CIO Weekly Perspectives | Glücklich ist, wer unrecht hat

Think Again von Adam Grant ist Erik Knutzens Buchempfehlung für diesen Sommer. Neuberger Berman | 11.08.2021 15:00 Uhr
© Photo by Volodymyr Hryshchenko on Unsplash
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

In den USA haben die Sommerferien begonnen. Wie jedes Jahr möchte ich Ihnen auch 2021 eine Ferienlektüre empfehlen.

In den letzten Jahren handelten meine Buchtipps davon, warum man das große Ganze im Blick haben soll, wie wichtig unkonventionelles Denken ist und weshalb faktengestützter Optimismus eine Menge wert ist. Im Coronajahr 2020 ging es in unseren Systemen und Portfolios um Resilienz, Planung und strategische Redundanz. Ehrlich gesagt hatte ich damals nicht geglaubt, dass wir zwölf Monate später noch immer mit Reisebeschränkungen leben müssen.

Aber Unsicherheit gehört zum Leben nun einmal dazu. Das ist auch der Grund für meine diesjährige Empfehlung: Think Again: The Power of Knowing What You Don’t Know aus der Feder des Organisationspsychologen Adam Grant.

Wie der Untertitel vermuten lässt, hält Grant bei Analysen und Entscheidungen eine gewisse Demut für angebracht. Es geht aber auch um persönliche Fähigkeiten. Man soll an sich arbeiten, um Schwarz-Weiß-Denken zu überwinden, komplexe Strukturen zu erkennen und die oft komplizierte Wirklichkeit als solche zu akzeptieren. Das Buch enthält nützliches Wissen für das Leben, Arbeiten und Investieren in einer Welt, die sich schnell verändert – so schnell, dass wir auch unser Denken immer wieder anpassen müssen, um mithalten zu können.

Das Glück, nicht recht zu haben

Natürlich hält auch Grant kluges Denken für wichtig. Aber man muss auch Gewohntes infrage stellen und alte Erkenntnisse über Bord werfen, auch wenn dies oft weniger geschätzt wird.

Das ist nicht immer einfach. Grant gibt zu, dass dies eine auf den ersten Blick seltsam anmutende „Lust am Unrecht haben“ erfordert – eine gewisse Bescheidenheit als Voraussetzung für Zweifel am eigenen Wissen. Nur dann ist man neugierig und lernt dazu, weiß aber noch immer um die Begrenztheit der eigenen Erkenntnis. Ganz anders ist es hingegen, wenn man sich selbst überschätzt: Auf Stolz folgt Vorurteil, und wenn es bestätigt wird, erneuter Stolz. Nur mit einem Mindestmaß an Bescheidenheit kann man kreativ sein. Nur dann prüft man Fakten und hält sich stets auf dem Laufenden – und interessiert sich mehr für das, was die eigene Meinung infrage stellt als für das, was sie bestätigt.

Für Grant lassen sich Überzeugungen so am besten bestätigen und Fehlschlüsse am leichtesten vermeiden.

Komplexität

Aber wie können wir das erreichen?

Eine verblüffende Erkenntnis aus Think Again hat mit dem gängigen Schwarz-Weiß-Denken zu tun – der Vorstellung, dass es stets klare Pro- und Kontra-Argumente gibt, Argumente dafür oder dagegen.

Grant sagt aber noch mehr. Wer nur richtig oder falsch kennt, ist unflexibel im Denken wie im Handeln. Aber selbst Detailkenntnisse schützen uns nicht unbedingt vor der Schwarz-Weiß-Falle – denn Informationen werden uns oft in genau diesem Schema präsentiert: einerseits … andererseits …

Uns wurde beigebracht, dass man ein schwieriges, komplexes Thema durchdrungen hat, wenn man es vereinfachen kann – unabhängig davon, ob das dem Thema wirklich gerecht wird. Noch schlimmer ist unserer Ansicht nach aber, dass dieses Denken den Bestätigungsfehler fördert, den Confirmation Bias. Wenn uns die Pro- und Kontra-Argumente auf dem Silbertablett präsentiert werden, ist die Versuchung groß, sich auf eine Seite zu schlagen und die andere zu ignorieren.

