CIO Weekly | Die schwierige Kostendruckinflation

Die Fed spielt Halma, aber die Weltwirtschaft spielt Schach – vielleicht mit weltweiten Folgen. Neuberger Berman | 23.02.2022 17:00 Uhr
Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer, Neuberger Berman / © Neuberger Berman
Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer, Neuberger Berman / © Neuberger Berman
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Wenn die Inflation auf 7,5% z.Vj. steigt, wird sie zwangsläufig zu einem großen Thema. Es sind aber vor allem die besonderen Ursachen, die den derzeitigen Preisauftrieb so speziell – und vielleicht auch hartnäckig – machen. Vor allem für die Notenbanken wäre das eine Herausforderung. 

Eine straffere Geldpolitik bringt weder LKW-Fahrer noch Fabrikarbeiter zurück an ihre Arbeitsplätze. Sie sorgt weder für zusätzliche Lagerkapazitäten noch für schnellere Containerschiffe und effizientere Häfen, sodass der Rückstau abgebaut werden kann. Michael Barr aus unserem Aktienresearch kommt in seiner Datenanalyse aber zu dem Schluss, dass genau solche Faktoren zurzeit für Preisauftrieb sorgen, anders als sonst. 

Engpässe

Oft heißt es, die derzeitige Inflation sei angebots- und nicht nachfrageinduziert. Wir sehen das grundsätzlich ähnlich. Man würde aber wohl auch keinen Fehler machen, wenn man die Gründe auf der Angebots- und Nachfrageseite gleichermaßen sieht. 

Ein Großteil des Preisschocks scheint mit dem Siegeszug des E-Commerce während der Pandemie zu tun zu haben, der sich als recht hartnäckig erweist. Es gibt einfach nicht genügend Logistikkapazitäten. Nach Angaben der amerikanischen Zensusbehörde ist der E-Commerce in den USA 2020 um über 32% gewachsen, die Lagerfläche aber nur um 2%. 

Auch die LKW-Kapazität hält kaum mit der neuen Nachfrage Schritt. Der Outbound Tender Reject Index (OTRI) von SONAR, der den Anteil der von Spediteuren abgelehnten Aufträge misst, stieg 2020 auf 25%. Ein kurzfristiger Anstieg ist nicht ungewöhnlich, wohl aber ein so hoher Wert über mehr als ein Jahr. 

Ähnliche Engpässe gibt es auch in der Produktion, und viel spricht dafür, dass sie von Dauer sind. 

Mit etwa 15.000 US-Dollar je 40-Fuß-Container (FEU) sind die durchschnittlichen Frachtraten für Ozeantransporte jetzt zehnmal so hoch wie vor der Pandemie, schreibt SONAR – und das, obwohl laut Alphaliner nur 2% der internationalen Containerschiffflotte zurzeit stillliegt. Und mehr noch: Den Terminmärkten nach zu urteilen werden die Frachtraten auch 2024 noch über 8.000 US-Dollar betragen. 

Selbst wenn man so viel zahlen will, könnte die Löschung der Fracht scheitern: Normalerweise liegen vor den Häfen an der amerikanischen Westküste etwa 15 bis 20 Schiffe auf Reede. Zu Jahresbeginn waren es nach Angaben der Hafenbehörde in Los Angeles über 100. Seitdem hat der Stau saisonbedingt etwas nachgelassen, aber noch immer ist die Warteschlange ungewöhnlich lang. Wir wissen nicht, ob sich das bald normalisiert.

Zu schnelle Straffung

All das kann erklären, warum die amerikanische Produzentenpreisinflation im Januar über den Erwartungen der Volkswirte lag und der bereinigte Mittelwert der Verbraucherpreisinflation (ohne die größten Preisänderungen in beide Richtungen) so hoch ist wie noch nie seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1983. Dabei geht es nicht nur um Energie und Gebrauchtwagen – die Gebrauchtwagenpreise sind 2021 um 37,3% gestiegen –, sondern um das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage in der gesamten Wirtschaft. 

Bis jetzt haben sich Unternehmen und Verbraucher dadurch noch nicht allzu sehr aus der Ruhe bringen lassen. 

