CIO Weekly | Neues Jahr, neue Geldpolitik

Neuberger Berman | 12.01.2022 16:50 Uhr
Brad Tank, Chief Investment Officer, Fixed Income, Neuberger Berman / © Neuberger Berman
Brad Tank, Chief Investment Officer, Fixed Income, Neuberger Berman / © Neuberger Berman
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Hatten Sie je bezweifelt, dass die Geldpolitik in eine neue Phase eintritt? Dann hat sich das letzte Woche bestimmt geändert. 

Im Dezember hat die Fed bestätigt, dass sie ihre Wertpapierkäufe jetzt doppelt so schnell verringern will wie bislang geplant. Seitdem hält man an den Märkten eine Zinserhöhung schon im März für wahrscheinlich. Nach dem Anfang Januar veröffentlichten Protokoll der Dezembersitzung könnte schon wenig später das Quantitative Tightening beginnen, also die Verringerung der Anleihenbestände in der Notenbankbilanz. 

Offensichtlich ist man bei der Inflationsbekämpfung entschlossener denn je. Weil die Liquidität dann deutlich schneller verringert würde als nach der internationalen Finanzkrise, begann das neue Jahr mit einem heftigen Ausverkauf am Anleihenmarkt. Die reale US-Zehnjahresrendite stieg auf mehr als 0,90%, die zehnjährige Nominalrendite liegt wieder über 1,70%. Erstmals seit fast zwei Jahren könnten die deutschen Bundesanleiherenditen bald wieder positiv sein. 

Das sind die Rahmenbedingungen für unseren bald erscheinenden Fixed Income Investment Outlook für das 1. Quartal.

Eher mehr als weniger Zinserhöhungen

Wir stimmen der Fed zu, wenn sie die Inflationsrisiken ernst nimmt. 

Wir rechnen zwar mit einer nachlassenden Teuerung, weil sich beispielsweise der Automobilpreisanstieg allmählich mäßigt. Aber wir glauben auch, dass die Inflation nicht so stark und nachhaltig fällt, wie die Märkte zurzeit annehmen. Steigende Löhne und Hauspreise sorgen weiter für Preisauftrieb. 

Das ganze Jahr 2022 könnte die Inflation über 3% liegen. Vielleicht wird es daher mehr als die erwarteten drei Zinserhöhungen geben, die auch der Dot-Plot signalisiert. 

Daraus folgen die ersten beiden unserer vier Investmentthemen: defensive Positionierung bei Staatsanleihen, vor allem in den USA, und anhaltender Inflationsschutz. 

Zurzeit geht man am Markt davon aus, dass die Zinserhöhungen bei 1,75% enden. Wir glauben unterdessen, dass man schon bald eher mit 2,25% rechnet, da Wachstum und Inflation über den Notenbankzielen liegen. Die US-Zehnjahresrendite könnte dann auf 1,85% bis 2,00% steigen. 

Inflationsindexierte US-Staatsanleihen (TIPS) könnten dann attraktiven Inflationsschutz bieten. Bei den derzeitigen Bewertungen bevorzugen wir aber Geldmarktanlagen sowie variabel verzinsliche Asset-Backed Securities, Loans und Unternehmensanleihen.

Solide Kreditqualität

Credits finden wir also weiter interessant, auch wenn wir jetzt etwas vorsichtiger sind als letztes Jahr. Das ist das dritte unserer vier Themen. 

Für uns sind die Zinserhöhungen in diesem Jahr einfach nur ein Ende der Notfallmaßnahmen. Geldpolitische Fehlentscheidungen, die das Weltwirtschaftswachstum massiv dämpfen, sind zwar möglich, aber unwahrscheinlich. 

Mit Ausnahme Chinas sind die Haushalts- und Unternehmensfinanzen der großen Volkswirtschaften noch immer gut. Die Ausfallquoten von High Yield dürften 2022 nicht über 1% steigen. Mehr Fusionen und Übernahmen könnten zwar etwas höhere Investmentgrade-Spreads zur Folge haben, aber alles in allem werden wohl eher Inflation und Geldpolitik für Volatilität sorgen und nicht etwa die Kreditqualität. Fallende Kurse könnten daher Kaufchancen bieten.

Attraktive Emerging Markets

Schließlich sind wir auch optimistisch für Emerging-Market-Anleihen. 

Ein Grund ist, dass sie so sehr aus der Mode gekommen sind. Die Emerging Markets waren am stärksten von der Pandemie betroffen, da ihre Gesundheitssysteme oft unterfinanziert sind und die Fiskalpolitik hier weniger Möglichkeiten hat. Fremdwährungsanleihen sind gegenüber amerikanischen und europäischen Papieren heute so günstig bewertet wie seit Jahren nicht mehr. 

Ebenso wichtig ist, dass viele Emerging Markets die Geldpolitik bereits erkennbar gestrafft haben, während die Fed gerade erst damit beginnt – und die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan erst langsam darüber nachdenken. Russland hat seinen Leitzins 2021 verdoppelt; Brasilien hat ihn von 2,00% auf 9,25% erhöht. 

Es überrascht nicht, dass Inflation und Geldpolitik unsere Einschätzungen für 2022 bestimmen. Vor dem Hintergrund einer weiterhin stabilen Konjunktur in der Mitte des Zyklus und der ordentlichen Kreditqualität glauben wir, dass die Anleihenperformance maßgeblich von diesen beiden Faktoren abhägen wird. Die neuesten Nachrichten von der Fed haben uns darin nur bestätigt.

Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman

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