Die Rückkehr des Drachen: Was Chinas Erholung von COVID-19 für die Schwellenländer bedeutet

Während in China der Lockdown allmählich aufgehoben wird, versuchen die Anleihe- und Aktienanleger in den Schwellenländern die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Wirtschaft Chinas und den Dominoeffekt auf andere Schwellenländer abzuschätzen. Aviva Investors | 07.04.2020 19:16 Uhr
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Die Aufhebung der Quarantäne in China erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem andere Länder eigene harte Maßnahmen zur Eindämmung des Virus durchsetzen. Wie China von nun an mit der Krise umgeht, ist für die Politiker und Gesundheitsexperten in anderen Ländern, die sich des Risikos neuer Ausbrüche infolge der Lockerung der Quarantänemaßnahmen und der Bildung größerer Menschenmengen bewusst sind, von großem Interesse. Auch die Anleger beobachten China genau, da das Tempo der wirtschaftlichen Erholung erhebliche Auswirkungen für den Rest der Welt, insbesondere andere Schwellenländer, haben wird.

Plötzlicher Shutdown

Die offiziellen Zahlen verdeutlichen das Ausmaß, in dem die Wirtschaftsaktivität eingebrochen ist, während sich China im Januar und Februar in Quarantäne befand. Zu den am stärksten betroffenen Bereichen gehörten die arbeitsintensiven Branchen mit langen Lieferketten, aber auch die Freizeit- und Reisebranche wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. 

Das Beratungsunternehmen China Beige Book geht von einem Rückgang des BIP-Wachstums gegenüber dem Vorquartal von voraussichtlich 11 Prozent aus. Nach Einschätzung von David Nowakowski, Stratege im Bereich Multi-Asset und Makro bei Aviva Investors, könnte die Produktion im Quartal noch stärker gefallen sein, um 12 Prozent oder mehr.

Trotzdem führte die relativ schnelle und effektive Reaktion der Regierung auf das Coronavirus zu einer Beruhigung der Binnenmärkte. Chinesische Aktien waren im Jahr 2020 weniger volatil als ihre weltweiten Pendants. „Obwohl China als Zentrum des Virusausbruchs gilt, erwiesen sich chinesische Aktien als bemerkenswert widerstandsfähig“, so Alistair Way, Head of Emerging Market Equities bei Aviva Investors. „Auch einige der traditionell defensiven Sektoren wie Basiskonsumgüter, Pharmazeutik und Versorger sowie Technologie und Internet hielten sich recht gut. Dies ist auf die positive Entwicklung im Bereich Glücksspiel und E-Commerce und die Wahrscheinlichkeit erheblicher Investitionen in die technische Infrastruktur aufgrund des weltweiten Anstiegs der Zahl der Mitarbeiter, die von zu Hause aus arbeiten, zurückzuführen.“

Chinesische Staatsanleihen waren bei einigen Festzinsanlegern gefragt

Unterdessen waren chinesische Staatsanleihen dank der Stabilität des Renminbi und der weit verbreiteten Erwartung, dass die People's Bank of China zur Unterstützung der Erholung eine langsame aber stetige geldpolitische Lockerung durchführen wird, bei einigen Festzinsanlegern gefragt.

Finanzpolitische „Bazooka“?

Erste Anzeichen deuten auf eine beginnende Erholung der Produktion in China hin. Die am 31. März veröffentlichten Daten zum Einkaufsmanagerindex (Purchasing Managers Index, PMI) im verarbeitenden Gewerbe zeigten nach dem Rekordrückgang im Februar einen unerwarteten Anstieg des Werts auf über 50 in diesem Monat.1 Der PMI ist jedoch nur ein Richtungsweiser und keine absolute Kennzahl, und glaubwürdigen Berichten zufolge forderten einige Provinzvertreter die Unternehmen auf, ihre Daten „aufzuhübschen“, um den Eindruck einer stärkeren Erholung zu erwecken. 

Der Konsum in China scheint sich ebenfalls langsam zu beleben, nachdem die Bürger aus der Isolation herausgekommen sind.

