CIO Weekly | Krieg, Inflation und die Märkte

Die Vorkriegszweifel an den Fundamentaldaten scheinen zurückzukehren, durch den schrecklichen Krieg verschärfen sich diese. Neuberger Berman | 24.03.2022 14:15 Uhr
Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer - Equities, Neuberger Berman / © Neuberger Berman
Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer - Equities, Neuberger Berman / © Neuberger Berman
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Nach gut drei Wochen seit dem Angriff auf die Ukraine besinnt man sich an den internationalen Finanzmärkten allmählich wieder auf die wirtschaftlichen Fundamentaldaten.

Die Volatilität hält zwar an, aber wie schon vor dem russischen Angriff fürchten die Investoren jetzt vor allem Inflation und steigende Zinsen. Öl hat sich wieder stark verbilligt, die Staatsanleiherenditen sind gestiegen. Am Terminmarkt rechnet man in diesem Jahr mit sieben Zinserhöhungen der Fed. Wachstumsaktien mit langer Duration liegen wieder hinter dem Markt.

Angesichts des schrecklichen Krieges und des heldenhaften Kampfes der Ukrainer um Leben und Freiheit scheint es unpassend, dass ausgerechnet solche Themen jetzt die Märkte bestimmen. Ungewöhnlich ist es aber nicht.

Auch früher waren weltpolitische Entwicklungen für die Märkte oft kein Thema. Eine Woche nach der Kubakrise hat sich der S&P 500 wieder erholt, und drei Monate später war er um 14% gestiegen. Nach dem 11. September fielen die Märkte um 12%, erholten sich aber innerhalb eines Monats. Ähnlich war es beim Ausbruch des Koreakrieges und der Tet-Offensive im Vietnamkrieg. Selbst die noch höheren und langfristigeren Kursverluste nach dem Angriff auf Pearl Harbor waren spätestens nach einem Jahr wieder wettgemacht.

Diesmal könnten die Märkte vor allem aus zwei Gründen wieder in den Vorkriegsmodus zurückschalten.

Inflationsdruck

Da ist zunächst die Botschaft der Europäischen Zentralbank, dass ihr trotz des Krieges die Inflation mehr Sorgen mache als das Wachstum. Sie werde daher die Rückführung der Anleihenkäufe beschleunigen. Letzte Woche war aus der Fed Ähnliches zu vernehmen. Erstmals in diesem Konjunkturzyklus erhöhte sie die Zinsen und stellte in ihrem Dotplot weitere sechs Zinsschritte bis zum Jahresende in Aussicht. Der Vorsitzende Jerome Powell betonte die „Kraft der US-Wirtschaft“ und verwies auf die „sehr großen Knappheiten“ am Arbeitsmarkt. Offensichtlich hält er eine straffere Geldpolitik für sinnvoll und machbar.

Hinzu kommt, dass der Krieg zunehmend als Patt wahrgenommen wird und sich die ukrainischen und russischen Unterhändler etwas zu mäßigen scheinen. Natürlich kann es bis zu einem Waffenstillstand noch Monate dauern, und die Lage könnte sich auch wieder verschlechtern, wenn die Gespräche scheitern. Aber vielleicht sehen wir zumindest den Anfang einer Einigung.

Eine gefährliche Eskalation würde dann unwahrscheinlicher, und die Sanktionen gegen Russland könnten wieder auf das Vorkriegsniveau zurückgefahren werden. Das würde einige Extremrisiken an den Märkten mildern. Vielleicht ist das der Grund für den Rückgang der Ölpreise und der europäischen Gaspreise.

Und doch sorgen die gravierenden weltweiten Folgen der Invasion noch immer für politische und wirtschaftliche Risiken. Die Märkte kommen daran nicht vorbei, auch wenn sie ihre Bedeutung vielleicht noch nicht ganz erfasst haben. Wie die EZB schon sagte, ist die größte wirtschaftliche Folge des Krieges vermutlich ein noch stärkerer Inflationsdruck.

Energie

In den nächsten Monaten könnten Getreide und Dünger knapp werden. Zurzeit wirkt sich der Krieg vor allem über steigende Energiepreise auf die Wirtschaft aus. Letzte Woche warnte die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem Oil Market Report für März vor der „größten Angebotskrise seit Jahrzehnten“.

