In den 1980ern beflügelte Japan die Fantasie. Unzählige Hollywoodfilme schürten die Angst vor dem Machtzuwachs dieses wirtschaftsstarken Industrielandes.
Aber dann kam der Crash. Die Bank of Japan sorgte dafür, dass danach alles anders war. Japan ist zwar noch immer die zweit- oder drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, aber fast 30 Jahre lang mussten sich Investoren kaum mit dem Land befassen.
Noch immer haben sie Japan nicht wirklich auf dem Schirm. Aber das sollte sie jetzt ändern.
Wieder einmal versucht die Bank of Japan einen Alleingang. Sie ignoriert die steigende Inflation und verweigert sich der in anderen Ländern üblichen Straffung der Geldpolitik. Aber die Welt ist heute völlig anders als in den 1990ern. Japans Geldpolitik macht Probleme, im Inland wie im Ausland. Das könnte überraschende Folgen haben. Vielleicht wird Japans Notenbank zu einer ungeplanten Wende gezwungen.
Wir sehen darin einen wichtigen Risikofaktor für die Weltwirtschaft.
"Vorübergehende" Inflation
Letzte Woche hat die Bank of Japan zwar ihre Inflationsprognose angehoben, aber nichts am negativen Leitzins geändert. Die Wertpapierkäufe zur Zinsstrukturkurvensteuerung wurden sogar verdoppelt. Gegenüber dem US-Dollar fiel der Yen daraufhin auf den niedrigsten Wert seit 20 Jahren.
Die Bank of Japan hält die Inflation noch immer für vorübergehend. Für dieses Jahr erwartet sie maximal 1,9%. Ihren eigenen Marktumfragen zufolge rechnet aber über die Hälfte der japanischen Haushalte mit mindestens 5%. Das gab es noch nie.
Wegen des schwächeren Yen, der steigenden Rohstoffpreise und des Handelsbilanzdefizits halten wir die Sorgen der Haushalte für berechtigt. Die Teuerung könnte steigen, vor allem, wenn der Preisrückgang bei Kommunikationsdienstleistungen nächsten Monat aus der 12-Monats-Kerninflation herausfällt.
Irgendwann könnte Japan durch einen schwächeren Yen wettbewerbsfähiger werden. Das Handelsbilanzdefizit könnte sich dann schließen, und der Inflationsdruck könnte nachlassen. Wegen des Krieges in der Ukraine und der schwächeren asiatischen Konjunktur infolge der chinesischen Null-COVID-Politik wird das aber wohl noch dauern. Unterdessen sorgt Japans Politik des schwachen Yen in Asien für Verstimmung. Ein Abwertungswettlauf droht, der einer noch höheren Inflation den Boden bereitet.
Stillschweigende offizielle Zustimmung
Längerfristig könnten auch die großen Positionen japanischer Investoren in euro- und US-dollardenominierten Anleihen zu einem Thema werden.
Jedes Mal, wenn EZB und Fed begleitet von scharfen Worten den Leitzins anheben, verteuert das die Absicherung ihrer Währungsrisiken. Heute kostet die Absicherung von US-Dollaranleihen in Yen 2,5% jährlich.
Traditionell passen Japans große Lebensversicherer und Pensionsfonds ihre Absicherungsquoten an diese Kosten an. Einige haben bestätigt, dass sie Auslandsanleihen im Wert von mehreren Milliarden Yen nicht mehr absichern wollen. Es fällt auf, dass sich der Yen, ein klassischer sicherer Hafen für unsichere Zeiten, seit Beginn der Coronakrise anders entwickelt hat als sonst. Das könnte an der Auflösung vieler Absicherungspositionen liegen. Auch glauben wir, dass die Regierung die Yen-Abwertung durchaus schätzt.
Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Inflation in Japan und den Wettbewerb in Asien, sondern macht auch internationalen Portfoliomanagern Sorgen – zumal hier das Potential besteht die Volatilität und die Renditen von US-Staatsanleihen und Unternehmensanleihen zu steigern. Und da weder US-Staatsanleihen noch der Yen heute wirksam vor Volatilität schützen, schrumpft die Auswahl an sicheren Häfen weiter.
Alles hängt mit allem zusammen
Wie lange die Bank of Japan bei ihrem Alleingang bleiben kann, ist unklar. Die nächsten sechs Monate dürften entscheidend sein.
Zurzeit glauben wir, dass sie ihre Negativzinspolitik bis September oder Oktober beibehält. Danach könnten einige Personalwechsel und der Konjunktureffekt des schwächeren Yen eine maßvolle Straffung auslösen. Die Notenbank rechtfertigt ihre Haltung mit ihrer These von der vorübergehenden Inflation und bestreitet weiterhin jegliche Verantwortung für den Wechselkurs.
Das Finanzministerium äußert sich aber immer besorgter zu den möglichen wirtschaftlichen Folgen. Wenn die lockere Geldpolitik die Inflation so sehr anheizt, wie die japanischen Haushalte glauben, könnte die Notenbank viel schneller zu einem ungeordneten Rückzug gezwungen sein. Dann drohen eine rasche Yen-Aufwertung und vielleicht ein schneller Anstieg der japanischen Staatsanleiherenditen um 100 Basispunkte.
Alles hängt mit allem zusammen. Weil Japans extreme Geldpolitik die Portfolioallokation weltweit so lange bestimmt hat, halten wir eine Änderung für eine der wichtigsten Marktentwicklungen.
Wir glauben, dass sich Investoren viel mehr Gedanken über Japan machen sollten, als sie es gerade tun.
Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman