Machen Konjunkturprognosen Sinn, wenn Donald Trump jeden Tag aufs Neue die Regeln der internationalen Politik und des Handels verändert? Oder bleibt Anlegern in Zeiten wie diesen nichts anderes übrig als abzuwarten? Um die Frage zu beantworten, reicht ein Blick auf Trumps erste Amtszeit und die Entwicklung der US-Konjunktur. Beim Vergleich des richtungsweisenden Einkaufsmanagerindex der Industrie mit dem Global Monetary Policy Index (um zwölf Monate versetzt) zeigt sich sehr schnell, dass politische Börsen kurze Beine haben. Auch damals beherrschte Trump die Tagespresse nach Belieben, an der konjunkturellen Großwetterlage änderte sich dadurch aber nichts. Unser Frühindikator, der sich aus rein geldpolitischen Quellen speist, hatte die zyklischen Wendepunkte 2016 bis 2020 präzise vorweggenommen – und auch der Start in die zweite Amtszeit verlief zumindest konjunkturell nach Plan.
Aber immerhin hat Trump es geschafft, dass alle Welt sich fragt, ob die Ausnahmestellung der USA jetzt vorbei ist. Profitierte die Wirtschaft doch fast 16 Jahre lang vor allem vom Tech-Boom sowie der politischen und wirtschaftlichen Schwäche im Rest der Welt, insbesondere in Europa. Im Ergebnis strömte ein stetig wachsender Teil der globalen Kapitalanlagen in US-Aktien, was deren Bewertungen in immer extremere Höhen trieb.
Trendwachstum der US-Wirtschaft unter Druck
Allerdings geraten die Säulen des US-Investmentnarrativs bedenklich ins Wanken. Niemand wird bestreiten, dass US-Unternehmen in den vergangenen Jahren im Durchschnitt deutlich stärker gewachsen sind als die ausländische Konkurrenz und dabei auch noch bessere Rentabilitätskennzahlen erzielen konnten. Die Gretchenfrage lautet indes, ob das auch in Zukunft so sein wird. Der technologische Vorsprung der USA vor dem Rest der Welt ist jedenfalls geringer als gemeinhin angenommen. Dies zeigt ein Blick auf die Produktivitätsstatistik. Außerhalb von Krisenjahren (2009 und 2020) expandiert der Output pro geleisteter Arbeitsstunde in den USA mit derselben Rate wie in Deutschland und deutlich langsamer als in Japan. Einzelne US-Unternehmen haben im globalen Innovationswettbewerb die Nase vorn, für die Volkswirtschaft als Ganzes gilt das offenkundig nicht.
Zu beachten ist überdies, dass die USA ihr starkes Wirtschaftswachstum seit der Finanzkrise einem exzessiven Staatsdoping zu verdanken haben. So sind die Staatsschulden in Relation zur Wirtschaftsleistung zwischen 2008 und 2024 von 65% auf über 120% regelrecht explodiert. Und nicht zuletzt wegen des Big Beautiful Bill Act zeigt die Verschuldungskurve für die nächsten Jahre sogar noch steiler nach oben. Das ist auch der Grund, weshalb die USA dringend Geld aus dem Ausland brauchen, sei es über höhere Zölle, Gebühren für einen Platz unter dem US-Nuklearschirm oder Steuern auf in den USA erzielte Kapitalerträge.
Ohne jeden Zweifel hat das Trump-Chaos der vergangenen Monate einen wichtigen Anteil daran, dass die US-Wirtschaft ins Stolpern geraten ist. Im 1. Quartal ist die Wirtschaftsleistung annualisiert und preisbereinigt um 0,3% geschrumpft. Selbst wenn für das gerade abgelaufene 2. Quartal eine namhafte Gegenbewegung unterstellt wird (+2,5%), expandiert die Wirtschaftsleistung so langsam wie seit drei Jahren nicht mehr. Kein Wunder, bei dem hohen Grad an Verunsicherung stellen Unternehmen und Privathaushalte Investitionen und Großanschaffungen zurück. Mit Blick nach vorne gehen wir davon aus, dass sich das Trendwachstum der US-Wirtschaft auf unter 2% abschwächt. MAGA geht anders!
