CIO Weekly | Signalisiert der Markt eine Rezession?

Am ruhigen Credit-Markt finden wir keine Vorboten einer Rezession. Die flachere Zinsstrukturkurve dürfte eher damit zu tun haben, dass die steigende strukturelle Inflation verkannt wird. Neuberger Berman | 10.02.2022 09:29 Uhr
Brad Tank, Chief Investment Officer, Neuberger Berman / © Neuberger Berman
Brad Tank, Chief Investment Officer, Neuberger Berman / © Neuberger Berman
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Im 4. Quartal 2021 ist die amerikanische Wirtschaft unerwartet stark gewachsen. Insgesamt hat das US-BIP im letzten Jahr um 5,7% zugelegt, so viel wie seit fast 40 Jahren nicht mehr.

Allerdings ist die Differenz zwischen der Zehn- und der Zweijahresrendite seit Beginn des 4. Quartals um 60 Basispunkte geschrumpft, und seit April sind es sogar etwa 90 Basispunkte. Schon oft war eine solche Verflachung der Zinsstrukturkurve der Vorbote einer Rezession.

Für uns hat der Anstieg der Zweijahresrendite einen klaren Grund: Wegen der steigenden Inflation will die Fed die Geldpolitik straffen. In ihrem Dotplot wird sie im März wohl vier Zinsschritte für 2022 in Aussicht stellen. Den Fed Funds Futures zufolge werden es sogar fünf, und im März wird selbst eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte nicht ganz ausgeschlossen.

Aber warum sind die Langfristzinsen dann nur so wenig gestiegen? Die Inflation ist doch hoch, und sie wird kaum wieder auf das alte Niveau fallen. Selbst nach den überraschend starken US-Arbeitsmarktdaten von Freitag bewegten sich die Langfristrenditen kaum. Und warum haben Wachstumsaktien, die bei steigenden Renditen doch eigentlich hinter Substanzwerte zurückfallen sollten, letzte Woche zum Comeback angesetzt? Fürchten die Investoren vielleicht eine Rezession, weil die Fed die Geldpolitik zu sehr strafft?

Ruhige Credit-Märkte

Wir sind da wesentlich zuversichtlicher.

Die Aktienmarktentwicklung ist vielschichtig. Wachstumsaktien haben wieder zugelegt, aber auch Zykliker wie Energie-, Grundstoff-, Finanz- und Industriewerte hatten großen Anteil an der jüngsten Erholung. Für Anleiheninvestoren ist das nicht mehr als eine Branchenrotation. Vielleicht waren einige Mega Caps kurzfristig überverkauft gewesen. Der Ausverkauf von Meta letzte Woche hat aber gezeigt, dass viele prominente Aktien teuer geworden sind. Spekulativere Wachstumswerte halten wir noch immer für hoch bewertet und verlustanfällig. Die Volatilität könnte noch steigen.

Bei Credits ist es sehr viel einfacher. Wir sehen keine Hinweise auf eine drohende Rezession. Seit Jahresbeginn hat sich der Spread des ICE BofA Global High Yield Index um gerade einmal 50 Basispunkte ausgeweitet, und noch immer ist er enger als im November. Wenn der Aktienmarktausverkauf im Januar und die Abflachung der Zinsstrukturkurve tatsächlich Vorboten einer Rezession wären, wäre dies ebenso seltsam wie die hohe Nachfrage nach neuen High-Yield- und Hybridanleihen.

Inflationswende verkannt?

Die Zuflüsse in High Yield haben vielleicht auch mit den US-Langfristrenditen zu tun. Die Suche nach Rendite und Qualität führt nämlich auch zu einer hohen Auslandsnachfrage nach US-Staatsanleihen. Die deutschen Renditen steigen zwar, liegen aber noch immer nur knapp über null. Da sind die 1,9% Rendite amerikanischer Zehnjahresanleihen doch recht attraktiv.

Aber es gibt noch andere Gründe.

Nach 40 Jahren Disinflation und zehn Jahren mit einer Teuerung stabil unter 3% glauben wir, dass die Investoren eine echte Trendwende noch nicht für möglich halten. Sie wollen einfach noch nicht akzeptieren, dass die Inflation strukturell gestiegen ist.

Den Kursen zufolge wird die 12-Monats-Inflation in den USA bis zum Jahresende auf etwa 3% fallen und sich dann dem 2%-Ziel der Notenbank nähern. Wir rechnen eher damit, dass die Teuerung – die seit 2008 durchschnittlich 1,8% betrug – in den nächsten zehn Jahren bei 2,5% liegen wird. Die zehnjährige US-Realrendite dürfte dann bis zum Jahresende auf etwa 0,10% steigen, die Nominalrendite auf etwa 2,10%. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Realrenditen, nicht Rezession

Deshalb glauben wir, dass man die Inflationszahlen in diesem Jahr genau beobachten muss. Welche Struktur haben sie, und wie stark geht die Teuerung insgesamt zurück?

Die ADP-Arbeitsmarktzahlen waren letzte Woche schwach, vor allem wegen Omikron. Der offizielle Arbeitsmarktbericht und die Lohninflation fielen aber überraschend hoch aus. Auch die wachsende Zahl offener Stellen und die vielen Kündigungen durch Arbeitnehmer sprechen für zunehmenden Personalmangel.

Unterdessen sind die Rohstoffpreise weiter gestiegen. Erstmals seit über sieben Jahren kostete das Barrel Rohöl mehr als 90 US-Dollar. Die Arbeitslosenquote im Euroraum ging im Dezember auf 7% zurück, und die Inflation betrug im Januar noch immer 5,1% – der niedrigste und der höchste Wert seit der Euro-Einführung. Letzte Woche zeigte sich der EZB-Rat „einstimmig“ besorgt, und in der Pressekonferenz fand Notenbankchefin Christine Lagarde überraschend scharfe Worte. Sie wollte nicht einmal eine Zinserhöhung schon in diesem Jahr ausschließen. Der Euro legte daraufhin zu, ebenso wie die europäischen und amerikanischen Anleiherenditen.

Wir rechnen dieses Jahr daher mit weiterer Volatilität, vor allem, wenn wichtige Konjunkturdaten veröffentlicht werden – bei Aktien, und zunehmend auch bei Staatsanleihen. Ohne eine echte Krise könnten Credits aber verschont bleiben. Nicht eine drohende Rezession sorgt für Unruhe, sondern die Entwicklung von Inflation und Realrenditen.

Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman

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