Berenberg Stratege Matthias Born im Interview: „2023 wird sich die Spreu vom Weizen trennen“

Berenberg | 03.02.2023 08:00 Uhr
Matthias Born, Head of Investments & CIO Equities, Berenberg Wealth & Asset Management / © e-fundresearch.com / Berenberg
Matthias Born, Head of Investments & CIO Equities, Berenberg Wealth & Asset Management / © e-fundresearch.com / Berenberg
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Das Anlagejahr 2022 war von vielerlei Verwerfungen gekennzeichnet und hat in den Portfolios der Investoren Spuren hinterlassen. Matthias Born, Head of Investments & CIO Equities bei Berenberg Wealth & Asset Management und leitender Fondsmanager des Berenberg Eurozone Focus Fund und des Berenberg European Focus Fund, gibt einen Einblick in die Anlagestrategie des Hauses und die Perspektiven für die internationalen Aktienmärkte im Jahr 2023.

Herr Born, das Jahr 2022 war ein extrem schwieriges Anlagejahr. Wie hat sich Berenberg hier geschlagen?

„2022 war ganz klar ein negatives Jahr für zinssensitive Aktiensegmente. Der Zinsanstieg hat zu einer historisch sehr ausgeprägten Bewertungskorrektur geführt, was sich auch in unseren Portfolios widerspiegelt. Insbesondere sind die Bewertungen für Qualitäts- und Wachstumsaktien nach unten gekommen, welche die Verlierer speziell im ersten Halbjahr waren, aber auch über das gesamte Jahr gesehen. In den ersten Monaten des Jahres wurde der Markt von den steigenden Inflationserwartungen sowie von der Erwartung steigender Zinsen überrascht. Das hat in erster Linie mit der veränderten Politik der Notenbanken zu Beginn des Jahres zu tun, wurde aber durch den Ausbruch des Kriegs in der Ukraine noch verstärkt.“

Wie wird das im neuen Jahr weitergehen?

„Wir sehen verschiedene Aspekte, die uns durchaus positiv stimmen. Das eine ist, dass nach der Bewertungskorrektur 2023 die Gewinne in den Vordergrund rücken sollten. Aufgrund der rezessiven Entwicklung in der Wirtschaft sind die Gewinne natürlich tendenziell unter Druck. Wenn man aber in Bereichen positioniert ist, die strukturell wachsen, die das Potenzial haben, besser durch eine Rezession zu kommen, kann man sich durchaus positiv abheben. Qualitätsfimen profitieren in der Regel in einer Krise, sie können Marktanteile gewinnen und gehen somit daraus gestärkt hervor.“

Wie lässt sich das bewerkstelligen?

„2023 wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Darauf muss man achten. In dem zu erwartenden schwierigen wirtschaftlichen Umfeld wird sowohl von der Nachfrageseite als auch von der Inflationsseite Preissetzungsmacht ein wichtiger Faktor bleiben. 2022 war es für viele Unternehmen noch recht einfach, die Preise anzuheben. Doch nicht jedes Unternehmen wird dies auch 2023 können. Hohe Marktanteile und klare Eintrittsbarrieren für Wettbewerber sind entscheidende Faktoren, um auch in schwierigem Fahrwasser die Profitabilität abzusichern.“

Was könnte Anleger noch positiv stimmen?

„Der Umstand, dass insbesondere Europa eine historisch sehr hohe Untergewichtung aufweist. In vielen Kundengesprächen hat sich gezeigt, dass Europa in seiner Relevanz in den Portfolios abgenommen hat und wir historisch an einem Tiefpunkt sind. Das sollte Druck von den Aktienkursen nehmen. Zudem sind die Insiderverkäufe ausgetrocknet und erste Aktienrückkaufprogramme werden hochgefahren. Das zusammengenommen begrenzt das Abwärtsrisiko doch ziemlich, auch wenn wir ein schwieriges Jahr vor uns haben, in dem Rezession und Gewinnrevisionen drohen. Allerdings ist einiges davon ist schon eingepreist.“

Welches Potenzial messen Sie europäischen Aktien bei?