Europäische Konjunktur von mehreren Seiten unterstützt
Besser sieht es in Europa aus, wenn auch nicht überall. So tanzt in Südeuropa konjunkturell der Bär, vor allem wegen des nach wie vor boomenden Tourismus und der expansiven Fiskalpolitik. Die deutsche Wirtschaft hingegen scheint noch im Tiefschlaf zu sein – Hoffnung machen hier aber die riesigen Investitionspakete für Infrastruktur und Verteidigung mit einem Volumen von bis zu 2.000 Mrd. Euro, verteilt über die nächsten zehn Jahre. Dadurch entsteht nicht nur sehr viel Flexibilität in der Finanzpolitik, auch das BIP dürfte in der Hochlaufphase (bis 2027) um etwa 1% p.a. angeschoben werden.
Erste Hoffnungsschimmer sind auch in der deutschen Industrie zu sehen, die von den verbesserten Finanzierungskonditionen profitiert. Zwar wird der Handel mit den USA teurer werden, aber Zölle in der zunächst angedrohten Größenordnung von 50% wird es wohl kaum geben. Tragende Säule des Aufschwungs wird damit die Binnenkonjunktur – das hat es in Deutschland lange nicht mehr gegeben.
In diesem Umfeld wird sich die EZB mit weiteren Leitzinssenkungen zurückhalten, weil ihre Inflationsprognosen sich als zu optimistisch erweisen dürften. Wir gehen davon aus, dass das Inflationsgespenst schon in den nächsten Quartalen aus seinem Versteck kommen und die HVPI-Rate in der Eurozone Richtung 3% treiben wird.
Bewertungen sprechen mittel- und langfristig für europäische Aktien
Bei der Frage, welche Aktienmärkte mittel- und langfristig die Nase vorn haben werden, hilft ein Vergleich der Bewertungen. Zeigt doch das Shiller-KGV deutlich, dass je höher die Bewertungen heute sind, desto tiefer die Performance in den folgenden Jahren sein wird. Konkret dürften US-Aktien künftig einen Kurszuwachs von etwa 3% bis 5% p.a. bieten, während europäische Aktien auf 7% bis 8% kommen sollten. Also eher MEGA als MAGA! Beim Vergleich der 5-Jahres-Wertentwicklung zeigt sich, dass einige europäische Aktienmärkte wie Italien und Spanien den USA bereits enteilt sind. Und das allergrößte Potenzial bieten die bisherigen Nachzügler, also europäische Mid Caps.
Bei Staatsanleihen ist zu beachten, dass es trotz des starken Zinsanstiegs im Jahr 2022 und der seither zu beobachtenden Seitwärtsbewegung noch eine Lücke zum fairen Wert gibt, den der nominelle Wachstumstrend des BIPs der Eurozone vorgibt. Deshalb sollten Anleger in den nächsten Monaten die Laufzeiten ihrer Staatsanleihenportfolios verkürzen, um drohende Kursverluste abzumildern.
Ohnehin sind Corporate Bonds derzeit und auch in den nächsten Jahren die besseren Anleihen. Erstens schneiden sie lediglich in Krisenzeiten schlechter ab als Staatsanleihen und zweitens spricht zumindest im Investment-Grade-Segment der rückläufige Verschuldungsgrad für Unternehmensanleihen. Demgegenüber sind die meisten Staaten dabei, ihre Schulden deutlich auszuweiten. Der Sweetspot – also das beste Risiko-Ertrags-Verhältnis – findet sich bei Nachranganleihen von Industrieunternehmen (Corporate Hybrids). Mit einer Rendite von 4,8% auf Indexebene erreichen sie fast das Niveau von High-Yield-Anleihen, haben wegen ihrer Investment-Grade-Emittentenbonität aber deutlich tiefere Ausfallraten.
Gold hat noch etwas Aufwärtspotenzial
Auch wenn wir aktuell nicht mit einer Krise rechnen, bleibt Gold für uns eine wichtige Beimischung im Portfolio. Denn obwohl wir schon lange im Lager der Goldbullen sind, sehen wir hier noch etwas Aufwärtspotenzial. Dafür sprechen die großvolumigen Käufe der Zentralbanken ebenso wie das ungebremste Interesse von Privatanlegern.
Unter dem Strich sollten Risikoassets trotz hoher Bewertungen auf der Überholspur bleiben. Wir gehen deshalb mit einer moderat offensiven Aufstellung in das 2. Halbjahr 2025.
Von Dr. Harald Preißler, Kapitalmarktstratege bei BANTLEON