Wenige Analysten gehen davon aus, dass Chinas Wirtschaft in absehbarer Zeit auf Hochtouren laufen wird. Der Rückgang der weltweiten Nachfrage wird die Exporte in den kommenden Monaten beschränken

Dennoch gehen nur wenige Analysten davon aus, dass Chinas Wirtschaft in absehbarer Zeit auf Hochtouren laufen wird. Der Rückgang der weltweiten Nachfrage wird die Exporte in den kommenden Monaten beschränken. Außerdem sind die finanzpolitischen Anreize möglicherweise weniger effektiv als die Maßnahmen in der Finanzkrise, als Peking mit immensen Investitionen in Straßen, Eisenbahnen und andere große Infrastrukturprojekte die chinesische Wirtschaft ankurbelte und Rohstoffexporteuren auf der ganzen Welt Auftrieb verlieh.

Die Zusammensetzung der chinesischen Wirtschaft hat sich jedoch verändert. Nach Angaben des Institute of International Finance (IIF), einem Zusammenschluss großer Finanzinstitute, wird die Regierung ihre Konjunkturmaßnahmen voraussichtlich auf weniger materialintensive Sektoren wie Rechenzentren, Gesundheitswesen und Telekommunikation ausrichten. Darüber hinaus ist der Spielraum der Regierung für finanzpolitische Maßnahmen insgesamt geringer als 2008. Damals pumpte sie 590 Milliarden US-Dollar in die Wirtschaft – etwa 13 Prozent des damaligen BIP. Chinas Wachstum wurde seitdem zu einem großen Teil von Schulden angetrieben.

Ein weiterer Anstieg der Staatsverschuldung durch massive Anreize könnte wiederum die Fähigkeit der PBC einschränken, weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen durchzuführen. Pettis erklärt, dass deutliche finanzpolitische Anreize zwar wahrscheinlich sind, voraussichtlich über Kreditnehmer auf Provinzebene, zugleich aber jeder Versuch, Wachstumsraten von über fünf Prozent aufrechtzuerhalten, eine enorme Erhöhung der Verschuldung erfordern würde, die das Währungssystem des Landes ernsthaft verzerren könnte.

Vieles hängt davon ab, ob China das COVID-19-Virus besiegt oder nur dessen Ausbreitung verlangsamt hat

Nowakowski sorgt sich weniger um die Höhe der Staatsverschuldung als um die zunehmende Verschuldung von Unternehmen und Haushalten, welche die Wirtschaftstätigkeit in China nach der Pandemie dämpfen könnte. Vieles hängt davon ab, ob China das COVID-19-Virus besiegt oder nur dessen Ausbreitung verlangsamt hat.

Kapitalflucht

Über China hinaus versetzten die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie die Anleger in anderen Schwellenländern in Panik. Im Zeitraum zwischen 21. Januar und 23. März zogen gemäß den Daten von Haver und IIF ausländische Anleger Schuldtitel und Aktien in Höhe von 83 Mrd. USD aus den Schwellenmärkten ab.

Diese Kapitalflucht ist auf die relative Stärke des Dollars zurückzuführen, sowie auf die Sorgen im Hinblick darauf, wie die Krise und der damit verbundene Einbruch der Exportnachfrage, beispielsweise für Rohstoffe, die Volkswirtschaften der Schwellenländer treffen wird. Die Entscheidung Saudi-Arabiens, die Ölproduktion zu erhöhen, führte zu einem drastischen Rückgang des Rohölpreises, nachdem die Gespräche mit Russland am 6. März abgebrochen worden waren. Dies verschärfte die Auswirkungen des durch das Coronavirus ausgelösten Nachfrageschocks auf die Ölproduzenten.

Die Zentralbanken haben pro-aktiv reagiert und trotz der Abwertung der Währungen vielfach die Zinssätze gesenkt. Dies ist ungewöhnlich, da die Zentralbanken der Schwellenländer in der Vergangenheit in Zeiten finanzieller Belastungen prozyklische Maßnahmen ergriffen haben, um ihre Währungen zu stabilisieren.

Stärken und Schwächen der Schwellenmärkte

Die Krise hat bereits die bestehenden Unterschiede zwischen stärkeren und schwächeren Schwellenländern aufgezeigt und Governance und wirtschaftliche Belastbarkeit auf die Probe gestellt. Südkorea erwies sich beispielsweise bei der Durchführung von Coronavirus-Tests als weltweit führend und gilt für viele westliche Länder als Vorbild. Die brasilianische Regierung rief hingegen Kritik hervor, da sie die Schwere der Pandemie trotz Infektionen hochrangiger Regierungsmitglieder in Frage stellte. 

