Das wohl wichtigste Anleihenthema der letzten zwei Wochen war nicht das Auf und Ab von US-Staatsanleihen, sondern der 40-prozentige Kurseinbruch US-dollardenominierter Titel der China Huarong Asset Management Company.
Wer unseren NB Blog kennt, hat vielleicht schon einige Einschätzungen meiner Kollegin Gloria Lam gelesen. Alles in allem wurde über das Thema aber viel zu wenig berichtet. Was also ist Huarong, und was macht die Sache so wichtig?
Problemkredite
Huarong Asset Management ist Chinas größter Manager von Problemkrediten, auch Distressed Debt genannt. Das Unternehmen verwaltet fast 300 Milliarden US-Dollar und gehört zu 57% dem chinesischen Finanzministerium.
Huarong hat, gelinde gesagt, eine zweifelhafte Vergangenheit. Im Januar ist der ehemalige Chef wegen Korruption hingerichtet worden. Außerhalb des eigentlichen Kerngeschäfts hatte er Unmengen notleitender Aktiva angehäuft. Dafür müssen Aufsichtsbehörden und Management jetzt eine Lösung finden.
Die Distressed-Debt-Sparte hatte aber stets stabile Gewinne erzielt. Am Markt hielt man diese für ausreichend, um die Abschreibungen der anderen Sparten ausgleichen zu können.
Entsprechend irritiert war man, als Huarong am 31. März keinen vorläufigen Geschäftsbericht vorlegte. Gerüchte machten die Runde, dass die Muttergesellschaft des Emittenten von US-Dollar-Anleihen ihre Garantien zurückziehen würde, Huarong also im Zweifelsfall nicht mehr stützen würde. Selbst eine Schuldenrestrukturierung wurde nicht mehr ausgeschlossen. Die Kurse stürzten daraufhin ab.
Ein Zahlungsausfall von Huarong wäre der größte in der chinesischen Geschichte. Investoren wissen, dass es bei früheren, kleineren Ausfällen nahezu unmöglich war, Garantien wie die für Huarong einzufordern. Wenn sich das jetzt wiederholt, wäre das ein sehr schlechtes Signal für den Markt – noch bevor sich herumspricht, dass der Staat seine Hilfen für große staatliche Unternehmen (SOEs) generell prüft.
Garantien
Schon lange rechnen wir mit mehr Zahlungsausfällen in China, vor allem bei staatlichen Unternehmen. Nach den Defaults beim Chiphersteller Tsinghua Unigroup und bei Yongcheng Coal & Electricity im Jahr 2020 schrieben wir im Dezember, dass wir einen Anstieg der Ausfallquote auf das Niveau anderer Emerging Markets erwarten. Schließlich wünscht sich der Staat niedrigere Verschuldungsgrade und weniger Korruption.
Diesmal glauben wir aber, dass er eine weiche Landung anstrebt, bei der die Garantien erfüllt werden. Huarong ist ein extrem großer Manager von Problemaktiva, und der Anteil notleidender Kredite dürfte in den nächsten Monaten steigen. Huarong scheint uns daher viel zu systemrelevant, als dass der Staat auch nur die geringsten Stabilitätszweifel zulassen könnte.
Wir glauben deshalb, dass der Huarong-Ausverkauf für sehr interessante Bewertungschancen am chinesischen Anleihemarkt gesorgt hat. Wie stets achten wir bei unseren Anlagen aber zuallererst auf die Finanzen der Emittenten. Dabei setzen wir auf eigene Fundamentalanalysen statt auf chinesische Ratings und sind uns bewusst dass eine Flucht in die Qualität jederzeit möglich ist.
Das gilt vor allem für staatliche Unternehmen. Hier achten wir auch sehr genau auf Eigentümerstruktur und Systemrelevanz. Wenn der Staat Korruption bekämpft, halten wir Firmen im kommunalen Besitz für deutlich gefährdeter als Unternehmen, die der Zentralregierung gehören – so wie Huarong.
Versteckte Schulden
Die chinesischen Anleihemärkte sind in letzter Zeit größer und wichtiger geworden. Auch wenn die Mittelzuflüsse in den letzten Wochen etwas abgeebbt sind, steigt der Anteil internationaler Investoren seit zwei Jahren – und damit auch während Corona – kontinuierlich. Investoren haben sich in dieser Periode über attraktive Erträge bei moderater Volatilität gefreut.
Bei Neuberger Berman schätzen wir den chinesischen Anleihemarkt langfristig weiter positiv ein. Unser Anleiheteam in Shanghai beobachtet die Situation deshalb genau. Nicht nur die Erträge waren letztes Jahr stabil, sondern auch die Konjunktur. Dank der hohen Industrieproduktion und boomender Exporte ist das BIP im Vorjahresvergleich um 18,3% gestiegen. Die Einzelhandelsumsätze liegen sogar um 34,2% höher.
Dennoch sollten Investoren nach dem Huarong-Debakel kurz innehalten. Der Preis für Chinas Stabilität in der Coronakrise und für das hohe Wachstum der letzten zehn Jahre waren steigende Schulden. Chinas offizielle Schuldenstandsquote – die Schulden aller staatlichen Ebenen in Prozent des BIP – ist mit knapp 80% sehr hoch. Vielleicht ist das aber noch untertrieben, da ein Großteil der kommunalen Schulden in Staatsunternehmen versteckt ist, vor allem in sogenannten Local Government Financing Vehicles. Wir glauben, dass Huarong auch deshalb solvent gehalten wird, weil Chinas Wirtschaft in Zukunft weitere Probleme drohen könnten.
Die Regierung nimmt diese Herausforderung an. Ernsthafte Lösungsversuche könnten in den nächsten Jahren aber weitere Probleme aufdecken und für mehr Volatilität sorgen. Kommt es zu Schwierigkeiten, hätte das nicht nur Folgen für Chinas Wirtschaft und Anleihemärkte, sondern auch auf globaler Ebene. Man muss die Lage deshalb genau beobachten.
Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman