CIO Weekly Perspectives | Markttechnik lässt Renditen fallen

Der schwache Sommerhandel und die Übergewichtung im Bereich der kurzen Durationen vieler Anleger ließen die Renditen einbrechen – oder gibt es doch fundamentale Gründe? Neuberger Berman | 14.07.2021 12:00 Uhr
© Photo by Ali Abdul Rahman on Unsplash
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Vor drei Wochen schrieb Brad Tank in unseren CIO Weekly Perspectives über die straffere US-Geldpolitik nach der Offenmarktausschusssitzung im Juni.

Überraschenderweise sind die US-Staatsanleiherenditen seitdem aber fast täglich gefallen. Die erstaunten Investoren suchten nach Erklärungen für die immer flachere Zinsstrukturkurve.

Macht die Fed einen Fehler, wenn sie eine straffere Geldpolitik in Aussicht stellt? Lässt das US-Wachstum gerade stark nach, und könnte die Reflation schon bald vorbei sein? Wurden die in Duration untergewichteten Investoren auf dem falschen Fuß erwischt? Vollständig ist diese Liste sicher nicht, aber das sind einige der häufigsten Vermutungen.

Fehler der Fed?

In der Junisitzung war nicht zu überhören, dass die Inflation der Fed Sorgen macht und sie als Notenbank fürchtet ihre Glaubwürdigkeit als Garant für stabile Preise zu verlieren. 

Auch war klar, dass der Offenmarktausschuss wegen der höheren Teuerung, früher als bislang in Aussicht gestellt und von den Anlegern erwartet, über ein vorzeitiges Tapering und frühere Zinserhöhungen diskutierte. Wegen des raschen Meinungswechsels kamen Zweifel auf, ob die Fed ihre neue Steuerung der Durchschnittsinflation wirklich ernst meint.

Letzte Woche wurde dann das Protokoll der Junisitzung veröffentlicht. Der Dotplot, also die Inflationsprognosen der einzelnen Mitglieder, schien plötzlich unwichtig geworden zu sein und die Wertpapierkäufe sollen demnach gar nicht so stark gesenkt werden, wie man geglaubt hatte. Alles in allem spricht das Protokoll für eine unveränderte Reaktionsfunktion der Notenbank.

Offensichtlich will die Fed keine Fehler machen, sodass sie zwischen Sitzung und Protokollveröffentlichung noch einmal in sich gegangen ist. Einerseits scheint sich der Offenmarktausschuss seine Handlungsfreiheit für den Fall absichern zu wollen, dass die Inflation anhält. Andererseits will er signalisieren, dass er bei seiner expansiven Geldpolitik bleibt, wenn sich die Teuerung auf niedrigerem Niveau normalisiert und wieder den alten Erwartungen entspricht.

Zweifellos sorgen die mehrdeutige Rhetorik der Fed und die Unklarheit über die für sie jetzt relevanten Parameter für Unsicherheit. Man weiß nicht, was die Notenbank tun wird und wie hoch der langfristig neutrale Leitzins jetzt ist. Wir glauben nicht, dass sich an den geldpolitischen Plänen seit der Junisitzung Grundlegendes geändert hat. Der Zeitplan für Zinserhöhungen und das Tapering sind gleich geblieben.

Kurzum, die Story von einem „Fehler“ der Fed hat unserer Meinung nach mehr mit irritierten Investoren zu tun, die nach einer Erklärung für den jüngsten Renditerückgang suchen.

Nachlassendes US-Wachstum?

Die Inflationssorgen aus dem 2. Quartal werden jetzt scheinbar von  Zweifeln am amerikanischen Wirtschaftswachstum ersetzt. Wir halten diese Zweifel für unbegründet, da die Wirtschaft, dank der durch anhaltende Finanzausgleiche weiterhin robusten Konsumzahlen, noch immer stark wächst.

Selbst wenn das Wachstum nachlässt, geht es nur von einem extrem hohen und nicht nachhaltigen Niveau auf Werte zurück, die noch immer über dem Langfristtrend liegen. Bei niedrigeren Staatshilfen rechnen wir tendenziell mit weniger Wachstum und Inflation. Aber die Vorstellung, dass wir wieder zu Renditen wie im Februar 2021 und zu Wachstum bzw. Inflation wie im Dezember 2020 zurückkehren, scheint weit hergeholt.

Der Markt versucht, angemessen auf die volatilen Fundamentaldaten zu reagieren. Aber auch das scheint uns keine Erklärung für den jüngsten Renditerückgang zu sein.

Dominierende Markttechnik?

Wir halten vielmehr eine Kombination unterschiedlicher technischer Faktoren zu einem sprichwörtlichen „perfekten Strum“ für den Grund dafür, dass die Renditen so stark gefallen sind.

Zum einen sind die Investoren trotz der massiven Verringerung von Short-Positionen nach der Junisitzung weiterhin in Duration untergewichtet. Entsprechend waren Zinsrallies zuletzt ausdauernd, während Ausverkäufe kurzlebig blieben.

Zum anderen steigt die Angst vor der Delta-Variante und ihrer potenziellen Auswirkung auf den Neustart der Weltwirtschaft sowie die Wachstumserwartungen. Die Investoren könnten ihre Positionierung überdenken, um auf einen “risk off“ Markt vorbereitet zu sein.

Schließlich haben auch das jüngste Scheitern der OPEC-Förderquotenverhandlungen und Nachrichten über das chinesische Vorgehen gegen Technologiefirmen für Volatilität gesorgt – ein weiterer Grund, Portfoliorisiken abzusichern.

Wir glauben, dass all dies zusammen zu einer höheren Nachfrage nach Anleihen geführt hat – und das ausgerechnet im Sommer, in dem das Handelsvolumen traditionell gering ist.

Überkaufte Märkte?

Fassen wir zusammen: Wir glauben, dass der jüngste Renditerückgang vor allem technische Gründe hat. Kurzfristig kann er weitergehen, doch nach der Anleiherallye der letzten acht Handelstage dürften wir uns einem Punkt nähern, an dem die Investoren ihren nächsten Schritt überdenken müssen. Entweder wird ihnen klar, dass die Märkte überkauft sind, oder sie finden neue Gründe für einen weiteren Renditerückgang.

Unabhängig von der kurzfristigen Renditeentwicklung rechnen wir bis zum Jahresende weiterhin mit noch höherer Zinsvolatilität. Wie wir in unserem Fixed Income Investment Outlook für das 3. Quartal 2021 geschrieben haben, dürften sowohl Zinsen als auch Spreads stärker schwanken, wenn sich die Geldpolitik ändert.

Olumide Owolabi, Senior Portfolio Manager – Fixed Income, Neuberger Berman

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