„Europa ist ein interessanter Aktienmarkt, der von der Breite der Opportunitäten lebt. Es gibt viele interessante Unternehmen über alle Marktsegmente hinweg. Ich höre zwar immer wieder Kritik, in Europa gäbe es keine großen Techwerte. Das stimmt – dass aber Europa zu wenig innovativ sei, stimmt nicht. Es gibt viele kleinere, zum Teil aber auch große Firmen, die sehr innovativ sind. Ein Teil dieser Innovationen ist im Mittelstand, also im Small-Cap-Segment zu finden, weswegen wir besonders hier nach dem sehr starken Rückschlag in diesem Jahr aus einer langfristigen Perspektive heraus sehr gute Chancen sehen.“

Lassen Sie uns über Nebenwerte reden!

„Nebenwerte sind ein wichtiges Thema für Berenberg. Viele unserer Kunden sind in Nebenwertefonds investiert, aber auch Teile unserer globalen und europäischen All-Cap-Portfolios sind in diesem Segment aktiv. Leider muss man klar und deutlich sagen, dass der jüngste Abverkauf im Small- und Mid-Cap-Bereich einer der historisch größten war, zumindest im relativen Kontext, nicht in absoluten Zahlen. Absolut waren die Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf die Aktienkurse deutlich schlimmer. Aber damals wie heute gibt es aufgrund des starken Abverkaufs Chancen, die man aufgreifen sollte. In der langfristigen Betrachtung hat sich das Nebenwertesegment gerade in Europa deutlich besser entwickelt als die Standardwerte. Obendrauf kommt natürlich noch unsere Stock-Picking-Expertise, die zu einer Alpha-Generierung geführt hat. Dabei gehen wir davon aus, dass dies auch in Zukunft so sein wird.“

Woher stammt Ihre Zuversicht?

„Weil sich in Europa die Wachstumswerte zuletzt schon recht gut von ihren Tiefs Ende September erholt haben, was wir auch an unseren Fonds sehen können. Bei den global aufgestellten Fonds ist das noch nicht im gleichen Ausmaß der Fall, weil das Growth-Segment in den USA zuletzt noch durch die Gewinnsituation im Big-Tech-Segment gerade im vierten Quartal belastet war. Aber auch hier sehen wir erste Tendenzen, dass sich gerade kleine und mittelgroße Firmen anfangen zu erholen.“

Was ist der Auslöser hierfür?

„Ein entscheidender Treiber für die rückläufigen Aktienkurse war die Erwartung einer nachhaltig hohen Inflation und steigender Zinsen. Man sieht das auch an der Entwicklung unserer Portfolios über den Zeitablauf – so haben wir im Juni und Juli outperformt, als die Zinserwartungen zurückgegangen sind. Im 1. Halbjahr 2022 aber auch seit dem Sommer sind die Zinserwartungen nochmal gestiegen, was für uns belastend war. Ich glaube aber, das wird sich 2023 ändern, indem die Unternehmensgewinne wieder in den Vordergrund rücken und die Inflation und die Zinsen in den Hintergrund. Allerdings rechnen wir nicht mit einer starken Outperformance von Wachstumsaktien auf breiter Front. Deswegen wird das richtige Stock-Picking entscheidend sein.

Können Sie einzelne Titel aus Ihrem Portfolio hervorheben?

„Unter unseren Top-20-Positionen in den europäischen Aktienfonds gibt es viele Unternehmen, die berechtigt über dem Bewertungsschnitt notieren. Zum Beispiel ASML. Die Firma hat ein höheres Gewinnwachstum als andere, weil es höhere Bruttomargen und einen extrem hohen Marktanteil bei seinem Hauptprodukt hat, das das Wachstum treibt. Die strategische Bedeutung der Firma hat sich deutlich erhöht – ohne ASML findet eine hochtechnologische Chipproduktion heute nicht mehr statt. Zusammengefasst heißt das, es gibt durchaus Gründe, warum manche Firmen über ihren Bewertungen von vor zehn Jahren notieren. In der langfristigen Perspektive ist es nach wie vor äußerst spannend, in großen Firmen ebenso wie in Nebenwerten investiert zu sein, sofern diese ein zweistelliges jährliches Gewinnwachstum aufweisen können.“

Und grundsätzlich?

