CIO Weekly Perspectives | Es gibt wieder zwei Marktrichtungen

Fast ein Jahr lang sind die Kurse kontinuierlich gestiegen. Jetzt aber sorgten Inflation, Konjunktur und die Äußerungen der Notenbanken wieder für mehr Auf und Ab. Neuberger Berman | 30.06.2021 14:12 Uhr
© Photo by Pablo García Saldaña on Unsplash
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Seit dem Kurseinbruch im März 2020 und dem Renditetief im Juli kannten Aktien und Staatsanleiherenditen meist nur eine Richtung: Es ging aufwärts.

Im November haben die Erfolge bei der Impfstoffentwicklung diesen Aufwärtstrend sogar noch verstärkt. Erstmals seit Jahren lagen konjunktursensitive Aktien und Substanzwerte wieder vorn. Die Rohstoffpreise schnellten nach oben, und die US-Zehnjahresrendite hat sich verdoppelt.

Diese Entwicklung schien diesmal genauso wenig zwingend wie sonst auch. Wie wir letztes Jahr in unseren vierteljährlichen Asset Allocation Committee Outlooks schrieben, waren die fundamentalen Voraussetzungen für eine Rallye aber erfüllt: eine äußerst expansive Fiskalpolitik; steigende Inflationserwartungen (aufgrund der niedrigen Ausgangsbasis), aber keine übertriebenen Inflationsängste; eine ebenfalls sehr expansive Geldpolitik, die für niedrige Kurzfristzinsen und funktionierende Kreditmärkte sorgt; hohes Wirtschaftswachstum und steigende Unternehmensgewinne.

All dies ist typisch für einen neuen Konjunkturzyklus. Doch an drei der vier Voraussetzungen kommen jetzt Zweifel auf. Deshalb kannten die Märkte in den letzten zwei Monaten auch nicht mehr nur eine Richtung, sondern zwei.

Über nichts war sich das Asset Allocation Committee (AAC) auf seiner letzten Sitzung deshalb so einig wie über den zu erwartenden Volatilitätsanstieg in der zweiten Jahreshälfte. Mehr dazu lesen Sie in unserem vierteljährlichen Outlook, der bald erscheint.

Zyklusbeginn oder Zyklusmitte?

Wie heißt es so schön? Die Investoren „diskutieren darüber, darüber zu diskutieren“, was beim Übergang vom Zyklusbeginn zur Zyklusmitte zu erwarten ist.

Märkte sind vorausblickende Abzinsungsmechanismen. Heute mag die Fiskalpolitik sehr expansiv sein,aber Investoren denken bereits daran wie es  Mitte 2022 sein wird, wenn die meisten Maßnahmen auslaufen und der fiskalpolitische Impuls negativ wird.

Im April und Mai sind Inflation und Geldmenge so stark gestiegen, dass Investoren mit einem baldigen Tapering der Anleihekäufe und der ersten Zinserhöhung rechneten.

Als die Fed nach ihrer Sitzung Mitte Juni dann plötzlich die Rhetorik verschärfte, machte das die Sache nicht besser. Wer kurz zuvor noch auf Reflation und Erholung gesetzt hatte, änderte mitunter seine Positionierung. Die Zinsstrukturkurven wurden flacher, und die Break-even-Inflation fiel. Zykliker und Substanzwerte verloren gegenüber defensiven Wachstumswerten. Die Rohstoffpreise gerieten ins Schlingern, der Holzpreis brach sogar massiv ein. Der US-Dollar wertete auf.

Chancen mit Substanzwerten

Könnte die Erholungsrallye nach Corona damit zu Ende sein? Wir meinen, nein.

Zunächst einmal bleibt die Entwicklung höchst unsicher. Viel wurde darüber diskutiert, ob die Inflation vorübergehend oder strukturell ist. Ähnliche Fragen wirft der US-Arbeitsmarkt auf. Die Arbeitslosenquote scheint bei 6% festgenagelt, deutlich höher als vor Corona. Weil wir uns noch immer am Beginn der Erholung befinden? Oder sind vielleicht schon alle freien Stellen besetzt?

Der Fed dürfte nicht entgangen sein, dass innerhalb der Assetklassen stark umgeschichtet wurde. Aber an der sehr expansiven Geldpolitik hat sich kaum etwas geändert, und auch nicht an den Anteilen der Assetklassen in den Portfolios. Auch Wachstumswerte sind schließlich Aktien.

Kommen wir deshalb zurück zur vierten Voraussetzung für die Kursrallye, dem Wirtschafts- und Gewinnwachstum. Hier hat sich am Konsens nichts geändert. Noch immer wird für dieses Jahr ein hohes und für 2022 ein ordentliches Wachstum erwartet. Die Analysten rechnen damit, dass die S&P-500-Gewinne in diesem Jahr um 35% steigen. Bei konstanten Bewertungen könnten die Aktienkurse dann noch um etwa 20% zulegen.

Fassen wir also zusammen: Vorbei ist die Zeit, dass die Märkte nur eine Richtung kannten. In den letzten Wochen haben die Kurse geschwankt und damit Diskussionen ausgelöst. Auf 12-Monats-Sicht dürfte sich an den Fundamentaldaten aber nicht viel geändert haben. Und wenn Kursschwankungen eine Chance sind, in interessante Substanzwerte, Zykliker und andere konjunktursensitive Titel zu investieren, müssen sie nicht schlecht sein.

Erik Knutzen, Chief Investment Officer – Multi-Asset Class, Neuberger Berman

Mehr über die aktuellen Einschätzungen unseres Asset Allocation Committee finden Sie bald in unserem AAC-Outlook auf nb.com. Hier können Sie sich für eine Online-Diskussion mit Erik Knutzen und Ausschussmitglied Raheel Siddiqui anmelden.

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