Der amerikanische Boykott russischer Ölimporte, die laut Energy Information Administration nur etwa 3% der gesamten US-Öleinfuhren ausmachen, dürfte auf die weltweite Angebots- und Nachfragesituation allerdings nur wenig Einfluss haben.

Langfristig ist aber mit größeren Engpässen zu rechnen, schreibt die IEA, zumal sich die Lagerbestände der OECD-Länder schon vor dem Krieg auf einem Achtjahrestief befanden.

Nach IEA-Angaben importiert die EU 20% ihres Öls aus Russland. Entsprechend gering war ihre Bereitschaft, russische Energie sofort zu boykottieren. Jetzt will sie aber bis 2027 von fossiler Energie aus Russland unabhängig werden. Großbritannien möchte russische Ölimporte bis zum Jahresende beenden und prüft auch das Ende der Gasimporte.

Unterdessen warnt die IEA, dass große Ölkonzerne, Handelshäuser, Reedereien und Banken „freiwillig auf Geschäfte mit Russland verzichten“. Noch fließt das Öl aufgrund von Verträgen, die vor der Invasion abgeschlossen wurden, aber „es gibt kein Neugeschäft mehr“. Vielleicht findet die tägliche russische Fördermenge von 3 Millionen Barrel ab April „keine Abnehmer“ mehr.

Kann diese Lücke geschlossen werden? Mein Kollege Jeff Wyll, Senior Research Analyst für den Energiesektor, deutet die jüngsten Äußerungen der Energiekonzerne folgendermaßen: Ihre Bereitschaft, anderswo in großem Umfang zu investieren, ist gering, nicht zuletzt, weil die Aktionäre schon lange auf Kapitaldisziplin drängen und höhere Kapitalrenditen fordern.

In den USA gibt es Kapazitätsengpässe wegen Personalmangels und des knappen Angebots wichtiger Dienstleistungen. In Venezuela sorgen Kündigungen durch Fachkräfte und der schlechte Zustand der Förderanlagen für Probleme. Saudi-Arabien hat bislang kaum reagiert, aus politischen Gründen und weil man die OPEC+-Fördermengenvereinbarung einhalten will. Der Iran könnte mehr Öl fördern, aber dann müssten die Nukleargespräche Fortschritte machen, sodass die Sanktionen zurückgeführt werden können.

Auch die langfristigen Kriegsfolgen dürften die Inflation treiben.

So scheinen in Europa jetzt höhere Verteidigungsausgaben wahrscheinlich. Die neue Einigkeit der EU könnte bewirken, dass auf das EU-Wiederaufbauprogramm nach der Pandemie neue Gespräche über eine Fiskalunion folgen, über die erstmals nach der Eurokrise vor zehn Jahren nachgedacht wurde. Russland ist ein wichtiger Lieferant jener Metalle, die für das Net-Zero Emissions Ziel wichtig sind. Die Energiewende treibt schon jetzt die Preise. Der Krieg hat diese Probleme verschärft. Bei einem neuen Kalten Krieg könnten wieder mehr Vorprodukte lokal bezogen werden; die Globalisierung könnte einen weiteren Rückschlag erhalten.

Fundamentalfaktoren

Betrachten wir noch einmal die Auswirkungen von Kriegen auf die Aktienmärkte.

Am stärksten ist der S&P 500 sicherlich 1973 eingebrochen, beim arabisch-israelischen Krieg. Zwar waren die Anfangsverluste in nur einer Woche wettgemacht, doch lag der Index ein Jahr später um 40% im Minus. Grund waren die weiteren Folgen des Krieges, wie das Ölembargo, zahlreiche politische Fehler und die extreme Stagflation.

Letztlich zählen für die Märkte strukturelle, fundamentale Entwicklungen. So verständlich es ist, dass der jüngste Anstieg der US-Inflation auf 7,9% wegen des Krieges in Europa kaum wahrgenommen wurde, so wichtig sind auf 12- bis 18-Monats-Sicht die langfristigen preistreibenden Wirkungen des russischen Angriffs – und der Umgang damit.

Vor dem Krieg hatten vor allem Inflation und steigende Zinsen für Volatilität gesorgt. In unserem Jahresausblick Solving for 2022 schrieben wir daher, dass eine höhere und problematischere Inflation für mehr Konjunkturschwankungen sorgen werde. Die Volatilität dürfte uns auch dann erhalten bleiben, wenn Putin die Waffen schweigen lässt.

Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer - Equities, Neuberger Berman

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