„Im Vergleich zu den letzten zwei oder drei Jahrzehnten stellen unsere jüngsten Einschätzungen eine tiefgreifende Neubewertung dar. Unserer Ansicht nach könnten Sachwerte im kommenden Zyklus grundsätzlich besser abschneiden und bessere Diversifizierungsmöglichkeiten bieten, während Finanzanlagen wie Aktien und Anleihen stärker miteinander korrelieren." – Erik Knutzen, CIO Multi-Asset Class bei Neuberger Berman.
Regime-Wechsel: Risiko für Rezession besteht
Auch wenn es nicht das Basisszenario ist, räumt das Asset Allocation Committee (AAC) ein, dass die derzeitige Situation das Risiko einer kurzfristigen Rezession erhöht. Entweder dadurch, dass die Zentralbanken die Kontrolle über die steigenden Preise verlieren oder dadurch, dass sie bei dem Versuch, die Preisanstiege zu bremsen, zu aggressiv eingreifen. Auch ohne Rezession ist man der Meinung, dass der ungünstige Wachstums-Inflations-Mix den Anlegern ein neues Regime beschert, das sich stark von dem System der vergangenen zwei Jahrzehnte unterscheidet. Die Wirksamkeit von Staatsanleihen mit langer Laufzeit und Investment-Grade-Rating dürfte als "natürliche" Absicherung für risikoreichere Anlagen nachlassen, da sich die Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen positiv entwickelt. Daraus folgt, dass möglicherweise eine längere Phase bevorsteht, in der Realwerte, die vom inflationären Gegenwind profitieren, im Allgemeinen besser abschneiden könnten als Finanzwerte. Dies wirft wichtige langfristige Überlegungen zur Vermögensallokation auf.
Rohstoffe: Wann, wenn nicht jetzt
Da Rohstoffe eine sehr volatile Anlageklasse sein können, begrenzen die meisten Anlagestrategien sie auf ein verhältnismäßig moderates Niveau. Nach Auffassung des AAC sind die Argumente, die Rohstoffallokation auf das maximal vertretbare Niveau zu erhöhen, unter den gegenwärtigen Bedingungen so stark wie nie zuvor.
Ukraine-Krieg: Treiber der Inflation
Der Krieg verschärft den Druck, der sich in der Wirtschaft bereits aufgebaut hatte – die gestiegene Inflation. Während die Geopolitik zur größten Sorge des AAC geworden ist, stehen Inflation und Zentralbankpolitik klar an zweiter Stelle.
Einige Folgen sind unmittelbar spürbar. Getreide- und Düngemittelengpässe könnten später in diesem Jahr zu einem Problem werden. Die Energiepreise bereiten schon jetzt Schwierigkeiten, vor allem in Europa. Die Internationale Energieagentur (IEA) warnt vor "der größten Versorgungskrise seit Jahrzehnten". Die Versorgungsengpässe entstehen durch offizielle Sanktionen, durch die "Selbstsanktionierung" großer Ölgesellschaften, Handelshäuser, Reedereien und Banken sowie durch Kriegsschäden an der Infrastruktur.
Im Zusammenhang mit den Bemühungen der Länder der Europäischen Union, unabhängig von fossilen Brennstoffen aus Russland zu werden, wird es zu wahrscheinlich zu einem längerfristigen inflationären Effekt kommen.