Die JPMorgan Global Purchasing Manager Indexes (PMI), die einen breit gestreuten Indikator für das Unternehmervertrauen auf den Sektoren Produktion und Dienstleistungen darstellen, fielen im Februar auf unter 50 (ein Zeichen für Kontraktion), wiesen im April schockierend niedrige Tiefstände auf und begannen dann, sich zu erholen. Im Juli kletterten die PMI sowohl für das herstellende Gewerbe als auch für Dienstleistungen auf über 50 und wiesen im August Stände von 51,8 bzw. 51,9 aus, was dem weltweiten Anstieg auf beiden Sektoren entsprach. In den Sommermonaten war ebenfalls ein Anstieg der Wachstumsindikatoren zu verzeichnen, und für die Volkswirtschaften der wichtigsten Industrienationen wurde mit einem annualisierten zweistelligen BIP-Wachstum für das 3. Quartal gerechnet.
Dennoch gibt es bereits Anzeichen für eine Abschwächung des Wachstumsmomentums. Das Wachstum im 4. Quartal wird unvermeidlicherweise hinter dem des 3. Quartals zurückbleiben und die großen Industrieländer werden mit ihren BIP-Wachstumsdaten für das Jahr 2020 tief in die roten Zahlen rutschen. Die Erholung der chinesischen Volkswirtschaft verlief nicht synchron mit dem Rest der Welt, da der Höhepunkt der Infektionswelle das Land bereits im Februar getroffen hatte und die Erholungsphase somit im 2. Quartal einsetzte, während in den meisten anderen Teilen der Welt gerade der Lockdown begann. Der drakonische Lockdown in China erwies sich als ein sehr wirksames Mittel zur Begrenzung der Virusverbreitung. Daher hat die Wirtschaft dort weniger gelitten und erholte sich früher. Infolgedessen wird für China ein positives Wachstum für das Kalenderjahr 2020 erwartet, und eventuell konnte das Land die COVID bedingten Produktionsverluste bereits wieder aufholen.
Es herrscht jedoch weiterhin hohe Unsicherheit darüber, wann die anderen großen Volkswirtschaften ihre Aktivität von vor der COVID-19-Pandemie wieder erreichen werden. Die US-Notenbank hat ihre Wachstumsprognose nach oben revidiert. Sie erwartet nun für 2020 einen geringeren BIP-Rückgang und geht davon aus, dass die USA bis Ende 2021 wieder vollkommen die früheren Produktionsstände erzielen dürften. Konsensprognosen basieren auf ähnlichen Annahmen für die USA, während Europa und Japan erheblich länger brauchen dürften. Der vor uns liegende Weg könnte holprig werden, da die Weltwirtschaft mit der Pandemie und ihren verbleibenden Auswirkungen zu kämpfen hat.
Der Rhythmus, in dem die wirtschaftliche Erholung erfolgt, hängt von einigen entscheidenden Fragen ab. Wie entwickelt sich die Pandemie in einer Zeit, in der es in der nördlichen Hemisphäre Herbst und damit Grippesaison ist und die Kinder wieder zur Schule gehen? Wie bald gibt es wirksame medizinische Durchbrüche, d.h. Medikamente und Impfstoffe? Wie schnell sind die Regierungen und die freie Wirtschaft in der Lage, die Herstellung einer wirksamen Vakzine heraufzufahren, den Vertrieb zu starten und weite Teile der Bevölkerung zu impfen? Haben die US-Präsidentschaftswahl und die sich daraus ergebende Regierungsart disruptive Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Märkte? Verstärken sich die Spannungen zwischen den USA und China erneut? Geben die Regierungen auf der ganzen Welt weiterhin ausreichende fiskalische Anreize zur Stützung ihrer Volkswirtschaften oder setzen Ermüdung und Selbstgefälligkeit ein? An dieser Front besteht noch weiterer Handlungsbedarf, und die Kosten für diesbezügliche Versäumnisse werden sehr viel höher sein als die Kosten für fortgesetzte Unterstützung.
Der gegenwärtige Abschwung wurde durch die Pandemie, d.h. einen externen Schock, ausgelöst und nicht durch die Entstehung wirtschaftlicher Ungleichgewichte wie bei früheren Abschwüngen. Daher dürfte die Weltwirtschaft aufgrund ihrer besseren Positionierung eher zu einem raschen Wiederaufschwung in der Lage sein als nach der weltweiten Finanzkrise. In der Zwischenzeit sorgen die Wirtschaftsdaten weiterhin für positive Überraschungen und die Nachrichten zur COVID-19-Impfstoff- und Arzneimittelentwicklung sind ebenfalls gut.
Zudem kündigte die US-Notenbank im August eine Änderung ihres Handlungsrahmens in Richtung flexibler, auf die Inflation abzielender Rahmenbedingungen an. Damit wird betont, dass die Fed während wirtschaftlicher Erholungsphasen - nach Inflationsdefiziten in Abschwungphasen - ein Überschreiten der normalen Inflationsrate anstrebt. Daher wird die Fed die US-Wirtschaft wohl heißer laufen lassen, als es ohne diese Änderung möglich gewesen wäre, und wahrscheinlich die Straffung der Geldpolitik so lange hinauszögern, bis die Wirtschaft und die tatsächliche Inflation erheblich an Fahrt gewonnen haben. Auf ihrer September-Sitzung deutete die Fed an, dass sie frühestens im Jahr 2023 mit dem Erreichen ihres Inflationsziels von 2% rechnet, und daher erwartet, dass die Zinssätze bis 2023 bei Null bleiben.
Die größten Abwärtsrisiken sind anscheinend geopolitischer und/oder politischer Art. Insbesondere war der US-Kongress nicht in der Lage, ein weiteres Paket fiskalischer Anreize zu verabschieden. Dies gibt deshalb Anlass zur Sorge, weil die US-Wirtschaft die Auswirkungen der Pandemie aufgrund der bisherigen Anreize noch nicht vollständig zu spüren bekommen hat. Zwar besteht die Möglichkeit, dass es doch noch zu irgendeiner Vereinbarung im Kongress kommt, aber andernfalls würde der Verlust der fiskalischen Unterstützung die Fortschritte, die die US-Wirtschaft seit Mai gemacht hat, untergraben. In diesem Fall könnte das wirtschaftliche Momentum noch etwas länger tragen, im Endeffekt würde sich die Erholung jedoch verlangsamen.
Nach den Wahlen in den USA werden sich die Staatsausgaben für Gesundheitswesen und Infrastruktur wahrscheinlich erhöhen (im Falle eines Sieges von Biden) oder es kommt zu weiteren Steuersenkungen und zusätzlichen Ausgaben (im Falle von Trumps Wiederwahl).