Die wirtschaftlichen Auswirkungen werden sehr unterschiedlich sein. In Nordasien und Indien dürfte die Wirtschaft von den niedrigeren Energiepreisen profitieren. Die Rohstoffexportländer Lateinamerikas sind stärker gefährdet. Mexiko wirkt in einer Welt mit niedrigeren Rohstoffpreisen sehr anfällig und Brasilien könnte besonders verwundbar sein, nicht nur aufgrund seiner verfehlten Reaktion auf die Pandemie, sondern auch wegen seiner verstärkten Handelsbeziehungen zu China.

Neben anderen Ölproduzenten werden Volkswirtschaften in Zentralasien, z. B. Russland und Kasachstan, vom Rückgang des Rohölpreises betroffen sein, aber sie haben geringe Auslandsverbindlichkeiten und politische Flexibilität, so dass es ihnen gelingen sollte, diesen Sturm zu überstehen. Ölproduzenten mit schwächeren Leistungsbilanzsalden und bevorstehenden Schuldentilgungsfristen werden wahrscheinlich am stärksten betroffen sein. Ecuador hat z. B. bereits eine 30-tägige Nachfrist beantragt, um nach Möglichkeit seine Zinszahlungen an die Gläubiger zu erfüllen.

Der Internationale Währungsfonds kündigte eine Kreditfazilität in Höhe von Billion US-Dollar für die von 1 COVID-19 betroffenen Länder an, während die Weltbank beabsichtigt, in den kommenden 15 Monaten Ausgaben in Höhe von 160 Milliarden US-Dollar zu tätigen.

Infolgedessen kündigte der Internationale Währungsfonds eine Kreditfazilität in Höhe von 1 Billion US-Dollar für die von COVID-19 betroffenen Länder an, während die Weltbank beabsichtigt, in den kommenden 15 Monaten Ausgaben in Höhe von 160 Milliarden US-Dollar zu tätigen, insbesondere für Budgethilfe und Projekte, mit denen die Länder ihre Gesundheitsinfrastruktur zur Bekämpfung des Virus verbessern können. 

Die Welt nach COVID-19

In Bezug auf die Auswirkungen auf Unternehmen in Schwellenländern sollten die Anleger vorsichtig agieren, da COVID-19 die Gewinne belastet, erläutert Way. Unternehmen mit schwachen Bilanzen werden über einen längeren Zeitraum um ihr Überleben kämpfen, wenn die Nachfrage nach ihren Produkten oder Dienstleistungen einbricht. Einige Unternehmen könnten unter politischen Druck geraten, Ressourcen für die Anstrengungen der Regierung zur Bekämpfung der Pandemie frei zu machen.

Längerfristig werden Anleger in Schwellenländern darüber nachdenken müssen, wie anders die Welt aussehen wird, wenn die Bedrohung durch COVID-19 endlich vorbei ist

Längerfristig werden Anleger in Schwellenländern darüber nachdenken müssen, wie anders die Welt aussehen wird, wenn die Bedrohung durch COVID-19 endlich vorbei ist. Einige Unternehmen und Branchen werden florieren, andere nicht. Unternehmen, die in den Bereichen bargeldloser Zahlungsverkehr, Kommunikation und Networking tätig sind, gehen möglicherweise gestärkt aus der Krise hervor, während andere Unternehmen in der Reise- und Luftfahrtbranche langfristig Schaden erleiden könnten.

Vorerst steht jedoch die Bekämpfung der Pandemie an erster Stelle. Solange es kein Heilmittel gegen das Virus gibt, bleiben die Aussichten für die Schwellenländer – wie auch für den Rest der Welt – ungewiss. China steht im Zentrum dieses Geschehens: Sein Erfolg oder Misserfolg bei der Bekämpfung weiterer Ausbrüche bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Wirtschaftsleistung wird weit über seine Grenzen hinaus spürbar sein.

Referenz:

1. Ein Wert von 50 wird als neutral, ein Wert von über 50 Punkten als eine steigende und ein Wert von unter 50 Punkten als eine rückläufige Industrieproduktion angesehen.

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