„In den vergangenen Wochen signalisierten die Vertreter der Fed, dass auf der bevorstehenden Sitzung am 4. Mai eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte und die Ankündigung des Beginns der quantitativen Straffung wahrscheinlich sind. Wir gehen davon aus, dass die Fed beides auf ihrer Sitzung in der nächsten Woche umsetzen wird. Da bis zur letzten Fed-Sitzung in diesem Jahr jedoch nur noch etwas mehr als sieben Monate verbleiben, sind wir auf jeden Hinweis gespannt, wohin sich der FOMC bis Ende des Jahres orientieren wird.
Entsprechend sollten drei Aspekte bei der Fed-Sitzung in der nächsten Woche beachtet werden:
- Wie schnell wird die Fed den Leitzins auf ein neutrales Niveau anheben. In diesem Zusammenhang ebenfalls interessant ist, inwiefern die Unsicherheit darüber, was ein neutrales Niveau ist, gegebenenfalls angesprochen wird.
- Wie die Fed das Gleichgewicht findet zwischen einer vorsichtigen Haltung aufgrund der unsicheren Aussichten und einem „zügigen“ Vorgehen angesichts der gegenwärtigen hohen Inflation. Bislang hat die amerikanische Zentralbank die Unsicherheit über die weiteren Wirtschaftsentwicklungen weitgehend heruntergespielt. Stattdessen betonte sie den Handlungsbedarf angesichts der starken Inflation in der gegenwärtigen Situation.
- Wie unterschiedlich die Ansichten der Fed-Vertreter ausfallen, insbesondere der stimmberechtigten FOMC-Mitglieder. Diese Unterschiede können jedoch möglicherweise erst im Laufe des Monats mit der Veröffentlichung des Protokolls der Fed-Sitzung vom Mai deutlich werden.
Der Markt hat eine Anhebung des Leitzinses um 50 Basispunkte am 4. Mai eingepreist, gefolgt von zwei weiteren Anhebungen um 50 Basispunkte auf den FOMC-Sitzungen im Juni und Juli. Letzte Woche mehrten sich sogar Gerüchte über mögliche aggressivere Zinserhöhungen in Schritten von 75 Basispunkten.
Während die Fed-Vertreter schon zu Beginn des Jahres eine beschleunigte, vorzeitige Straffung der Geldpolitik angedeutet hatten, schienen sich Ende letzter Woche einige Notenbankvertreter gegen das noch aggressivere Tempo zu wehren, das der Markt zunehmend zu erwarten schien, und dämpften die Vorstellung von Zinserhöhungen in Schritten von jeweils 75 Basispunkten.
Wir gehen sowohl bei der Mai- als auch bei der Juni-Sitzung von einer Anhebung um 50 Basispunkte aus, wobei eine Anhebung um 25 Basispunkte bei der Juni-Sitzung anstelle von 50 Basispunkte nicht ganz ausgeschlossen werden kann. In Kombination mit einer relativ raschen Ausweitung des Quantitative Tightening (QT) ab Juni ist generell ein langsameres Tempo bei den Zinserhöhungen in der zweiten Hälfte dieses Jahres denkbar. Damit dies geschieht, müssen die monatlichen Inflationswerte bis zu diesem Zeitpunkt jedoch ihren Höchststand bereits hinter sich haben.
Sollte sich die Inflation nicht wie erwartet abschwächen, dürfte ein sogenannter „Volcker-Moment“ mit aggressiveren Maßnahmen der Fed erst Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres eintreten. Bis dahin dürfte die Fed ausreichend Zeit gehabt haben, um die Auswirkungen des sich bereits abzeichnenden Gegenwinds zu bewerten – z.B. strengere finanzielle Bedingungen, ein fiskalischer Rollback, hohe Energie- und Lebensmittelpreise bei weniger stark steigenden Löhnen und eine sich verlangsamende Weltwirtschaft.“
Ellen Gaske, Lead Economist, G10 Economies bei PGIM Fixed Income