Gold auf Allzeithoch: Die Treiber ändern sich, aber die Rallye geht weiter

Nach einer außergewöhnlich starken physischen Nachfrage aus Fernost könnte nun die Nachfrage der globalen Anleger dem Goldpreis weiteren Rückenwind verleihen. „Die Entwicklung am Goldmarkt wird zunehmend von den Finanzinvestoren bestimmt“, erklärt Ulrich Urbahn, Leiter Multi Asset Strategy & Research bei Berenberg. „Die Zeit, in der die Zentralbanken den Markt dominierten, scheint sich dem Ende zuzuneigen.“ Berenberg | 23.10.2024 08:02 Uhr
Ulrich Urbahn, Leiter Multi Asset Strategy & Research bei Berenberg / © e-fundresearch.com / Berenberg
Ulrich Urbahn, Leiter Multi Asset Strategy & Research bei Berenberg / © e-fundresearch.com / Berenberg

Was zuletzt geschah: Dominanz der Zentralbanken

In den letzten zwei Jahrzehnten wurde die Entwicklung des Goldpreises vor allem von den Kapitalflüssen globaler Investoren bestimmt. „Die Nachfrage der Zentralbanken und der Schmuckindustrie blieb hingegen weitgehend stabil“, so Urbahn. Eine entscheidende Rolle für die Goldinvestoren spielen dabei die Realzinsen langlaufender US-Staatsanleihen – also die Rendite abzüglich der erwarteten Inflation. „Gold als Sachwert bietet Schutz vor Inflation, wirft aber keine laufenden Erträge ab. Steigende Realzinsen erhöhen die Opportunitätskosten, Gold zu halten“, erläutert Urbahn.

Mit dem Ausbruch des Russland-Ukraine-Krieges im Jahr 2022 veränderte sich jedoch die bisherige Korrelation zwischen Goldpreis und Realzinsen grundlegend. „Die starken Anstiege der Realzinsen von unter -1 Prozent im Tief auf fast 2,5 Prozent führten nicht zu einem Einbruch des Goldpreises. Im Gegenteil: Zwar zogen sich die Anleger aus den Gold-ETFs zurück, aber die Zentralbanken, vor allem in Asien, sprangen ein“, erklärt Urbahn. Die globalen Be-stände von Gold-ETFs sanken zwischen Mai 2022 und Mai 2024 um 25 Prozent, dennoch stieg der Goldpreis im gleichen Zeitraum um fast 30 Prozent. „Die rekordverdächtigen Goldkäufe der Zentralbanken in den Jahren 2022 und 2023, vor allem der chinesischen People’s Bank of China, gaben dem Markt Auftrieb“, ergänzt er.

Was künftig geschehen könnte: Dominanz der Investoren

Mit dem starken Anstieg des Goldpreises haben sich die Käufe der Zentralbanken mittlerweile deutlich verlangsamt. „Die People’s Bank of China hat in den letzten drei Monaten erstmals seit fast zwei Jahren keine Käufe mehr getätigt“, erklärt Urbahn. „Dass die Zentralbanken ihre Bestände verkaufen, ist jedoch höchst unwahrscheinlich. Vielmehr könnten sie bei fallenden Goldpreisen wieder als Käufer auftreten.“ Die Zentralbanken der Schwellenländer hielten Ende 2023 noch immer weniger als zehn Prozent ihrer Währungsreserven in Gold, während es in den Industrieländern mehr als 25 Prozent waren.

„Entscheidend für die weitere Entwicklung des Goldpreises werden jedoch die Finanzinvestoren sein“, so Urbahn. „Die Zinswende der US-Notenbank spielt eine zentrale Rolle. Bei sinkenden Realzinsen hat Gold historisch fast immer eine positive Performance gezeigt.“ Die erste Zinssenkung erfolgte im September. Damit hatten die Marktteilnehmer bereits im Vorfeld gerechnet, weshalb sich die Kapitalflüsse bei Gold-ETFs schon zuvor gedreht hatten. „Seit Juli verzeichneten Gold-ETFs Zuflüsse von über 2 Millionen Unzen, was den Goldpreis auf neue Allzeithochs getrieben hat“, ergänzt Urbahn.

Vorsicht und Chancen

Obwohl der Goldpreis neue Höchststände erreicht hat, gibt es auch Anzeichen der Vorsicht. „Die hohe Positionierung bei Gold-Futures, getrieben von Momentum-Strategien, birgt das Risiko eines temporären Rücksetzers“, warnt Urbahn. „Doch im aktuellen Umfeld aus sinkenden Zinsen, steigenden Staatsschulden, Unsicherheiten vor den US-Wahlen und geopolitischen Spannungen im Nahen Osten bleibt Gold ein aussichtsreiches Investment.“ Er fasst zusammen: „Trotz der hohen Preise sehen wir Potenzial für eine Fortsetzung der Rallye. Die Treiber haben sich verändert, aber die positiven Rahmenbedingungen sprechen weiterhin für Gold.“

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