Was macht Unternehmen in einer Krise widerstandsfähig?

Die COVID-19-Pandemie trifft Volkswirtschaften weltweit. Für Aktienanleger ist die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen damit nochmals mehr in den Fokus gerückt. Aber was bedeutet Widerstandsfähigkeit im aktuellen Kontext und welche Unternehmen sind widerstandsfähig? Aviva Investors | 06.07.2020 11:39 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Corona-Pandemie hat die Märkte weltweit erschüttert und Geschäftsmodelle zerstört. Als Folge der Krise richtet sich die Aufmerksamkeit wieder auf Faktoren, die ein Unternehmen widerstandsfähig machen: von der Höhe seiner Schulden bis hin zur Konstanz der Umsätze.

Widerstandsfähigkeit ist aber nichts Statisches. Was Widerstandsfähigkeit heißt, ändert sich mit den Marktbedingungen, erklärt Mikhail Zverev, Head of Global Equities bei Aviva Investors.

„Wichtig ist zu fragen, auf was sich die Widerstandsfähigkeit bezieht“, erläutert er. „‘Widerstandsfähigkeit‘ klingt genau wie ‚Qualität‘ nach einem absoluten Konzept, sie hängt aber vom Kontext ab.“

Gewinner und Verlierer

Im aktuellen Umfeld ist die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens bestimmt durch die Wechselwirkungen von Fundamentaldaten des Unternehmens, der sich schnell ändernden Konjunkturdynamik und dem Verbraucherverhalten angesichts der heftigen Corona-bedingten Erschütterungen.  

In der Anfangsphase der Krise haben sich Gewinner und Verlierer klar abgezeichnet. Dadurch, dass der weltweite Tourismus quasi auf Null zurückging, wurde die Reise- und Freizeitbranche besonders heftig getroffen – mit Fluggesellschaften, Hotels, Casinos, Kreuzfahrtschiffen und Veranstaltungen. Softwarefirmen haben hingegen von der steigenden Nachfrage nach Streaming- und Netzwerkplattformen während des Lockdowns profitiert.

Investoren hätten die zugrunde liegenden Schwächen in den nun am stärksten betroffenen Branchen erkennen können

Vorhersagen konnten Investoren den Ausbruch der Pandemie wohl kaum, sie hätten allerdings die zugrunde liegenden Schwächen in den nun am stärksten betroffenen Branchen erkennen können. Die Reise- und Freizeitbranche war schon zuvor alles andere als widerstandsfähig: Schon Mitte 2009 stellte ein KPMG-Bericht fest, dass fast 12 Prozent der britischen Unternehmen der Branche als „Zombie“-Unternehmen eingestuft werden können, mit nicht mehr wachsendem oder rückläufigem Umsatz, niedriger Profitabilität, geringen Margen, begrenzten Liquiditätsreserven und hohen Schulden.1

Auch die unabhängigen US-amerikanischen Ölproduzenten waren schon vor dem jüngsten Ölpreiseinbruch anfällig.

Bilanzen und Liquiditätsreserven

Die Probleme dieser Branchen verdeutlichen, wie wichtig starke Bilanzen und eine überschaubare Schuldenlast sind. Der Aktienmarkt hat besonders schnell jene Unternehmen abgestraft, deren Verbindlichkeiten mit Vertragsklauseln versehen sind, die bei einem deutlichen Einnahmenrückgang zur Aufnahme von Eigenkapital zwingen.

„Besonders schlecht entwickelt während der Krise haben sich Aktien von Unternehmen, die hoch verschuldet sind – vor allem über Schulden mit Vertragsklauseln – und deren Umsatz fast auf Null gefallen ist“, erklärt Giles Parkinson, Global Equities Fund Manager bei Aviva Investors.

Marktbeherrschende Unternehmen können sich während eines Abschwungs eher behaupten

Große, marktbeherrschende Unternehmen können sich während eines Abschwungs hingegen eher behaupten: Sie haben meist Zugang zum Fremdkapitalmarkt zu günstigen Konditionen und können bei Bedarf bestehende Verbindlichkeiten verlängern.

