„Bei ihrem Treffen hoch in den Bergen von Jackson Hole können sich die Währungshüter aus den USA und Europa zunächst gegenseitig beglückwünschen. Sie haben den großen Inflationsschub überstanden, der sie in den Jahren davor arg gebeutelt hatte. Auf beiden Seiten des Atlantiks ist die Inflation wieder auf unter 3 Prozent gefallen. Allerdings haben die Notenbanker beim Blick zurück noch einiges aufzuarbeiten. Auch wenn vor allem pandemiebedingte Engpässe und der Putin-Schock bei Energie- und Nahrungsmittelpreisen die Inflation ausgelöst hatten, müssen sie sich vorwerfen lassen, zu spät reagiert zu haben. Auch beim Blick voraus herrscht alles andere als eitler Sonnenschein. Denn endgültig besiegt ist die Inflation nicht.
Angesichts eines strukturellen Mangels an Arbeitskräften bleibt der Lohndruck hoch. Das treibt die Preise für Dienstleistungen. Auch die Kosten des Kilmaschutzes und ein zunehmender Protektionismus dürften dafür sorgen, dass sich die Inflation künftig eher bei 2,5 Prozent als beim Zentralbankziel von 2 Prozent einpendeln wird. Dazu kommt die Diskussion über die Unabhängigkeit der Zentralbanken, losgetreten mal wieder von Donald Trump, der ein Mitspracherecht des US-Präsidenten bei der Geldpolitik fordert. Um dieses Risiko einzugrenzen, muss insbesondere die US-Notenbank Federal Reserve System (Fed) noch mehr als zuvor darauf achten, dass ihr keine groben Fehler unterlaufen. Ein übermäßiger Anstieg der Arbeitslosigkeit könnte für die Fed politisch unangenehm werden. Nach dem Ausflug in die Berge warten schwere Aufgaben auf die Notenbanker, in den USA mehr noch als in Europa.“
Von Dr. Holger Schmieding, Chefvolkswirt bei Berenberg