So berichtet FactSet, dass bis zu drei Viertel der S&P-500-Unternehmen in ihren Telefonkonferenzen für das 4. Quartal die Inflation erwähnt haben. Die Schätzungen der Nettogewinnmargen für dieses Jahr haben sich dennoch nicht geändert. Man scheint auf seine Preismacht zu vertrauen, und der überraschend starke Anstieg der amerikanischen Einzelhandelsumsätze im Januar spricht dafür, dass sich die Unternehmen nicht überschätzen. 

Doch mit jeder Woche, in der die Preise weiter steigen, sehen wir größere geldpolitische Risiken für die Anleger. Zeit und Marktkräfte werden die Inflation irgendwann dämpfen, aber die derzeitigen Angebotsengpässe könnten uns zum Teil noch jahrelang Probleme machen. Schon letztes Jahr schrieben wir, dass wir ein Ende der 20-jährigen Niedriginflationsphase erwarten und die Teuerung in den nächsten Konjunkturzyklen strukturell höher sein dürfte. 

Wenn moderate Zinserhöhungen die Teuerung nicht eindämmen, hat das mehr mit Schiffen auf Reede als mit übersteigerter Kauflust zu tun. Vielleicht riskiert die Fed wirklich eine zu schnelle Straffung, um die Inflation etwas zu dämpfen. Das ist aber nicht die Sicht unseres Anleihenteams, das angesichts der komplexen Mischung aus vorübergehenden und strukturellen Inflationstreibern ein maßvolles Vorgehen erwartet. Aber wenn es der Markt anders sieht, droht Volatilität.

Halma oder Schach?

Und selbst wenn die Fed das für die USA Richtige tut, muss das für andere Länder nicht ideal sein. Faktisch ist die Fed die Notenbank der Welt. Vielleicht ist die für die USA angemessene Geldpolitik für andere Länder zu straff. 

Obwohl der Energiepreisanstieg wegen des Ukraine-Konflikts wohl vor allem Europa trifft, sind die Angebotsengpässe in den USA aus einer Reihe von Gründen größer. 

So wurden in Europa während der Pandemie nur wenige Arbeiter entlassen, da in großem Stil auf Kurzarbeit gesetzt wurde. In den USA wurde hingegen das Arbeitslosengeld erhöht. Vielleicht ist das ein Grund für die Ungleichgewichte am US-Arbeitsmarkt und den großen Personalmangel. 

Betrachten wir nur ein Beispiel aus der Lieferkette: Als die Weltbank und IHS Markit letztes Jahr ihren neuen Container Port Performance Index vorstellten, war der effizienteste amerikanische Hafen Philadelphia, auf Platz 83. Los Angeles stand auf Platz 328 von 351. Auf den oberen Rängen fanden sich Häfen in Asien, dem Nahen Osten und Nordafrika. Der effizienteste europäische Hafen war Algeciras in Spanien auf Platz 10. 

All dies spricht dafür, dass Asien und Europa eine expansivere Geldpolitik vertragen könnten als die USA. Die Europäische Zentralbank könnte damit einen massiven Anstieg der Peripherieländerspreads verhindern. Die Bank of Japan könnte erreichen, dass die Wirtschaft weiterwächst, so wie im letzten Jahr, dem ersten Wachstumsjahr seit 2018. Auch könnte China den Abschwung dämpfen. Die People’s Bank of China lockert jetzt die Geldpolitik, so wie die Fed eine Straffung vorbereitet. 

Das sind für uns die Gründe, weshalb die Anleger so sehr auf die Inflation, ihre Ursachen und die Verlautbarungen der Fed achten. Wenn die Notenbank aber nur die Nachfrageseite im Blick hat und für die Wirtschaft Angebotsfaktoren im Mittelpunkt stehen, könnte es in den USA, aber auch weltweit Probleme geben. Es kann nicht gut gehen, wenn der eine Halma und der andere Schach spielt. Das ist einer der Gründe dafür, warum wir dieses Jahr mit anhaltender Volatilität rechnen.

Die heutigen  CIO Weekly Perspectives  stammen von Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman

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