 Noch besser stehen Unternehmen da, die in den vergangenen Jahren große Liquiditätsreserven angehäuft haben. Der Technologieriese Apple verfügt zum Beispiel über Cash-Reserven von über 200 Milliarden Dollar. Für Apple dürfte es daher kein Problem sein, trotz Pandemie weiter in Personal, Marketing und wichtige Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu investieren und gegebenenfalls, wenn sich die Chance auftut, auch geschwächte Konkurrenten aufzukaufen.

Um eine Rangliste der widerstandsfähigsten Unternehmen weltweit zu erstellen, wurden in einer Studie zuletzt Zahlen zu Kreditversicherungskosten, Schuldenhöhe und Liquiditätsreserven von Unternehmen zusammengetragen. Die Technik- und Pharmariesen standen ganz oben.2

Lieferketten: Widerstandsfähigkeit statt Effizienz?

Unternehmen brauchen, um eine Krise zu überstehen, aber mehr als nur Liquiditätsreserven und starke Bilanzen. Auch die Auswirkungen auf Lieferketten werden von Aktieninvestoren genau beobachtet.

Laut Alistair Way, Head of Emerging Market Equities bei Aviva Investors, ist es für Investoren enorm wichtig, die Lage bei internationalen Lieferketten im Auge zu behalten, da die Pandemie – und die Reaktionen der Regierungen darauf – in den unterschiedlichen Ländern und Regionen sehr unterschiedlich ausfallen.

Als Beispiel für ein Unternehmen, das auf eine ausreichende Diversifizierung der Kundenbasis geachtet hat, nennt Way den in China ansässigen Apple-Zulieferer Hon Hai. Das Kerngeschäft von Hon Hai – die Fertigung von Apples iPhones – könnte stark unter Druck geraten, wenn die Nachfrage nach Endgeräten einbricht. Als Folge von gezielten Bemühungen des Managements in den letzten Jahren, das Unternehmen breiter aufzustellen, produziert Hon Hai aber auch Telekommunikationsinfrastruktur, Server und medizinische Geräte, „Diese Strategie scheint jetzt genau die richtige zu sein“, bemerkt Way.

Unternehmen mit komplexen Lieferketten haben noch immer mit den unmittelbaren Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen

Noch immer haben Unternehmen mit komplexen Lieferketten mit den unmittelbaren Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen, die längerfristigen Folgen sind noch nicht klar. Möglich ist aber, dass das „Just-in-time“-Lieferkettenmodell, das während der Boomjahre der Globalisierung zur Norm wurde, mit dem Eindämmen der Pandemie einem konservativeren „Just-in-Case“-Ansatz weichen wird: Die Unternehmen wollen größere Lagerbestände aufbauen, um bei plötzlichen Schocks robuster aufgestellt zu sein.

ESG: ein Schlüssel zur Widerstandsfähigkeit von Unternehmen

Eine weitere Schlüsselkomponente für die Widerstandsfähigkeit ist die Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG). Wenn der Klimawandel überall eine existenzielle Bedrohung für Geschäftsmodelle darstellt, können Unternehmen, die ESG-Risiken ignorieren, wohl kaum als widerstandsfähig bezeichnet werden.

Besser geführte, ESG-bewusste Unternehmen dürften auch widerstandsfähiger gegenüber spezifischen COVID-19-Risiken gewesen sein, etwa Schwachstellen in Lieferketten. Nach Ansicht von Jaimie Ramos Martin, Global Equities Fund Manager bei Aviva Investors, liegt das daran, dass diese Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit und die der Unternehmen, mit denen sie zusammenarbeiten, genauer und ganzheitlicher betrachten.

