Neue Entwicklungen
Auf den ersten Blick scheint der November ruhig gewesen zu sein, ein weiterer Monat, in dem sich die Anleihenmärkte seitwärts bewegten. Die amerikanische Zehnjahresrendite beträgt 1,65%, die deutsche 0,23% – jeweils klar innerhalb der Spanne, die wir 2021 gewohnt sind. Weltweit sind die Spreads von Investmentgrade-Anleihen, High Yield sowie hochwertigen Emerging-Market-Titeln recht niedrig und stabil.
Und doch zeichnen sich mehrere Entwicklungen ab, die für volatilere Anleihenmärkte sprechen, für ein stärkeres Auf und Ab.
Zunächst einmal rechnen die Investoren jetzt mit mehr Zinserhöhungen. Die Nominalrenditen waren auch deshalb so stabil, weil an den Märkten lange Zeit zwar schnellere, aber keine stärkeren Zinserhöhungen durch Fed, EZB und Bank of England erwartet wurden. Das scheint sich jetzt zu ändern. Mehr und mehr wird jetzt mit einem etwas längeren Zinserhöhungszyklus und einem höheren Endwert gerechnet.
Wir halten das vor allem für die Reaktion darauf, dass im Westen vermutlich sowohl Wachstum als auch Inflation auf absehbare Zeit über dem Trend liegen werden. Dafür sorgen die anhaltende expansive Fiskalpolitik, der Nachfragestau und die höheren Ausgaben für Dienstleistungen. Und die Entwicklung der Einzelpreise spricht dafür, dass die Inflation einstweilen hoch bleibt, selbst wenn sie Anfang nächsten Jahres leicht zurückgehen sollte.
Konjunktur
Die veränderten Erwartungen zur Geldpolitik haben für die Märkte mehrere Konsequenzen.
Die Spreads haben sich nicht dramatisch ausgeweitet. Dass sie aber sowohl im High-Yield- als auch im Investmentgrade-Bereich volatiler wurden, hat auch mit den Erwartungen zu tun.
Außerdem wertet der US-Dollar stärker auf, vor allem gegenüber den Emerging-Market-Währungen. Auch das hat aus unserer Sicht zumindest etwas mit den höheren Leitzinserwartungen zu tun. Da der Euro gegenüber dem US-Dollar schon jetzt auf einem Jahrestief notiert und die sehr volatilen Emerging-Market-Währungen erkennbar abgewertet haben, werden risikoreichere Anleihen noch anfälliger.
Schwäche
Für Volatilität dürften aber nicht nur die Erwartungen zur Geldpolitik, sondern auch die Entwicklungen in China sorgen.
Die meisten Investoren werden es schätzen, dass China sein Wachstumsmodell ändern will und die Vermögensbildung der Haushalte nicht mehr so stark vom Immobilienpreisanstieg abhängen soll. Aber das wird auch Verwerfungen mit sich bringen.
Die Probleme am chinesischen Anleihenmarkt beschränkten sich dieses Jahr auf Emittenten aus dem Immobiliensektor. Für 2022 erwarten wir aber mehr Volatilität. Die chinesische Geldpolitik wurde bereits expansiver, und wir rechnen mit weiteren Lockerungen im 1. Quartal 2022. Das dürfte für mehr Wachstum sorgen und die Märkte stützen. Allerdings dürfte das neue Wachstumsmodell bis weit ins Jahr 2022 hinein direkte und indirekte Auswirkungen auf eine Reihe von Anleihenmärkten haben.
Neuemissionen
Sehr viel weniger Sorgen machen uns hingegen Fundamentaldaten und Emissionsaktivitäten.
Es ist allgemein bekannt, dass Credits, Verbriefungen und viele Emerging-Market-Anleihen nicht mehr unterbewertet sind. Die Spreads liegen noch immer nur knapp über ihren Allzeittiefs, und konjunktursensitive Anleihen haben sich besonders gut entwickelt. Wir meinen, dass die Fundamentaldaten die hohen Bewertungen rechtfertigen. Vor allem aufgrund der Wachstums- und Gewinnaussichten erwarten wir nach wie vor nur sehr wenige Zahlungsausfälle. Bei High Yield rechnen wir mit mehr Herauf- als Herabstufungen. Wir erwarten nur wenige Fusionen und Übernahmen und auch keine erhöhte Fremdkapitalaufnahme zum Nachteil von Anleiheninvestoren.
Währendim November mehr Anleihen begeben wurden, könnte das Nettoangebot an Unternehmensanleihen 2022 fallen. Für den Creditmarkt wäre das gut. Wenn er unter Druck gerät, dann aus unserer Sicht eher aufgrund gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen als wegen der Fundamentaldaten.
Was jetzt zählt
Wir meinen weiterhin, dass sich Investoren zum Jahresende auf einige wichtige Punkte konzentrieren sollten.
Wenn man – wie wir – annimmt, dass sich an den Ursachen für die jüngste Volatilität und die leichte Spreadausweitung im neuen Jahr nichts ändern wird, sollte man Risiken verringern und die Kassequote erhöhen.
Sinnvoll scheint es uns auch, auf eine höhere Kreditqualität zu setzen, von Zyklikern in Finanzanleihen und defensivere Titel umzuschichten und verstärkt in Kurzläufer und variabel verzinsliche Papiere zu investieren. Bei steigenden Zinsen sind sie voraussichtlich stabiler.
Wie gesagt: Der November könnte ein Vorbote für die Entwicklungen in den nächsten zwölf Monaten gewesen sein.
Ashok Bhatia, CFA, Deputy Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman