Risikoscheu zu Jahresbeginn
An den globalen Märkten herrschte zu Jahresbeginn Risikoscheu, da die hohe Inflation anhielt und die Fed ihre restriktive Haltung noch verstärkte. Russlands Invasion in der Ukraine erschwerte die Situation für die weltweiten Zentralbanken zusätzlich, indem ein stagflationärer Schock die Situation weiter verschärfte. Die Aktienmärkte erfuhren in dem Quartal eine Korrektur, wobei einige Rückgänge der technischen Definition einer Baisse entsprechen. Der S&P 500, der NASDAQ, der MSCI EAFE, der Eurostoxx 50 und der MSCI Emerging Markets verzeichneten beispielsweise Rückgänge gegenüber den letzten Hochs von rund 13 %, 22 %, 18 %, 20 % bzw. 19 %.
An den Anleihemärkten gab es mit der Anpassung der Renditen vor dem Hintergrund der deutlichen Änderung der Erwartungen für die Geldpolitik der Fed ebenfalls erhebliche Bewegungen. Die Rendite 10-jähriger US-Treasuries belief sich zu Jahresbeginn auf 1,5 %, durchbrach am 10. Februar 2 % und liegt jetzt nahe 2,5 % (Stand: 25. März). Die Bewegung bei der Rendite 2-jähriger US-Treasuries, die sensibler auf Veränderungen des geldpolitischen Umfelds reagiert, war sogar noch dramatischer und erreichte 2,3 % (Stand: 25. März), nachdem sie das Jahr bei 0,73 % begonnen hatte.1 Während sich Aktien und Anleihen zu Jahresbeginn schwertaten, entwickelten sich Sachwerte wie Rohstoffe und Gold hervorragend und trugen zur Absicherung der steigenden geopolitischen und Inflationsrisiken bei.
Durch den Nebel des Krieges steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Fehler bei der Zentralbankpolitik zu einer Rezession führen. Dies ist jedoch immer noch nicht unser Basisszenario, und wir beziffern die Wahrscheinlichkeit einer weltweiten Rezession in den nächsten 12 Monaten mit rund 30 %.
Aktien dürften verlorenen Boden wettmachen
In einem Umfeld steigender Zinsen sind die Bewertungskennzahlen von Aktien gegenüber ihren Hochs von 2020 zurückgegangen. Das erwartete KGV für den MSCI World Index fiel zum Beispiel von 20,3 Ende 2020 auf 18,0 (Stand: 25. März), was einem Rückgang von rund 11 % entspricht.1An den meisten Aktienmärkten, mit Ausnahme der USA und des EMEA-Raums, werden die Aktien derzeit mit einem Abschlag gegenüber ihrem 10-Jahres-Durchschnitt der Gewinnprognosen gehandelt. Lateinamerikanische und britische Aktien scheinen ein sehr attraktives Wertpotenzial zu bieten, da ihre geschätzten Bewertungskennzahlen deutlich unter ihrem 10-Jahres-Durchschnitt liegen. Die Bewertungskennzahlen könnten künftig weiter unter Druck stehen, da die Inflation weiter steigt und die Zentralbanken die Zinsen erhöhen, aber ein kontinuierlicher Anstieg der Unternehmensgewinne dürfte eine Untergrenze für die Aktienmarktperformance festlegen.
Vorausgesetzt, dass der Krieg mit Russland sich nicht über die Grenzen der Ukraine hinaus ausweitet, wird die Weltwirtschaft unserer Ansicht nach eine Rezession vermeiden können, und das Wachstum der Unternehmensgewinne in den USA und weltweit dürfte 2022 immer noch im oberen einstelligen Bereich liegen. Auch wenn wir davon ausgehen, dass die Aktienmärkte in diesem Szenario verlorenen Boden wettmachen werden, dürften die Renditen im Kalenderjahr 2022 schwach, wenn auch positiv ausfallen, da die höheren Zinsen die Bewertungskennzahlen weiter belasten.
Festverzinsliche Risikoanlagen schneiden besser ab als Staatsanleihen
Die globalen Anleihemärkte erlitten seit dem Höchststand im letzten Jahr deutliche Verluste. Der Bloomberg Global Aggregate Index fiel um 11 % gegenüber einem Hoch im Januar 2021. Das ist der größte Rückgang seit 1990, da er sogar den Rückgang um 10,8 % während der globalen Finanzkrise übertrifft.2 Die Zinsen könnten künftig angesichts der Wachstums- und Inflationsdynamik steigen, aber Anfang des Jahres wurde viel Schaden angerichtet. Die Renditerally muss sich möglicherweise konsolidieren, in ähnlicher Weise wie es letztes Jahr nach einem Anstieg der Renditen im 1. Quartal der Fall war, bevor die Renditen wieder steigen. Längerfristig sind wir bei Staatsanleihen dennoch pessimistisch und rechnen mit einem Anstieg der Renditen in den nächsten Jahren.
