samstag wichtige Details, ließ aber auch einiges offen 

Die vagen Andeutungen wurden schließlich am vergangenen Samstag vom Finanzministerium konkretisiert – allerdings nur zum Teil. Erstens können die Lokalregierungen nicht ausgeschöpfte Verschuldungsquoten aus den Vorjahren nun nutzen, um kurzfristig Mittel in Höhe von 0,4 Bio. Yuan aufzunehmen. Diese Gelder sollen unter anderem direkt die Staatsausgaben ankurbeln. 

Zweitens wird die Schuldenobergrenze der Lokalregierungen deutlich angehoben. Konkrete Zahlen wurden zwar nicht genannt, Finanzminister Lan Fo'an sprach aber davon, dass die stärkste Erhöhung der vergangenen Jahre geplant sei. 2023 wurde die Grenze um 2,2 Bio. Yuan angehoben und 2024 um 1,2 Bio. Yuan. Dieses Mal könnte der Wert weit mehr als 4 Bio. Yuan betragen. Diese Mittel dürften allerdings weniger zur Finanzierung neuer Staatausgaben genutzt werden. Vielmehr werden sie ermöglichen, ein Teil der kostspieligen alternativen Finanzierungsvehikel durch legale und mithin günstigere Staatsanleihen abzulösen. Die Anhebung der Schuldenobergrenze ist insoweit mehr ein Baustein zur Lösung der strukturellen Probleme bei der Finanzierung der Lokalregierungen als ein konjunktureller Stimulus. 

Drittens sollen Mittel im Umfang von 2,3 Bio. Yuan, die durch Sonderanleihen bereits aufgenommen wurden (Special Local Government Bonds, SLGB), von den Provinzen künftig auch für den Aufkauf von leerstehenden Immobilien und deren Umwandlung z.B. in Sozialwohnungen genutzt werden können. Viertens plant die Zentralregierung die Emission von Staatsanleihen, um damit das Kernkapital der staatseigenen Banken zu stärken. Ein Betrag wurde allerdings nicht genannt. 

Ganz grundsätzlich ließ Lan verlauten, die Zentralregierung verfüge noch über großen Spielraum, um ihre Verschuldung auszuweiten – blieb aber auch hier konkrete Zahlen schuldig. Nicht thematisiert wurden darüber hinaus die im Raum stehenden, breit angelegten Stützungsmaßnahmen für den privaten Konsum, deren mögliches Volumen im Vorfeld von manchen Beobachtern auf 1 Bio. Yuan taxiert worden war. 

Zwar keine Bazooka aber klares Bekenntnis zur Unterstützung der Wirtschaft 

Wie sind die jüngsten Ausführungen des Finanzministeriums zu werten? Wer erwartet hatte, Peking würde ein kurzfristig angelegtes umfangreiches Stimulusprogramm in der Art einer Bazooka ankündigen, sah sich enttäuscht. Gleichwohl hat die Regierung ermöglicht, dass die Provinzen in den kommenden Monaten zusätzlich Mittel in Höhe von 0,4 Bio. Yuan (= 0,3% des BIP) aufnehmen, und bereits vorhandene Mittel in Umfang von 2,3 Bio. effizienter zur Stützung des Immobilienmarktes einsetzen können. Das Wirtschaftswachstum sollte dadurch im laufenden und kommenden Quartal einen merklichen Impuls erhalten. 

Wie lange dieser Schub trägt, ist gegenwärtig allerdings schwer abzuschätzen. Nach wie vor ist offen, wie umfangreich allfällige Hilfen für den privaten Konsum ausfallen werden, und in welchem Ausmaß der Zentralstaat durch die Emission neuer Schulden die Wirtschaft stimulieren will. Darüber hinaus bleibt abzuwarten, inwieweit die nochmals ausgeweiteten Mittel zum Aufkauf von Leerständen helfen können, das Grundproblem des aufgeblasenen Immobiliensektors zu lösen. Ob sich in diesem Umfeld ein sich selbst verstärkenden Konjunkturaufschwung entwickelt, muss entsprechend nach wie vor skeptisch beurteilt werden. Alles in allem sehen wir es daher auf Basis der vorliegenden Informationen als wahrscheinlich an, dass die Konjunkturdynamik im Laufe des nächsten Jahres wieder nachlässt. 

Von Dr. Andreas A. Busch, Senior Economist des Asset Managers BANTLEON

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