Im ESG-Bereich führende Unternehmen konzentrieren sich auf widerstandsfähige und nachhaltige Geschäftsmodelle

„Im ESG-Bereich führende Unternehmen konzentrieren sich auf widerstandsfähige und nachhaltige Geschäftsmodelle“, stellt er fest. „Wer im Supply-Chain-Management im Bereich ESG vorne an sein wollte, musste einiges über CO2-Footprint und Arbeitspraktiken von Zulieferer wissen – und dürfte dann auf den Schock durch COVID-19 besser vorbereitet gewesen sein.“

Aggressive Steuervermeidung, schlechte Beziehungen zu Angestellten und der Öffentlichkeit an den Standorten sowie eine unterdurchschnittliche Umweltbilanz werden schwieriger zu rechtfertigen sein in einer Welt, in der alle unter den Beeinträchtigungen durch COVID-19 gelitten haben. Unternehmen, die nachweislich bereit sind, das Richtige zu tun, werden eher die Loyalität ihrer Mitarbeiter und Kunden behalten.

Für Aktieninvestoren ist es laut Parkinson wichtig, bei der Beurteilung der Widerstandsfähigkeit ihrer Portfolios auch solche qualitativen Maßnahmen im Auge zu behalten und daran mitzuwirken, diese in Zusammenarbeit mit den Managementteams der Unternehmen zu verbessern.

Auf der richtigen Seite des Wandels investieren

Kürzlich hat McKinsey in einer Studie untersucht, wie 1.000 börsennotierte Unternehmen in mehreren aufeinanderfolgenden Krisen zurechtkamen: Ergebnis war, dass sich die Top-Performer besonders flexibel an neue Bedingungen anpassen können.3

Diese Anpassungsfähigkeit kann sich in unterschiedlichen Formen äußern, doch einige wenige wiederkehrende Faktoren fallen auf. An erster Stelle stehen die Menschen: Flexible, qualifizierte und loyale Mitarbeiter tragen zur Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens bei. Zweitens die Diversifizierung, sowohl der Kundenbasis als auch der Lieferketten. Drittens Liquiditätsreserven, denn mit ausreichenden Reserven können Unternehmen dem Druck einer Krise besser standhalten. Und viertens die Kultur: Ein starkes Managementteam, das offen für Veränderungen ist und bereit, harte, aber sozial verträgliche Entscheidungen zu treffen, kann den Ruf erheblich verbessern – und auch die Unternehmensergebnisse. Zusammengenommen kann das ein widerstandsfähiges Unternehmen ausmachen.

Offenheit und die Fähigkeit zur Veränderung könnten am meisten dazu beitragen, Gewinner von Verlierern zu unterscheiden

Mit diesen angesichts COVID-19 unvermeidlichen tiefgreifenden Veränderungen von Gesellschaft und von Unternehmenswelt könnten Offenheit und die Fähigkeit zur Veränderung am meisten dazu beitragen, Gewinner von Verlierern zu unterscheiden. Von steigenden Home Office-Tätigkeiten bis zu wachsender Nachfrage nach bargeldlosem Zahlen und modernster medizinischer Ausrüstung – widerstandsfähige Unternehmen machen sich schon jetzt Gedanken darüber, wie sie sich anpassen und reagieren können.

„Widerstandsfähigkeit muss man im Zusammenhang mit Veränderungen denken“, erklärt Zverev. „Veränderungen gibt es in zwei Richtungen: Sie können Chance und Bedrohung sein. Das liegt daran, dass Veränderungen Ineffizienzen zur Folge haben.“ Wenn sich im Geschäftsumfeld etwas ändere und die Zukunft anders als die Vergangenheit aussehe, könne der Markt das missverstehen und falsch bewerten. „Dann können Investoren nicht die Vergangenheit fortschreiben und müssen sich mehr bemühen, vernünftige Schlüsse zu ziehen.“

Quellen

  1. Yael Selfin: „Zombies in our midst“, KPMG, 15. Mai 2019. https://home.kpmg/uk/en/home/insights/2019/05/zombies-in-our-midst.html
  2. „The pandemic shock will make big, powerful firms even mightier“, The Economist, 28. März 2020. https://www.economist.com/business/2020/03/26/the-pandemic-shock-will-make-big-powerful-firms-even-mightier
  3. „Bubbles pop, downturns stop“, McKinsey & Co., Mai 2019. https://www.mckinsey.com/business-functions/strategy-and-corporate-finance/our-insights/bubbles-pop-downturns-stop
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