Wir schätzen das Risiko/Rendite-Profil bei festverzinslichen Risikoanlagen besser ein als bei Staatsanleihen. Anleihen aus Schwellenländern (EM) fielen dieses Jahr um 15 % gegenüber ihrem Höchststand im letzten Jahr und verzeichneten damit einen stärkeren Rückgang als US-Aktien. Die Spreads von Schuldtiteln aus Schwellenländern in Hartwährungen haben Niveaus erreicht, die zuletzt bei den Tiefständen der COVID-Lockdowns verzeichnet wurden, und die aktuelle Rendite von 6,5 % erscheint attraktiv. Russische Anleihen machen derzeit weniger als 1 % des JP Morgan Emerging Markets Bond Index aus (gegenüber 3,2 % Ende 2021) und werden am 31. März 20222 aus dem Index entfernt. Hochverzinsliche Unternehmensanleihen aus den USA verzeichneten dagegen einen geringeren Rückgang von rund 5 %, da US-Unternehmen besser vor der Ukraine-Krise geschützt sind. Die Spreads von Hochzinsanleihen sind ebenfalls gestiegen, liegen jedoch immer noch unter ihrem historischen Durchschnitt. Insgesamt sind die Renditen mit 6,2 % jedoch immer noch attraktiv.1
Rohstoffe haben immer noch ein höheres Aufwärtspotenzial
Wir beurteilen Rohstoffe nach wie vor positiv. In früheren Kommentaren rechneten wir aufgrund von Ungleichgewichten zwischen Angebot und Nachfrage, die in naher Zukunft nicht leicht zu beheben sind, mit einer strukturellen Hausse bei den Rohstoffpreisen. Russlands Invasion in der Ukraine stärkt das optimistische Szenario für Rohstoffe, da sie sowohl zu zusätzlichen Angebotsengpässen als auch zu einem Anstieg der Nachfrage führt. Russland, der zweitgrößte Rohstoffproduzent der Welt, ist ein wichtiger Lieferant von Energie, Metallen und Getreide. Die Verhängung staatlicher Sanktionen und die freiwillige Auferlegung von Sanktionen durch private Akteure führten zu einem bedeutenden negativen Angebotsschock.
Auf der Nachfrageseite hat der russische Angriff die NATO wiederbelebt und die Beziehungen zwischen den USA und ihren Verbündeten gestärkt. Deutschland hat sich zu einer militärischen Aufrüstung und zur Diversifizierung der Energieversorgung verpflichtet und zieht sogar eine Änderung seiner Haltung gegenüber der Kernkraft in Betracht. Die Umsetzung dieser Ziele wird Jahre dauern und einen hohen Einsatz von Rohstoffen mit sich bringen. Durch höhere Militärausgaben bei den NATO-Mitgliedern steigt die Nachfrage nach Öl, Erdgas, Stahl und anderen Basismetallen. Dies wird die bereits knappen Vorratsbestände belasten.
Rohstoffe bleiben eine hervorragende Absicherung sowohl gegen die Inflation als auch gegen einen schlechter als erwarteten Ausgang des Russland-Ukraine-Konflikts. Unserer Auffassung nach wurde die Talsohle des Rohstoffzyklus zu Beginn der COVID-Pandemie erreicht, als der Ölpreis am 20. April 2020 mit -38 USD in den negativen Bereich rutschte. Unserer Ansicht nach hat damals ein mehrjähriger Aufwärtstrend begonnen. Die Rohstoffpreise sind seitdem um 109 % gestiegen, liegen aber immer noch 56 % unter ihrem Hoch von 2008.1 Falls die Rohstoffpreise schließlich auf ihre Niveaus von 2008 steigen, müssten sie gegenüber dem heutigen Niveau um 77 % steigen, was wahrscheinlich über einen Zeitraum von mehreren Jahren eintreten wird. Die Mittelflüsse in Rohstoffe haben ebenfalls das Potenzial, die durch die mangelnde physische Nachfrage verursachten Aufwärtsbewegungen zu verstärken.
Hier können Sie den vollständigen Ausblick lesen.
1 FactSet, Bloomberg, Stand: 25.03.2022. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Ergebnisse.
2 Global Bond Index Loses $2.6 Trillion in Record Slide from Peak, Bloomberg News, Ritchie/Flynn, 23.03.2022.