Für Ada Chan sind Brasilien, Mexiko und Indonesien besonders interessante Länder für neue Anlagemöglichkeiten. „Wir haben eine Phase hinter uns, in der China der Exportriese der Welt war, aber seit der Pandemie haben wir Lieferketten mit schwierigen politischen Bedingungen“, sagt Chan. Das komme Ländern wie Mexiko und Brasilien zugute, da viele Unternehmen ihre Produktion näher an die USA verlagern wollen. In Asien sei vor allem Indonesien Nutznießer von Reshoring-Entwicklungen. Aber auch Länder in Osteuropa könnten davon profitieren.
Indien als möglicher Gewinner
Nicht nur Reshoring, sondern auch der demografische Wandel könnte China schwächen und anderen Schwellenländern in die Karten spielen. In China und anderen asiatischen Nationen wie Japan und Südkorea wird es aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren zu einem Bevölkerungsrückgang kommen und damit auch zu einem Rückgang an Arbeitskräften. Durch weniger Arbeiter werde die Automatisierung durch Roboter oder künstliche Intelligenz immer wichtiger, so Chan. Gerade für Länder mit einer jungen Demografie, wie beispielsweise Indonesien, biete das Chancen sich in diesen Branchen zu etablieren.
Samir Metha sieht auch Indien aufgrund seiner Nähe zu China und einer ebenfalls jungen Bevölkerung als möglichen Gewinner von Reshoring-Entwicklungen. Die Regierung dort habe erkannt, dass dies eine große Chance für die indische Industrie ist, sich in den Mittelpunkt zu stellen und China vielleicht einige Marktanteile zu entreißen. Vor allem die Chemie- und Arzneimittelindustrie sowie die Herstellung von Handys könne in Indien boomen. Apple hat beispielsweise schon einen Teil seiner Produktion nach Indien verlagert.
Das liege unter anderem daran, dass die indische Regierung durch niedrige Steuern, einen einfachen Zugang zu Grundstücken und die schnelle Erteilung von Genehmigungen Anreize für Unternehmen geschaffen habe. Metha ist zuversichtlich, dass Indien langfristig in der Lage sein wird, Unternehmen die Möglichkeit zu geben, sich dort niederzulassen. Trotzdem müssten Investoren vorsichtig bleiben, wie jüngst der Fall Adani gezeigt habe. Aufgrund des Berichts eines Leerverkäufers brachen die Aktien des indischen Unternehmens innerhalb von kürzester Zeit massiv ein. Hier zeige sich, wie wichtig eine aufmerksame Überprüfung der Investitionen ist.
Taiwan als führende Technologienation
Mit Taiwan sehen die Experten von J O Hambro ein weiteres asiatisches Land als neuen Favoriten unter den Schwellenländern. Wegen der großen Chip-Hersteller sei das Land führend im Technologiebereich, so Ada Chan. Sie geht zwar davon aus, dass China in zehn bis 15 Jahren aufholen wird, glaubt aber, dass Chinas Handelskrieg mit den USA dabei ein Problem sein wird. „Chinesische Unternehmen werden Probleme dabei haben, ihre Technologien zu entwickeln, weil sie keinen Zugang zu den Geräten, Maschinen und geistigen Eigentumsrechten aus den USA haben“, sagt Chan.
Andere Schwellenländer profitieren auch von den geopolitischen Verschiebungen, wie sie zum Beispiel durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine entstanden sind. So sei Saudi-Arabien beispielsweise jetzt ein wichtiger Öllieferant anstelle von Russland und Brasilien würde deutlich mehr Lebensmittel exportieren, so Ivo St. Kovachev. Auch Griechenland sei vergangenes Jahr viel wichtiger geworden und sogar zu einem der besten Länder in den Fonds von J O Hambro geworden.
Kleine Unternehmen, großes Potential
Samir Metha betont, dass auch Nebenwerte in den Schwellenländern gute Investitionsmöglichkeiten bieten. „In den aktuellen Krisen werden die Unternehmensführungen von kleinen Unternehmen immer findiger, weil sie diese Zeit unbedingt überstehen wollen. Das schafft für uns viele Gelegenheiten, um zu investieren“, sagt Metha.
Fondsmanager Ivo St Kovachev sieht auch noch einen weiteren Vorteil bei Nebenwerten: Sie seien oft einfacher zu verstehen, weil sie meistens nur ein Produkt oder eine Dienstleistung anbieten würden. Man könne sich also schnell eine Meinung bilden und die Hauptdynamiken verstehen. „Wenn wir geduldig sind und ein gutes Timing haben, können das sehr lohnende Investitionen sein“, sagt Kovachev. Bevor man in solche Unternehmen investiert, müsse man aber viel mit den Firmen reden. Denn oft gebe es beispielsweise keine Daten zu den ESG-Kriterien. „Wenn wir aber exklusiv an solche Informationen kommen, haben wir einen Vorteil gegenüber anderen“, sagt Kovachev. Denn dann könne man den Firmen auch dabei helfen, sich richtig zu verkaufen, was den Aktienkurs dann steigen lasse.
Wie es dieses Jahr mit den Schwellenländern weitergehe, hinge auch vom US-Dollar ab, so Ada Chan. „Wenn wir eine Periode eines schwachen US-Dollars erleben, dann werden die Schwellenländer hoffentlich mittelfristig positivere Aussichten haben, und das könnte für viele Investoren interessant sein.“