Unter Recep Tayyip Erdogan hat die Türkei kontinuierlich an Demokratie verloren, inbesondere seit der Einführung des Präsidialsystems im Jahr 2017. Die Medien wurden unterdrückt oder an Verbündete von Erdogan verkauft, das Gerichtssystem wurde mit regierungstreuen Vertretern besetzt und das Parlament wurde durch Präsidialdekrete ersetzt. Zudem hat sich die wirtschaftliche und finanzielle Kompetenz der Regierung drastisch verschlechtert. Die Zentralbank hat ihre geldpolitische Unabhängigkeit verloren und in vier Jahren vier Gouverneure erlebt. Zeitweise wurde sogar sein Schwiegersohn zum Finanzminister ernannt.
Besonders schädlich für die türkische Wirtschaft war Erdogans Theorie, dass hohe Zinssätze die Inflation begünstigen würden. Dadurch lagen die Zinssätze weit unter der Inflationsrate. Die aktuellen Leitzinsen betragen 8,5 Prozent, während die Inflation bei 43,7 Prozent liegt. Die günstigen Kredite werden von der Regierung rationiert. Dadurch kann Erdogan seine Verbündeten und seine Familie mit günstigen Krediten versorgen.
Diese unkonventionelle Geldpolitik führte zwar zu einem starken Wirtschaftswachstum, aber gleichzeitig steht die Wirtschaft auch kurz vor einer Katastrophe. Neben der hohen Inflation hat sich das Leistungsbilanzdefizit auf 5,5 Prozent des Bruttosozialprodukts ausgeweitet und die Devisenreserven des Landes wurden aufgebraucht, um die türkische Lira zu verteidigen. Wenn die Oppositionskoalition die Wahlen gewinnt und friedlich an die Macht kommt, wird sie sich für die Unabhängigkeit der Zentralbank einsetzen. Das könnte zu drastischen Zinserhöhungen, einer massiven Währungsabwertung und einer tiefen Wirtschaftskrise führen. Aber selbst wenn Erdogan die Wahl gewinnt, sind die Aussichten für türkische Investoren nicht viel besser.
Wirtschaftliche Herausforderungen in Thailand
In Bezug auf ihre gefährdete Demokratie weist Thailand Ähnlichkeiten zur Türkei auf. Allerdings kämpft Thailand zusätzlich mit einer stagnierenden und ineffizienten Wirtschaft. Nachdem im Jahr 2006 der Regierungschef Thaksin Shinawatra durch das Militär gestürzt wurde, übernahmen das Militär und dessen konservativen Verbündeten die Kontrolle über das politische System. Seitdem haben mit Shinawatra verbündete Parteien bei jeder Wahl gewonnen. Jedoch müssen die Kandidaten der Opposition dreimal so viele Sitze im Unterhaus gewinnen wie die Kandidaten des Militärs, um eine Regierung bilden zu können.
Die Armee und ihre Verbündeten spielen nicht nur eine große Rolle in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft Thailands. Die Streitkräfte kontrollieren verschiedene Unternehmen und unterdrücken den Wettbewerb. So sind beispielsweise Telekommunikation, Bier, Petrochemie und Zement allesamt Oligopole, die die Preise hoch und das Wachstum niedrig halten. Diese politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben in den letzten Jahren zu einem schwachen Wachstum geführt, das durch einen Rückgang der Touristenströme und der ausländischen Direktinvestitionen gekennzeichnet ist. Die Leistungsbilanz und Haushaltsdefizite verschlechtern sich ebenfalls.
Augen auf, doch noch kein Investment
Sowohl in Thailand als auch in der Türkei haben die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Auswirkungen auf die Finanzmärkte, was wiederum die Politik beeinflusst. Diese Entwicklungen sind gute Beispiele für die länderspezifischen Risiken und Chancen, die das Fundament unseres Investmentansatzes für Schwellenländer bilden. In beiden Ländern ist der politische Wandel ungewiss, sodass neue Regierungen vor zahlreichen wirtschaftlichen Herausforderungen stehen würden. Wir halten trotzdem weiterhin Ausschau nach Chancen in Thailand und der Türkei, sehen aber derzeit noch keinen Grund, in beide Länder zu investieren.
Von James Syme, Paul Wimborne und Ada Chan, Fund Managers bei J O Hambro Capital Management