Unser neuer Fixed Income Investment Outlook fällt in eine turbulente Zeit für Zins- und Creditmärkte.
Letzte Woche stieg die US-Zehnjahresrendite auf mehr als 2,7%. Im viel beachteten Bereich zwischen zwei und zehn Jahren wurde die Zinskurve invers, normalisierte sich dann aber wieder. Am Mittwoch erfuhren wir aus dem Protokoll der Offenmarktausschusssitzung vom März Einzelheiten zur geplanten Verringerung der Bilanzsumme.
Unterdessen bleiben die Credit Spreads hoch und volatil – weil sich die Investoren noch immer nicht sicher sind, was die straffere Geldpolitik und der Krieg in der Ukraine für die Wirtschaft bedeuten.
Was werden die nächsten zwölf Monate bringen?
Erwartetes Leitzinsmaximum
Wir rechnen jetzt damit, dass die Fed die Zinsen im Mai und im Juni um jeweils 50 Basispunkte anhebt – gefolgt von mehreren Zinsschritten um 25 Basispunkte, bis die restriktive Geldpolitik erkennbar ist. Weil die hohe und hartnäckige Inflation immer mehr Wirtschaftsbereiche erfasst, rechnen wir mit einem Leitzinsmaximum nahe 3,5%.
Das entspricht auch den Markterwartungen, die aus unserer Sicht das Maximum erreicht haben.
Unser Kollege Joseph Purtell hat die wichtigsten Erkenntnisse aus dem März-Protokoll der Fed zusammengefasst. Wichtig ist vor allem, wann die Notenbank mit der Bilanzsummenverringerung beginnt und wie schnell sie ihre Anleihenbestände verringert. Beispielsweise bei 95 Milliarden US-Dollar monatlich könnte sie die Bilanzsumme in den nächsten Jahren um viele Billionen US-Dollar reduzieren.
Das ist nicht zu unterschätzen. Mit einer Bilanzsummenverringerung lässt sich die Inflation zwar nicht so wirksam bekämpfen wie mit Leitzinserhöhungen, aber sie ist nicht ohne. Wenn die Fed also mit beiden Instrumenten zusammen für Preisstabilität sorgen will, könnte eine schnellere Verringerung der Wertpapierbestände langsamere Zinserhöhungen ermöglichen.
Inversion
Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die Leitzinserwartungen nach der Veröffentlichung des Protokolls etwas zurückgegangen sind. Und vielleicht wurde die Zinsstrukturkurve nach ihrer kurzzeitigen Inversion genau deshalb wieder steiler.
Für manche Analysten ist eine inverse Zinsstrukturkurve der Vorbote einer Rezession. Wir sehen es meist nicht so und sind diesmal besonders skeptisch.
Unserer Ansicht nach spiegelt die relativ hohe zweijährige Rendite die Aggressivität den von der Fed vorgeschlagenen Zinserhöhungszyklus wider. Während die Langfristrenditen durch Quantitative Easing und die Nachfrage institutioneller und ausländischer Investoren nach lang laufenden US-Dollar-Titeln, deren Renditen auch mit Währungsabsicherung attraktiv sind, niedriger gelaten werden. Darüber hinaus bleibt die Kurve zu anderen Zeitpunkten als zwei und 10 Jahren steil, und die reale Zinsstrukturkurve ist sowohl steil als auch bei negativen Zinssätzen recht stimulierend.
Vielleicht bedeuten die Marktbewegungen nach der Veröffentlichung des Fed-Protokolls nur, dass man der Notenbank vertraut. Man traut es ihr zu, den Preisauftrieb mit einer Reduktion der Bilanzsumme und höheren Leitzinsen unter Kontrolle zu bringen, und das ohne größere Kollateralschäden.
Puffer
Das passt auch zu unserer Einschätzung der Fundamentaldaten.
Die Beschäftigung ist in den USA jetzt wieder fast so hoch wie vor der Pandemie, und die Verbraucher stehen sehr gut da. Die Schulden der Haushalte sind niedrig wie selten, und die Ersparnisse bleiben hoch. Dies ist breit abgestützt: Vor allem Haushalte mit niedrigeren und mittleren Einkommen freuen sich über einen starken Lohnanstieg und Vermögenszuwachs.
Alles in allem sehen wir hier einen großen Puffer, der sowohl eine höhere Inflation als auch die deshalb nötige Straffung der Geldpolitik abfangen kann. Wir rechnen in den nächsten zwölf Monaten zwar mit einem schwächeren US-Wirtschaftswachstum, erwarten aber keine Rezession. Auf Zweijahressicht sind die Risiken zwar höher, aber Sorgen machen wir uns nicht.
Solide Basis
In unserem Outlook befassen wir uns ausführlicher mit den möglichen Konsequenzen für Anleiheninvestoren, aber das war schon einmal das Wichtigste.
Wenn die Leitzinserwartungen nicht weiter steigen, dürften sich die Staatsanleihemärkte wieder stabilisieren. Vielleicht wird die Zinsstrukturkurve dann noch steiler.
Das und die stabile Konjunktur kann für Credits nur gut sein. Die Spreads von High-Yield- und Investmentgrade-Titeln sind jetzt fast so hoch wie in einer Rezession. Viele Sektoren halten wir daher für attraktiv bewertet.
Die Volatilität dürfte im Vergleich zu 2021 hoch bleiben – und auch der Höhepunkt der Inflation steht uns noch bevor, was nicht zu unterschätzen ist. Die Zinspläne der Fed finden aber Eingang in die Kurse. Die Zeit der dramatischen Bewegungen der letzten Wochen dürfte bald vorbei sein.
Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman