Der wiederauflebende Protektionismus belastet international ausgerichtete Unternehmen ebenso wie Störungen in den Lieferketten infolge von Pandemien und Kriegen. Weil solche geopolitischen Belastungen in den nächsten Jahren zunehmen dürften, sollten Anleger die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen prüfen, in deren Anleihen sie investieren wollen. Während bei stärker betroffenen Emittenten mit deutlichen Kursverlusten zu rechnen ist, bieten die Anleihen widerstandsfähiger Unternehmen Chancen auf überdurchschnittliche Erträge. Grundsätzlich empfiehlt sich derzeit ein Blick auf nicht-zyklische Sektoren, die in geringerem Maß von internationalen Handelsrisiken betroffen sind. Dazu zählen europäische Versorger – insbesondere regulierte Bereiche – sowie die Branchen Immobilien, Telekommunikation und Medien.
Neue und die Anhebung bestehender Zölle rücken die Anfälligkeit globaler Lieferketten ebenso in den Fokus wie es bereits die Corona-Pandemie, die Blockade des Suezkanals und der Krieg in der Ukraine getan haben. Die Ballung solcher Belastungen für den weltweiten Handel hat die regionale Ausrichtung der Produktion beschleunigt. Weil die Branchen und Unternehmen von den Belastungen sehr unterschiedlich betroffen sind, müssen Anleger bei der Auswahl von Unternehmensanleihen künftig genauer hinsehen, um die widerstandsfähigsten Emittenten zu identifizieren. Sind doch in den nächsten Jahren weitere Handelsbarrieren zu erwarten. Während bei stärker betroffenen Emittenten mit deutlichen Kursverlusten zu rechnen ist, bieten die Anleihen robuster Unternehmen Chancen auf überdurchschnittliche Erträge.
Produzierendes Gewerbe besonders betroffen
Besonders betroffen von neuen Zöllen und geopolitischen Risiken sind Branchen des produzierenden Gewerbes wie Automobile, Investitionsgüter, Industriemaschinen und Unterhaltungselektronik, da sie stark von komplexen globalen Lieferketten abhängen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Automobilhersteller Jaguar Land Rover, dessen Absatz zu 45% auf die USA und China konzentriert ist und der hauptsächlich in Großbritannien und der EU produziert. Aufgrund der relativ geringen Größe des Unternehmens lohnt es sich nicht, die Produktion geografisch weiter zu diversifizieren. Bei solchen Emittenten mit hoher Abhängigkeit von Export und Import erwarten wir daher eine deutlich höhere Risikoprämie.
In der Unterhaltungselektronik zeigt sich eine anhaltende Tendenz, Produkte für den US-Markt in Mexiko zu fertigen. Dennoch bleibt beispielsweise der amerikanische Haushaltsgerätehersteller Whirlpool, der 80% seiner US-Verkäufe im Inland und 20% in Mexiko und China produziert, Risiken ausgesetzt. Wichtige Wettbewerber haben ihre Produktionsstandorte teils stärker verlagert. Der schwedische Konzern Electrolux etwa hat den Großteil seiner Produktion in die USA verlegt, bezieht jedoch weiterhin Komponenten und Fertigwaren aus China. LG aus Südkorea hält ebenfalls einzelne Fertigungslinien in Mexiko aufrecht. Ein Emittent, der auf den ersten Blick besonders von Zöllen betroffen zu sein scheint, kann sich im Wettbewerbsvergleich als weniger gefährdet erweisen – was zu einer Unterbewertung seiner Kreditqualität führen und dadurch eine Übergewichtung im Portfolio rechtfertigen kann. Außerdem gilt: Wenn eine ganze Branche von ähnlichen Belastungen betroffen ist, werden die zusätzlichen Kosten oft an die Verbraucher weitergegeben. Damit verringert sich der primäre Effekt von Handelsbarrieren auf einzelne Marktteilnehmer.
Technologiebranche steht häufig im Fokus geopolitischer Spannungen
Die Technologiebranche ist von Natur aus anfällig, weil sie tief in den globalen Handel verflochten ist und häufig im Fokus geopolitischer Spannungen steht. Zwar können Unternehmen durch Standortverlagerungen oder Anpassungen in der Lieferkette reagieren, doch besonders bei Mikrochips bleibt die Abhängigkeit vom Handel mit China groß. Die Halbleiterindustrie ist gekennzeichnet durch eingeschränkte Produktionsflexibilität, hochspezialisierte Fertigungsanlagen und lange Vorlaufzeiten von drei bis fünf Jahren für neue Kapazitäten. Selbst eine lokale Fertigung reicht oft nicht aus, um den Bedarf vor Ort zu decken, da Herstellung und Absatz in einzelnen Märkten nicht immer zusammenpassen. So produziert der taiwanesische Auftragsfertiger TSMC in Arizona 4-nm-Chips, während die USA für die neuesten 3-nm-Chips weiterhin auf Lieferungen aus Taiwan angewiesen bleiben. Diese Diskrepanz wird sich angesichts der genannten Einschränkungen so schnell nicht beheben lassen. Anders ist die Lage bei Unternehmen wie NXP Semiconductors aus den Niederlanden, die Analog-Chips mit längeren Produktlebenszyklen und geringerer Komplexität herstellen und daher flexibler bei der Produktion sind. Sie unterliegen zudem geringerer politischer Kontrolle und können aufgrund branchenweiter Sorgen über die Auswirkungen von Zöllen unterschätzt sein, was für eine Übergewichtung im Portfolio sprechen kann.
Dienstleister generell weniger betroffen
Weil Zölle vor allem auf Waren und Komponenten erhoben werden, sind typische Dienstleistungsbranchen wie Gesundheitswesen, Bildung und Finanzen generell weniger betroffen. Sie profitieren oft davon, dass ihr Geschäft nicht oder nur in geringem Umfang von importierten Inhalten abhängt. Ein Beispiel ist Ashtead, ein britisches Vermietungsunternehmen für Baumaschinen, das 80% seines Umsatzes in den USA erzielt. Trotz seiner Einordnung in die Kategorie Investitionsgüter bleibt sein Geschäftsmodell dank des engmaschigen US-Netzwerks und lokal bezogener Maschinen weitgehend geschützt. Durch seine Position als zweitgrößter Akteur in diesem Markt besitzt Ashtead außerdem eine starke Verhandlungsposition bei Engpässen. Ähnlich verhält es sich mit Kyndryl, einem globalen IT-Dienstleister aus den USA, der seine Dienstleistungen weltweit lokal erbringt. Zwar ist IT-Hardware sensibel für Handelsbarrieren, doch Kyndryls Modell der Kostenweitergabe und seine strategischen Partnerschaften mit alternativen Hardware-Anbietern mindern die Auswirkungen steigender Komponentenpreise. Wie bei NXP lassen sich Anleihen solcher Unternehmen bei einer Fehlbewertung mitunter zu einem sehr attraktiven Risiko-Ertrags-Verhältnis erwerben.
Bottom-up-Analyse ist essenziell zur Einschätzung veränderlicher Risiken
Das gegenwärtige dynamische Kapitalmarktumfeld birgt Chancen und Risiken zugleich: Die zunehmende Unsicherheit führt zu größeren Extremrisiken (Fat-Tail-Risiken), aber gleichzeitig bietet sie bei einer guten Einzeltitelauswahl auch Chancen auf überdurchschnittliche Erträge. Deshalb ist eine fundierte Bottom-up-Analyse unverzichtbar und bildet einen zentralen Baustein unseres Investmentprozesses bei der Auswahl einzelner Unternehmensanleihen.
Nicht-zyklische Sektoren derzeit mit den besten Chancen
Grundsätzlich empfiehlt sich derzeit ein Blick auf nicht-zyklische Sektoren, die in geringerem Maße von internationalen Handelsrisiken betroffen sind. Wir erwarten daher, dass europäische Versorger – insbesondere regulierte Bereiche – sowie die Branchen Immobilien, Telekommunikation und Medien den größten Schutz vor direkten Zollauswirkungen genießen, weil ihre Leistungen und Produkte in der Regel vor Ort genutzt werden. Versorger und Telekommunikationsunternehmen wie EDP, Enel, Deutsche Telekom und Orange sind weitgehend vor exportbedingten Störungen geschützt. Und Energiekonzerne wie Total und BP profitieren darüber hinaus von ihrer finanziellen Stärke.
Einen großen Anteil dieser widerstandfähigen Unternehmen gibt es im Segment Corporate Hybrids (Nachranganleihen von Industrieunternehmen), die zudem den Vorteil haben, dass ihre Rendite etwa 1.5%-Punkte höher ist als die der erstrangigen Anleihen derselben Unternehmen – bei gleicher Emittentenbonität (Investment Grade). Privatanleger sollten aber wegen der großen Stückelungen und der komplexen Vertragsbedingungen von Corporate Hybrids nicht direkt in diese Anleihen investieren, sondern über Anlagefonds. Der Publikumsfonds Bantleon Select Corporate Hybrids (LU2038756149) beispielsweise investiert ausschließlich in Nachranganleihen von Nicht-Finanzunternehmen und ist in einer Zeit zunehmender geopolitischer Unsicherheit eine attraktive Anlagealternative.
Von Peter Vrbovsky, Analyst, Unternehmensanleihen bei BANTLEON