1. Die Wirtschaft wird unter erheblichen Nachwirkungen leiden.
Die Arbeitslosenquote wird mittelfristig über dem Vor-Krisenniveau liegen. Manche Unternehmen, die unter normalen Umständen durchaus profitabel sind, werden durch die extremen Umstände ihr Geschäft aufgeben müssen. Zur Abmilderung des wirtschaftlichen Schocks wurden drastische monetäre und fiskalpolitische Maßnahmen ergriffen. So notwendig dies auch sein mag, wird dies am Ende aber zu einer gewaltigen Staatsverschuldung und einer extremen Ausweitung der Zentralbankbilanzen führen.
In mancher Hinsicht wird die Situation der Zeit nach der globalen Finanzkrise ähneln. Die Zeit nach der Finanzkrise war von Massenarbeitslosigkeit, Insolvenzen und umfangreichen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen geprägt. Mit fortschreitender Erholung normalisierten sich die Angebots- und die Nachfrageseite der Wirtschaft langsam. Dies ermöglichte den Arbeitnehmern die Rückkehr in die Beschäftigung. Die überlebenden Unternehmen expandierten und neue Firmen wurden gegründet Dagegen schafften es die Zentralbanken und Regierungen insbesondere in den Industrienationen kaum, ihre konjunkturpolitischen Maßnahmen auf das Vorkrisenniveau zurückzuführen.
2. In der Zeit nach der Pandemie wird es unter den Wirtschaftssektoren Gewinner und Verlierer geben.
Die daraus resultierende Neugewichtung in der Wirtschaft wird massive relative Wertschöpfungspotenziale für Investoren bringen. Zu den Gewinnern werden Anbieter virtueller Technologien gehören, die Menschen zusammenbringen oder Unterhaltung, Informationen oder Dienstleistungen bieten. Mehr noch als vor dem Ausbruch der Pandemie wird der Technologiesektor eine kritische Infrastruktur darstellen, die für die Wirtschaft von zentraler Bedeutung ist.
Die Verlierer werden vor allem Dienstleister sein, die auf die physische Nähe zum Kunden angewiesen sind. Grund werden zunächst die weiter bestehenden gesundheitlichen Bedenken sein, es zeichnet sich außerdem aber ab, dass Menschen zunehmend Wege finden, auch ohne physischen Kontakt miteinander zu interagieren und Geschäfte zu tätigen. Der stationäre Einzelhandel wird gegenüber dem Internethandel weiter an Boden verlieren, da die Verbraucher die Bequemlichkeit des Onlinehandels immer mehr zu schätzen lernen.
3. Diese sektorale Neugewichtung könnte (und das ist eher spekulativ) zu einer Wiederbelebung des Produktivitätswachstums führen.
Die vergangenen Jahre haben eine Vielzahl beeindruckender Technologien hervorgebracht – Smartphones, immer schnellere Computer, Big Data, Künstliche Intelligenz, Genome, Hirnforschung usw. Trotzdem war das Produktivitätswachstum im vergangenen Jahrzehnt das niedrigste seit der Nachkriegszeit. Wir glauben, dass die aktuelle Krise der Produktivitätsentwicklung in verschiedener Hinsicht neuen Schwung geben könnte. Während der allgemeinen Quarantäne haben viele Menschen und Unternehmen Zeit und Geld investiert, um die Arbeit von zu Hause technisch zu ermöglichen und zu erlernen. Obwohl diese Technologien den persönlichen Kontakt nicht vollständig ersetzen werden, werden sie auch nach der Pandemie weiter eingesetzt werden. In vielen Fällen ermöglichen sie ein effizienteres Arbeiten und erhöhen die Produktivität. Es könnte also sein, dass die Notmaßnahmen zur Bewältigung der Krise durch Einführung neuer Schlüsseltechnologien in der Gesamtwirtschaft dauerhafte Veränderungen geschaffen haben.
4. Insbesondere in den USA wird die ungleiche Verbreitung des Virus in verschiedenen Bevölkerungsgruppen wahrscheinlich längerfristig zu Frustrationen über die Ungleichheit in der Gesellschaft führen.
Die Daten zeigen deutlich, dass bisher ärmere Bevölkerungsgruppen besonders vom Virus betroffen gewesen sind. Dies ist darauf zurückzuführen, dass diese Gruppen vor dem Ausbruch des Virus bereits mit größeren gesundheitlichen Herausforderungen und Krankheiten konfrontiert waren und in vielen Fällen auf engem Raum und in Gegenden mit einer hohen Bevölkerungsdichte leben, was die Verbreitung des Virus gefördert hat. Darüber hinaus war es bei geringfügig bezahlten Arbeitnehmern wahrscheinlicher, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren, oder sie waren in „essentiellen“ Berufen mit erhöhtem Infektionsrisiko tätig. Diese Realitäten haben zweifellos zu den Frustrationen beigetragen, die in den jüngsten Demonstrationen in den USA zum Ausdruck kommen. Diese Themen dürften in den kommenden Jahren auch im politischen Geschehen eine erhebliche Rolle spielen.
5. Die Alterung der Weltbevölkerung wird die globale Wirtschaftsentwicklung weiterhin prägen.
Unsere Forschung hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass der demographische Wandel mit einem schwächeren realen BIP-Wachstum, einer geringeren Inflation und niedrigeren Nominalzinsen einhergehen.[1] Die Nachwirkungen der Virenkrise werden wahrscheinlich viele dieser bereits bestehenden Trends noch verstärken und das globale Wachstum und die Inflation dämpfen, was weitere konjunkturelle Maßnahmen durch die Zentralbanken erfordert und so die Zinsen niedrig hält. Wir erwarten, dass diese fundamentalen Entwicklungen längerfristig zu einem makrofinanziellen Umfeld mit geringer Volatilität führen werden, wobei die politische Entwicklung wie bereits in den vergangenen Jahren ein Hauptunsicherheitsfaktor bleibt.
Jedes dieser fünf Themen wird bereits für sich genommen gewichtige Konsequenzen haben. Zusammen werden sie eine Zukunft prägen, die sich in wichtigen Punkten von der Zeit vor der Pandemie unterscheiden wird. Der Umgang mit diesen veränderten Umständen wird von uns allen Wachsamkeit und Geschick verlangen.
Nathan Sheets, Chief Economist und Head of Global Macroeconomic Research, PGIM Fixed Income
[1] Siehe „The Economics of Global Aging: Grauer Himmel, Strahlen der politischen Hoffnung“, Dezember 2018, auf PGIMFixedIncome.com.