Zwei Wörter können Marktbeobachter mittlerweile fast im Schlaf buchstabieren: Inflation und vorübergehend. Die Inflation macht immer neue Schlagzeilen, da die Preise von Rohstoffen, Gütern und Dienstleistungen weltweit kräftig zulegen. Unterdessen ist die Versicherung, dass alles nur vorübergehend sei, zu einer Standardfloskel der Notenbanken geworden.
Da überrascht es schon, dass die Notenbanken kaum gegen die steigenden Leitzinserwartungen der Investoren vorgehen. Einige angelsächsische Notenbanken scheinen sich ihnen sogar anzuschließen und ihre Inflationsrhetorik zu verschärfen.
Weltweit sind die Kurzfristzinsen daher sehr viel volatiler geworden. Immer mehr spricht dafür, dass die Notenbanken nicht mehr an eine „vorübergehende“ Inflation glauben und ihren Nach-Corona-Schlaf endlich beenden.
Getreu dem Drehbuch?
Das ganze Jahr über stellten Notenbanken einen Rückgang der Inflation in Aussicht, sobald die durch die Pandemiekrise ausgelöste Basiseffekte nachlassen würden. Aber es kam anders, und Anleiheninvestoren haben reagiert.
Es ist noch nicht lange her, dass man in den USA bis Ende 2022 keine Zinserhöhungen erwartete. Jetzt gehen die Investoren von zwei Zinsschritten aus, dem ersten schon kurz nach dem Ende des Tapering der Wertpapierkäufe im Juni nächsten Jahres.
Aber wie reagierte die Geldpolitik?
Von den führenden Notenbanken scheint lediglich die EZB ihrem Drehbuch treu zu bleiben. Gerade erst ließ sie keinen Zweifel daran, dass sie die Inflation immer noch für vorübergehend hält. Behutsam stellte sie sich gegen den Markt und deutete an, dass höhere Renditen nicht zu ihren Projektionen und Plänen passen würden. Für die EZB hat sich die Inflation demnach noch nicht so verfestigt, dass dies höhere Leitzinsen rechtfertigt. Investoren antworteten indem sie die die Anleihenkurse weiter nach oben trieben..
Auf der Pressekonferenz nach der Offenmarktausschusssitzung in der letzten Woche übte sich die Fed in einer Trennung zwischen Tapering und Zinserhöhungen, um bei zukünftigen Entscheidungen maximale Flexibilität zu haben. Außerdem versuchte sie sich an einer Neudefinition von Vollbeschäftigung. Jetzt soll auch die Partizipationsquote berücksichtigt werden, deren Erholung nicht mit dem Rückgang der Arbeitslosenquote Schritt gehalten hatte. Anders als die EZB wollte sich die Fed aber nicht zu den schnellen Änderungen der Markterwartungen äußern oder sie gar gezielt steuern.
Verschärft
In den übrigen angelsächsischen Ländern legten die Kurzfristrenditen sogar noch stärker zu, was maßgeblichen Anteil an der Marktentwicklung in den USA und Europa hatte.
Andrew Bailey, Gouverneur der Bank of England, äußerte sich angesichts des akuten Inflationsdrucks in Großbritannien recht scharf. An den Märkten rechnete man daraufhin mit vier bis fünf Zinserhöhungen in den nächsten zwölf Monaten. Doch am Donnerstag ruderte er etwas zurück: Frühestens am 16. Dezember sei es so weit. Sofort rechneten die Investoren nur noch mit drei bis vier Zinsschritten.
Sehr viel klarer ist die Situation in Neuseeland, Kanada und Australien.
Anfang Oktober hatte die neuseeländische Notenbank ihren Leitzins erstmals seit Corona erhöht, um 25 Basispunkte auf 0,5%. Am Markt rechnete man daraufhin mit sieben weiteren Zinsschritten in den nächsten zwölf Monaten.
Die Bank of Canada hat ihr Quantitative Easing vor zwei Wochen abrupt beendet, signalisiert aber weiterhin einen Zinsschritt Mitte 2022. Am Markt rechnete man daraufhin allerdings mit sofortigen Zinserhöhungen. Für die nächsten zwölf Monate werden jetzt vier Zinsschritte erwartet, bis Ende 2022 fünf bis sechs.
In Australien hat die Inflation die Obergrenze des Notenbankziels von 2% bis 3% durchbrochen. Die Kurzfristzinsen stiegen daraufhin massiv, und die Reserve Bank of Australia reagierte, indem sie die Dreijahresrendite ab sofort nicht mehr steuert. Am Markt erwartet man jetzt einen Leitzinsanstieg auf 2% in den nächsten zwei Jahren.
Raus aus der Untätigkeit
Alles in allem rechnen die Investoren wohl damit, dass die Notenbanken jetzt endlich wieder aktiv werden. Sie ließen die Geldpolitik so lange wie möglich locker – aber jetzt rudern sie zurück.
Alle großen Notenbanken verringern allmählich ihre Wertpapierkäufe, und einige von ihnen reagieren auf die steigenden Zinserwartungen am Markt mit überraschendem Langmut. Die Inflationsrhetorik ändert sich, auch wenn manche Notenbanken noch immer daran festzuhalten scheinen, dass die Teuerung vorübergehend ist.
Wie wir in unserem jüngsten Fixed Income Investment Outlook schrieben, werden Zinsvolatilität und Risikoprämien dann wohl nachhaltig steigen. Viele Investoren erhoffen sich von den Notenbanksitzungen mehr Klarheit bei den Themen Tapering, Zinserhöhungen und Zinserwartungen – aber Volatilität sorgt auch für taktische Chancen und die Aussicht auf mehr Carry und Roll-Gewinne bei kurzen Laufzeiten.
Vielleicht tut sich jetzt endlich was – an den Anleihenmärkten und bei den Notenbanken.
Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, NB
Thanos Bardas, Global Co-Head of Investment Grade, NB
Yanick Loirat, Senior Portfolio Manager – European Investment Grade, NB
Olumide Owolabi, Senior Portfolio Manager – Investment Grade, NB