SSGA Experte Hentov: Die Wahlen zum Europäischen Parlament sind mittelfristig wichtig

Die Wahlen zum Europäischen Parlament, die zwischen dem 6. und 9. Juni stattfinden, gehören mit 27 Ländern und über 370 Millionen potenziellen Wählern zu den größten und komplexesten Wahlen der Welt. Trotz ihres Umfangs sind die Wahlen kein bedeutendes Marktereignis. Es zeichnen sich jedoch Themen ab, die sich mittelfristig negativ auswirken, da sie die weitere Integration und die verbesserte steuerliche Koordinierung in der Region verzögern. State Street Global Advisors | 04.06.2024 11:08 Uhr
Elliot Hentov, Leiter des Macro Policy Research bei State Street Global Advisors / © e-fundresearch / State Street Global Advisors
Elliot Hentov, Leiter des Macro Policy Research bei State Street Global Advisors / © e-fundresearch / State Street Global Advisors

Seit Beginn der Direktwahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 1979 wird dieses von einer losen zentristischen Koalition dominiert: den Mitte-Links-Sozialisten und Demokraten (S&D) und der Mitte-Rechts-Partei der Europäischen Volkspartei (EVP). In der Vergangenheit hatten die beiden Parteien zusammen 50 bis 70 Prozent der Sitze inne, doch dies hat sich in den letzten Jahren geändert, da rechtsgerichtete euroskeptische Parteien immer mehr an Einfluss gewonnen haben.

Es wird erwartet, dass sich der Rechtsruck bei den kommenden Wahlen fortsetzen wird. Umfragen gehen davon aus, dass die beiden vorherrschenden Parteien zusammen knapp über 40% der Sitze erhalten werden, ein historischer Tiefstand. Dieses Ergebnis wird dafür sorgen, dass die Stimmen der Mitte weiterhin die Debatte bestimmen, aber es wird schwieriger werden, Stimmen von rechts zu ignorieren. Die ausdrücklichen Annäherungsversuche der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, an die Rechte könnten ihre Wiederwahl gefährden, auch wenn dies immer noch das wahrscheinlichste Ergebnis ist.

Wie bereits erwähnt, sind die Wahlen selbst kein Marktereignis. Wenn sich die Wahlen zu den nationalen Parlamenten schon weit entfernt anfühlen können, ist das Europäische Parlament noch weiter entfernt. Das ist gewollt. Zum einen teilt es sich die Gesetzgebungsbefugnis mit dem Europäischen Rat. Es gibt jedoch auch andere Schwachpunkte, wie z. B. mangelnde Disziplin innerhalb der Fraktionen (d. h. der Parteien) aufgrund des breiten politischen Spektrums und der unterschiedlichen nationalen Prioritäten. Wenn die wechselnden politischen Winde die nationalen Parlamente bestimmen, kann man sagen, dass eine allmähliche Veränderung der Temperatur das Europäische Parlament bestimmt.

Investoren sollten jedoch die Ergebnisse der Wahlen nicht ignorieren. Eine größere Anzahl rechter Stimmen wird die Politik der Europäischen Union (EU) nach rechts verschieben, da die Politik in größerem Maße von Themen und nicht von Parteien bestimmt wird (wie es normalerweise in den nationalen Parlamenten der Fall ist). Diese Verschiebung ist für die Mitgliedstaaten von Bedeutung, da das EU-Recht Vorrang vor der nationalen Gesetzgebung hat. Er ist auch international von Bedeutung, da er bestimmt, wo die EU in globalen Fragen steht - von ihrer eigenen Wettbewerbsfähigkeit bis hin zu Fragen des Handels und der Sicherheit.

Der Rechtsruck hat bereits begonnen

Einige neue Themen sind klar erkennbar. Die Rechten haben einige gemeinsame politische Präferenzen, darunter: Misstrauen gegenüber der europäischen Autorität, Skepsis gegenüber globalen Fragen und höhere Ansprüche an die Sicherheit. Dementsprechend erwarten wir, dass die EU-Agenda weniger ehrgeizig in Bezug auf den grünen Übergang, soziale Gerechtigkeit und Projekte wie einen gemeinsamen Kapitalmarkt sein wird. Sie wird wahrscheinlich in den Bereichen Migration und Handel protektionistischer und in der Verteidigung ehrgeiziger sein. In der Tat hat der Wandel bereits begonnen: Die EU hat ihre Klima-Agenda überraschend schnell verwässert, als die Landwirte Anfang 2024 protestierten.  

Aus geopolitischer Sicht ist dieser Wandel ein Rückschritt. Einige der Herausforderungen, vor denen Europa heute steht, sind geopolitischer Natur - globale Wettbewerbsfähigkeit, Klimawandel, äußere Sicherheit. In einer Welt, die zunehmend mehr durch nationale Interessen als durch globale Regeln bestimmt wird, ist Europas größter Trumpf seine Größe. Um diesen Vorteil effektiv nutzen zu können, muss sich Europa selbst zu einem staatsähnlichen Gebilde entwickeln, mit gemeinsamen Schulden, einer gemeinsamen Steuerpolitik, einem gemeinsamen Kapitalmarkt und einer gemeinsamen Verteidigung. Ein Rechtsruck in der Politik erschwert die Verwirklichung all dieser Ziele, selbst wenn der Umfang des Rechtsrucks bescheiden ist.

Fazit

Wir sehen die Wahlen als moderaten Gegenwind für die EU. Umfragen deuten auf eine stärkere Vertretung der Rechtsextremen in der neuen Legislaturperiode hin, was es für die EU unter sonst gleichen Bedingungen schwieriger machen wird, sich in der neuen geopolitischen Landschaft zurechtzufinden. Da dies grundlegende Fragen der Wettbewerbsfähigkeit der EU berührt, sehen wir die Wahlen mittelfristig als leicht negativ für europäische Vermögenswerte an.

Eine größere Auswirkung hat die Frage, ob sie eine ähnliche politische Entwicklung auf nationaler Ebene in einem der großen europäischen Länder ankündigt. Dies hätte wesentlich stärkere Auswirkungen und könnte zu einer Ausweitung der Risikoprämien für Staatsanleihen führen, sowohl innerhalb des Blocks als auch im Vergleich zu anderen Ländern außerhalb der EU.

Von Elliot Hentov, Leiter des Macro Policy Research bei State Street Global Advisors

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen. Das NewsCenter ist eine kostenpflichtige Sonderwerbeform der e-fundresearch.com AG für Asset Management Unternehmen. Copyright und ausschließliche inhaltliche Verantwortung liegt beim Asset Management Unternehmen als Nutzer der NewsCenter Sonderwerbeform. Alle NewsCenter Meldungen stellen Presseinformationen oder Marketingmitteilungen dar.
Klimabewusste Website

AXA Investment Managers unterstützt e-fundresearch.com auf dem Weg zur Klimaneutralität. Erfahren Sie mehr.

Melden Sie sich für den kostenlosen Newsletter an

Regelmäßige Updates über die wichtigsten Markt- und Branchenentwicklungen mit starkem Fokus auf die Fondsbranche der DACH-Region.

Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und kann jederzeit abbestellt werden.