An der Geldpolitik hat die Fed-Sitzung der letzten Woche wohl nichts geändert. Aber der Ton ist neu.
Nach Wochen der bewusst milden Rhetorik scheint sich die Fed des Risikos bewusst zu werden, dass die höhere Inflationvielleicht doch nicht vorübergehend ist. Schließlich waren die Konjunkturdaten zuletzt sehr gut, und die Verbraucherpreise sind im Mai um 5% z.Vj. gestiegen.
Die Fed hob ihre Inflationsprognose für 2022 daraufhin an Und Notenbankchef Jerome Powell gab zu, dass die Inflation „höher ausfallen“ und „dauerhafter sein“ könne als erwartet. Dem Dotplot zufolge erwarten die Offenmarktausschussmitglieder für 2023 im Median jetzt zwei Zinserhöhungen und keine unveränderten Leitzinsen mehr. Für Ende 2023 rechnen jetzt acht Mitglieder mit einer Federal Funds Rate von mehr als 0,75%. Powell bestätigte auch, dass die Fed jetzt „darüber diskutiert, über eine Verringerung der Anleihekäufe nachzudenken“.
Den Fed Funds Futures zufolge werden die Zinsen nicht im April, sondern schon im Januar 2023 erstmals erhöht. Die US-Staatsanleiherenditen legten deutlich zu, im Zehnjahresbereich um 11 Basispunkte.
Liquidität
Und doch ist die Zehnjahresrendite rasch wieder unter 1,5% gefallen. So hoch war sie auch vor der Sitzung und ist damit wieder deutlich niedriger als Ende März. Angesichts der Wirtschaftslage ist das bemerkenswert niedrig. .
Für uns heißt das vor allem eines: Die niedrigen Renditen von Staats- und Investmentgrade-Unternehmensanleihen bedeuten nicht unbedingt, dass die Märkte der Fed die Geschichte von der „vorübergehenden Inflation“ abnehmen oder ihren Äußerungen zur Zukunft der Wertpapierkäufe glauben. Eher schon haben sie etwas mit Markttechnik und Liquidität zu tun.
Die Auslandsnachfrage nach dollardenominierten Titeln ist gestiegen. Lang ist es her, dass man US-Dollar so günstig in Euro oder japanischem Yen absichern konnte wie heute. Nicht amerikanischen Anlegern bieten US-Titel daher einen gewissen Renditevorsprung. Pensionsfonds scheinen – nach zwölf Monaten Aktienhausse – jetzt in US-Anleihen umzuschichten.
Noch wichtiger für Credit-Investoren und die Asset-Allokation könnte aber sein, dass Investmentgrade-Titel – Staats- wie Unternehmensanleihen – heute ganz anders sind als vor 15 Monaten. Damals hatte die Fed beschlossen, auch Unternehmensanleihen zu kaufen.
Volatilitätseinbruch
An den Finanzmärkten scheint es jetzt zweierlei Assets zu geben: Titel, die die Notenbanken kaufen, und Papiere, die für sie tabu sind.
Die Entwicklung der Volatilität von Investmentgrade-Anleihen verdeutlicht diese Zweiteilung. Die Notenbankinterventionen der letzten zehn Jahre haben die Volatilität generell gedämpft. Geradezu eingebrochen ist letztes Jahr aber die Volatilität von Investmentgrade-Anleihen, während die Schwankungen risikobehafteter Titel deutlicher auf die Konjunkturdaten reagiert haben.
Wir meinen, dass dies das Anlegerverhalten auf zweierlei Weise beeinflusstund dadurch auch Auswirkungen auf die Asset-Allokation hat.
Erstens: Je mehr man erwartet, dass ein nicht preissensitiver Käufer den Investmentgrade-Markt bei einem Ausverkauf, einer Liquiditätsklemme oder einem starken Volatilitätsanstieg stützt, desto weniger preissensitiv werden auch andere Investoren. Sie machen sich dann weniger Gedanken wegen möglicher Verlustrisiken.
Zweitens: Wenn die Volatilität einer Assetklasse abnimmt, empfehlen viele Modelle, ihre Gewichtung zu erhöhen. Das ist meist dann der Fall, wenn sie die Asset-Allokation auf Basis der erwarteten Erträge und ihrer Verteilung optimieren.
Rückkopplung
In einem ungehebelten Anleiheportfolio dürfte sich dieser Effekt eher in Grenzen halten. In einem assetklassenübergreifenden Portfolio könnte er aber zu einer deutlich höheren Gewichtung von Investmentgrade-Anleihen führen. Dies gilt erst recht, wenn das Portfolio Leverage nutzen darf, um den Ertrag zu steigern.
Genau das könnte jetzt passieren, wenn die Modelle das neue Risiko-Ertrags-Profil von Investmentgrade-Anleihen berücksichtigen. Wichtig sind dabei die Rückkopplungseffekte: Je mehr die Volatilität fällt, desto höher gewichten die Modelle die Assetklasse. Und je höher sie gewichtet wird, desto mehr geht die Volatilität zurück.
Wir wüssten nicht, was dies beenden könnte – außer einem klaren Statement der Fed, dass sie keine Unternehmensanleihen mehr kauft. Aber damit ist kaum zu rechnen, könnte es doch die Märkte aus dem Tritt bringen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Notenbank die Kontrolle über die Inflation verliert. Wenn der neue Ton der letzten Woche die Inflationssorgen dämpft, könnte die extrem niedrige Volatilität von Investmentgrade-Anleihen aber anhalten. Die Asset-Allokations-Modelle müssten dann überprüft werden.
Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman