Seit letztem März sind der S&P 500 und der MSCI World Index um über 80% gestiegen. Doch jetzt machen Schlagworte wie „Peak Growth“ oder „Peak PMI“ die Runde – man fürchtet, dass der Anstieg der Konjunkturindikatoren und Einkaufsmanagerindizes in den nächsten Wochen nachlassen könnte.
Für uns erklärt dies, warum die Investoren die wichtigsten Erholungstrends des 1. Quartals vernachlässigt haben: der Ausverkauf von US-Staatsanleihen und die Umschichtung von großen Wachstumswerten in kleinere, zyklischere Aktien sowie Substanzwerte..
In Zeiten wie diesen scheint es uns klug, innezuhalten und die Portfolios bei Bedarf anzupassen. Letztlich glauben wir aber, dass die Trends der letzten Monate anhalten, wenn auch wohl nicht ohne Volatilität.
Rasche Erholung
Natürlich kann die Wirtschaft nicht immer so stark zulegen wie zuletzt. Im 1. Quartal hat das US-Wachstum geschätzt annualisierte 6,4% betragen, nach 33,4% im 3. und 4,3% im 4. Quartal 2020. Der Markit Composite Purchasing Managers’ Index (PMI) für die USA steht mittlerweile bei 62,2 – der höchste Stand seit seiner Einführung im Jahr 2009.
Goldman Sachs hat kürzlich darauf hingewiesen, dass Aktien in den letzten 50 Jahren nach einem PMI-Hoch, über einen, drei, sechs und zwölf Monate, häufiger verloren als zulegten und die Performance im Durchschnitt etwa null betragen hat.
Allerdings meinen wir, dass man aus der Geschichte und vor allem aus Vergangenheitsdurchschnitten keine allzu weitreichenden Schlüsse ziehen sollte. In manchen der Zeiträume war die Wertentwicklung nicht nur positiv, sondern sogar zweistellig. Auch diesmal könnte aus den folgenden Gründen einiges für eine gute Performance sprechen:
Zunächst einmal war die Rezession letztes Jahr extrem tief. Entsprechend niedrig ist dieses Jahr die Ausgangsbasis. Wenn wir statt des Wachstums die absoluten Zahlen betrachten, zeigt sich eine rasche Erholung nach einem ungewöhnlich starken Einbruch. Das ist etwas ganz anderes als eine spätzyklische Übertreibung mit anschließendem Kurseinbruch.
Zweitens waren die Rahmenbedingungen für eine Erholung noch nie so gut. Die Haushalte haben viel gespart, der Konsumstau ist groß, und auf beiden Seiten des Atlantiks wurden beispiellose Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht. Und die Notenbanken akzeptieren ein gewisses Heißlaufen der Wirtschaft, bevor sie ihre Geldpolitik straffen.
Ein langer Weg mit vielen Zwischenstopps
Wir glauben, dass dies gegen die Peak-PMI-Theorie spricht – und damit für risikobehaftete Titel. Aber sie sind nicht alle gleich.
Wir glauben, dass der Aufschwung diesmal mit einer stärkeren Teuerung einhergeht als die letzten zwei oder drei. Daher halten wir nicht nur kleinere Unternehmen und zyklischere Titel für interessant, sondern auch Sachwerte – entweder durch Rohstoffe, Immobilien oder Aktien aus diesen Sektoren.
Außerdem setzen wir weiter auf nicht amerikanische Aktien. In den letzten zwölf Monaten war das Wachstum außerhalb der USA schwächer, aber jetzt könnte es zulegen. Außerdem ist der Zyklikeranteil hier höher, und es spricht weniger für eine starke Erhöhung der Unternehmenssteuer und eine strengere Regulierung.
Schließlich dürfte auch die Volatilität anhalten, denn vieles bleibt unklar. Stimmt die Peak-Growth-These? Wie entwickelt sich die Inflation? Sind die Bewertungen zu hoch? Was bedeutet die expansive Fiskalpolitik für die Steuern? Und wie stabil ist der Aufschwung eigentlich? Der S&P 500 notiert fast auf einem Allzeithoch, aber weltweit gab es noch nie so viele Neuinfektionen wie heute, vor allem wegen der fatalen Lage in Indien.
Auf Sicht von zwölf bis 18 Monaten bleiben wir daher für risikobehaftete Titel optimistisch, aber auf Drei- bis Sechsmonatssicht sind wir vorsichtiger. Gerade jetzt könnte vieles eine Korrektur auslösen. Das wäre eine Chance, zu attraktiveren Kursen wieder einzusteigen und von der Erholung zu profitieren.
Der Wachstumsgipfel „Peak Growth“ ist ein guter Ort um inne zu halten und sein Portfolio bei Bedarf anzupassen. Vielleicht müssen wir von hier auch wieder ein wenig bergab, aber schlussendlich glauben wir dass es weitere, noch höhere Gipfel zu besteigen gibt.
Erik Knutzen, Chief Investment Officer – Multi-Asset Class, Neuberger Berman