Europäische Unternehmensanleihen weisen historisch gesehen relativ niedrige Ausfallraten auf. Wir erwarten, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Die 12-Monats-Ausfallrate bei europäischen und US-amerikanischen Hochzinsanleihen lag Ende Oktober bei etwa 4 % bzw. 8 %. Für die nächsten 12 Monate erwarten wir eine etwa halb so hohe Ausfallrate in Europa und eine Quote von etwa 6 % in den USA.
Wir halten es für möglich, dass in der Zeit danach – ab 2022 – die europäischen Ausfälle leicht ansteigen, während die US-Rate weiter sinkt. Unser Basisszenario – untermauert durch eine kürzlich durchgeführte Bottom-up-Ausfallanalyse für den gesamten Sektor – geht dennoch davon aus, dass die Ausfallquote in Europa in den nächsten 24 Monaten deutlich unter 3 % liegen wird, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die meisten europäischen Emittenten erst im Jahr 2023 mit einem wachsenden Refinanzierungsbedarf konfrontiert sein werden und somit zusätzliche Zeit für eine wirtschaftliche Erholung im Euroraum zur Verfügung steht.
Sektoren Glücksspiel, Hotel und Freizeit in den USA präsenter als in Europa
Der dramatische Unterschied zwischen den Ausfallraten in Europa und den USA ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass in Europa hochzyklische Branchen wie Energie, Glücksspiel, Hotels und Freizeit eine weniger große Präsenz an den Anleihemärkten haben. In den USA waren Anleihen aus diesen Sektoren 2020 für mehr als 55 % aller Hochzins-Ausfälle verantwortlich. Auch die Ausgestaltung der europäischen Konjunkturmaßnahmen hat das Ausmaß der Kreditausfälle gemindert.
Bessere High-Yield-Qualität in Europa
Betrachtet man die Datenlage unter Berücksichtigung der jüngsten und zu erwartenden Ausfälle, so besteht der europäische Markt aus hochverzinslichen Krediten von höherer Qualität. In Europa sind 69 % der Emittenten mit BB bewertet, im Vergleich zu 45 % auf dem US-Markt. Bessere Fundamentaldaten, wie z.B. eine bessere durchschnittliche Eigenkapitalquote und höhere Zinsdeckungsquoten, stützen die Kreditqualität des europäischen Marktes. Am unteren Ende des Ratingspektrums sind 8 % des europäischen Hochzinsmarkts mit CCC und schlechter bewertet, verglichen mit 17 % des US-Markts (Quelle: ICE BofA Merrill Lynch Global Research. Stand: 30. September 2020).
Wirksame Geld- und Fiskalpolitik in Europa
Die europäischen Konjunkturmaßnahmen sind in vielerlei Hinsicht wirksamer ausgefallen als die in den USA, was vielen europäischen Emittenten dabei geholfen hat, die Pandemie ohne allzu großen Schaden zu überstehen.
Zum Beispiel entspricht die Kaufkraft des 1,35 Billionen Euro schweren Notkaufprogramms der EZB etwa 7% der ausstehenden auf Euro lautenden Schulden. Es war damit deutlich größer als das 750 Milliarden Dollar teure Programm der US-Notenbank, das 2 % der ausstehenden USD-Schulden entsprach und außerdem in Kürze eingestellt werden soll (Quellen: EZB, US-Notenbank und BIS). Die Unterstützung durch die EZB führte zu einer deutlichen Verteuerung der qualifizierenden Investment-Grade-Anleihen, wodurch europäische Hochzinsanlagen im Vergleich attraktiver wurden.
Auf der fiskalischen Seite umfasste das Konjunkturprogramm der Europäischen Kommission 1,29 Billionen Euro an Notfallmitteln, um die wirtschaftlichen und sozialen Schäden der Pandemie einzudämmen. Neben den Krediten für kleine und mittlere Unternehmen wurde die Grenze für Staatsdefizite von 3 % für die nächsten zwei Jahre ausgesetzt. Dies hat es vielen europäischen Ländern gestattet, Maßnahmen zur Unterstützung der Allgemeinbevölkerung zu ergreifen, zum Beispiel in Form von Kurzarbeitergeldern, die für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren 60-80 % der Gehälter freigestellter Arbeitnehmer decken. Dagegen gestalten sich in den USA die Verhandlungen über ein mögliches weiteres Konjunktur- und Hilfspaket sehr schwierig.
Geringerer Einfluss von COVID-sensiblen Sektoren
Trotz der beginnenden Impfkampagnen werden viele Unternehmen angesichts der steigenden Infektionszahlen und neuer Beschränkungen noch eine erhebliche Durststrecke zu überwinden haben, bevor die Wirtschaft wieder vollständig geöffnet ist. Obwohl sich die von COVID besonders belasteten Sektoren wie Energie, Fluggesellschaften und Einzelhandel im November stark erholten, hat die Pandemie bei ihnen langfristige, wenn nicht sogar dauerhafte Spuren hinterlassen. Viele der am stärksten betroffenen Branchen haben im europäischen Hochzinsmarkt nur eine vergleichsweise geringe Präsenz. Energie, Fluggesellschaften, Freizeit, Metalle, Glücksspiel und Einzelhandel machen weniger als 10 % des Marktes aus, in den USA sind es 25 % (Quelle: Barclays. Basierend auf dem Bloomberg Pan European High Yield Index zum 30. September 2020).
Günstiges Umfeld für Fundamentalanalyse
Europäische Investoren stehen vor großen Herausforderungen, wenn sie in den kommenden Jahren positive Realrenditen erzielen wollen. Niedrige bis negative Zinsen auf Staatsanleihen und eine unsichere, aber wahrscheinlich eher gedämpfte wirtschaftliche Entwicklung werden erhebliche Probleme bereiten. Dies schafft ein Umfeld, in dem eine gründliche Analyse fundamentaler Finanzdaten und Szenarien sowie Stresstests besonders wichtig sind. Dies war das Ergebnis unserer jüngsten Bottom-up-Analyse, die darauf schließen lässt, dass es im europäischen Hochzinsmarkt weniger Ausfälle geben wird als allgemein erwartet. Für den Anleger bietet sich so die Chance, Emittenten und Branchen zu identifizieren, die den wirtschaftlichen Belastungen der aktuellen Krise widerstehen können und die gut positioniert sein werden, am Aufschwung der nächsten Jahre zu partizipieren.
Jonathan Butler, Leiter des European Leveraged Finance Teams bei PGIM Fixed Income