Grant beschreibt ein Experiment, bei dem sich Teilnehmer von beiden Seiten des politischen Spektrums bei einem kontroversen Thema geeinigt haben. Entscheidend war, dass sie mit Argumenten für ein anderes, nicht minder umstrittenes Thema konfrontiert wurden, vorgetragen von Menschen mit einer differenzierten Meinung. In diesem Fall waren es überzeugte Anhänger liberaler US-Waffengesetze, die dennoch für Überprüfungen von Waffenkäufern eintraten oder strengere Regeln verlangten.

Oft können wir unsere eigenen Überzeugungen auch dann leichter infrage stellen, wenn andere uns veranlassen, uns mit den Details zu befassen – indem sie Fragen stellen, statt uns mit Fakten oder Scheinargumenten zu bombardieren.

„Eine gewisse Komplexität kann Selbstüberschätzung verhindern und uns dazu bringen, noch einmal nachzudenken“, schreibt Grant. Die Welt ist nicht nur schwarz oder weiß. Wenn wir uns das bewusst machen, können wir klarer und offener denken.

Neu nachdenken

Auch Investoren können diese Erkenntnis in vielfältiger Weise nutzen.

Zunächst ist es gut zu erkennen, dass man nicht nur seine Meinung ändern muss, wenn sich die Fakten ändern, sondern dass man seine Meinung viel häufiger ändern muss, wenn sich die Fakten sehr viel rasanter ändern. Viele Studien zeigen, dass die erfolgreichsten Prognostiker ihre Sichtweise sofort anpassen, wenn sie neue Informationen erhalten.

Letztes Jahr, zu Beginn der Pandemie, hatten wir schnell mehrere Szenarien und ein Drehbuch für die Krise entwickelt. Wir haben unsere Erkenntnisse aber ständig überprüft und intensiv überlegt, wann wir unser Basisszenario überarbeiten müssen.

Wir wussten, dass unser Drehbuch falsch sein könnte – tatsächlich rechneten wir damit, dass es bereits in einigen Wochen oder Monaten überholt sein würde. Wir haben wichtige Lektionen gelernt, nicht nur für die Zeit der Pandemie, sondern für eine Welt mit enormen technischen Fortschritt, noch nie da gewesenen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen und modernen Kommunikationsmitteln, die bahnbrechende Ideen schneller und weiter verbreiten können als je zuvor.

Zweitens sollte man wissen, dass nach pro und kontra sortierte Argumente den Confirmation Bias und das Schwarz-Weiß-Denken fördern, statt zu einer sorgfältigen Beschäftigung mit einem Thema zu ermutigen.

Hinzu kommt, dass Vorurteile uns daran hindern, Fakten wahrzunehmen, die sie nicht stützen. Es geht aber auch um Fragen. Wie sähe unser Anlegerverhalten ohne die Frage aus, ob die derzeitige Inflation vorübergehend oder strukturell ist? Wie würden wir investieren, wenn die Erkenntnis lautet, dass sie beides ist – und wir uns dann den Einzelheiten dieser künstlich auf Schwarz und Weiß reduzierten Frage widmen?

Geerdet

Vor allem aber geht es laut Grant um Bescheidenheit.

Er mag das Wort „geerdet“ in seinem ursprünglichen Sinne – als Gegenentwurf zur Selbstüberschätzung. Zugleich hält er es aber für wichtig, dass Entscheidungen ein Fundament haben – geerdet im Sinne von fundiert – und dass die Fakten aktuell sind. Man muss auch einmal die Froschperspektive einnehmen und darf sich nicht allein auf die Vogelperspektive verlassen. Der Blick aus mehreren Kilometern Höhe bringt nun einmal gewisse Vereinfachungen mit sich.

Ich kann Grants Buch nur empfehlen: Ich glaube, es wird Ihnen helfen, wenn Sie in diesem seltsamen neuen Umfeld einen Moment innehalten wollen – in einem Umfeld, das viele von uns gezwungen hat, die bisherigen Annahmen zu überdenken. Vor allem aber hoffe ich, dass Sie im Sommer Gelegenheit haben, etwas anderes zu sehen, damit sich Körper und Geist erholen und Sie neu nachdenken können.

Erik Knutzen, Chief Investment Officer, Multi-Asset Class, Neuberger Berman

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