Ganz generell halten wir an unserer Überzeugung fest, dass es sich nicht rentiert, in unprofitable Unternehmen zu investieren. Das hat noch nie funktioniert! Gerade in den USA haben unprofitable Tech-Unternehmen gegenüber dem breiten Tech-Index immer underperformt – außer in der Covid-Phase, als plötzlich alles gestiegen ist, was sich irgendwie nach Technologie angehört hat. Wir sind einerseits überzeugt, dass es sich langfristig auszahlt, auf Wachstum zu setzen, trotz der schwachen Performance 2022. Wichtig ist andererseits aber, dass das Wachstum mit einer hohen Eigenkapitalrendite kombiniert ist. Wir haben gesehen, dass man mit diesen Aktien bisweilen auch harte Zeiten durchstehen muss. Langfristig zahlt es sich aber aus, in Firmen investiert zu bleiben, die hohe jährliche Wachstumsraten erwarten lassen. Wir möchten langfristige Chancen ergreifen, mit dem Effekt, dass wir gegebenenfalls in Aktien investiert sind, die kurzfristig höhere Abwärtsrisiken aufweisen.“

Inwieweit unterscheidet sich Ihr Kernportfolio in den letzten zwölf Monaten inhaltlich?

„Natürlich müssen wir uns an das anpassen, was in Welt und auch an den Kapitalmärkten passiert. Insofern haben wir beispielsweise im Rahmen unserer Quality-Growth-Strategie sogenannte Secure-Growth-Aktien übergewichtet, was heißt, dass wir uns auf Unternehmen konzentrieren, die eine hohe Sicherheit bieten, dass sie die erwarteten Gewinne auch erzielen. Zugleich haben wir auf Bewertungsveränderungen sensitiv reagiert und uns deutlich vorsichtiger bei den vormaligen Covid-Gewinnertiteln aufgestellt. Diese Firmen haben zum Teil sehr stark zugelegt, was natürlich ein erhöhtes Rückschlagsrisiko bedeutet. Bezüglich der Secure-Growth-Aktien können es durchaus defensive Elemente sein, die eine Rolle spielen. Ich kann hier Novo Nordisk nennen, AstraZeneca oder auch Nebenwerte, die strukturelle Wachstumstreiber haben, was sie relativ gut durch das schwierige Marktumfeld gebracht hat. Und das ist unser Ansatz, dass wir uns auf solche Titel konzentrieren, die verlässlich strukturelles Wachstum bieten. Kurz gesagt sichern wir unsere Portfolios vor der ungewissen Gewinnsituation 2023 ab, denn es wird durchaus Einschläge von der einen oder anderen Seite geben.“

Was hat sich, abschließend gefragt, in Ihrem Team getan?

„Wir haben über das letzte Jahr unser Team weiter verstärkt. Das Aktien-Team bei BWAM umfasst heute 16 Portfolio Manager, die ein Vermögen von knapp fünf Milliarden Euro betreuen, in insgesamt zwölf verschiedenen Aktienfonds. Neue Fonds, die über das letzte Jahr gelauncht wurden, waren der International Micro Cap Fonds, unser neues Long/Short-Konzept mit dem Absolute Return European Equities sowie der Emerging Asia Focus Fund. Mit Letzterem betreten wir ein neues Universum für uns, das wir aber mit dem gleichen Approach angehen werden wie bei allen unseren Fonds. Hierzu haben wir uns auch verstärkt, mit Javier Garcia, der von der UBS zu uns gekommen ist, um den Bereich Asien zu managen.“

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