Was zeichnet das aktuelle Marktumfeld eigentlich aus? In einem Webinar vor einigen Wochen haben Joe Amato, Erik Knutzen und ich die aktuelle Lage skizziert: anhaltende Volatilität, Ausverkäufe, Zinserhöhungen der Fed, Inflations- und Wachstumssorgen. Dennoch hielten wir nach vier schwierigen Monaten mit steigenden Zinsen und Spreadausweitungen die Zeit für gekommen, sich in Anleihen nicht mehr ganz so defensiv zu positionieren, bei der Duration wie bei der Credit-Quote. Wegen der neuen Rezessionssorgen und der aufgrund der höheren Renditen wieder günstigeren Bewertungen hielten wir verschiedene Marktrichtungen für denkbar, nachdem zuvor lange Zeit alles klar schien.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Trotz des jüngsten Zins- und Spreadrückgangs sind die Renditen der meisten Credits noch immer mindestens doppelt so hoch wie über weite Strecken der Jahre 2020 und 2021.
Renditen im Blick
Letztlich glauben wir, dass die Rendite den Ertrag macht. Man sollte daher die aktuellen Renditen vor dem Hintergrund der zuletzt sehr straffen US-Geldpolitik betrachten. Wird sie von Dauer sein oder nicht? Die Daten waren genauso uneinheitlich wie die Signale aus dem Offenmarktausschuss. Die Gründe für Kursbewegungen waren oft willkürlich. Oft war die Datenbasis dünn, oder man reagierte auf einzelne Äußerungen der Notenbank. So ging die US-Staatsanleihenrendite einmal um etwa 50 Basispunkte zurück, als ein Offenmarktausschussmitglied von einer Zinspause sprach. Eine Woche später bezeichnete ein anderes Mitglied eine solche Zinspause als unwahrscheinlich und stellte weitere Zinsschritte in Aussicht.
Auch die Credit Spreads schwankten. Als Target und Walmart über niedrigere Gewinnmargen berichteten, weiteten sich die Spreads aus – weil man höhere Kosten befürchtete und mit einem schwächeren Konsum rechnete. Sollte die Kauflaune der so wichtigen US-Verbraucher jetzt nachlassen? Schon bald folgten Daten, die das Gegenteil nahelegten. Schwach war unterdessen der Immobilienmarkt. Könnten die Zahlen nach den jüngsten Rekorden einen Abschwung signalisieren – oder etwas noch Schlimmeres? Die Konjunkturdaten sind uneinheitlich, und uneinheitliche Daten sorgen für heftige Spreadschwankungen und ein Auf und Ab risikobehafteter Titel.
Davon haben wir uns zuletzt leiten lassen. Schwankungen können plötzlich und heftig sein. Welche Duration ist angemessen, und wie stark wird die Fed wohl die Geldpolitik straffen? Ist eine weiche Landung zu erwarten oder eine Rezession? Wir glauben noch immer nicht an eine Rezession, rechnen so bald aber auch nicht mit einer abschließenden Klärung. Wer schon länger eine Rezession befürchtete, bleibt dabei, geht aber jetzt von einem späteren Beginn aus. Irgendwann 2023 wird es so weit sein, sagen die Pessimisten jetzt.
Positionierung
Endgültig geklärt wird die Frage vermutlich nur dann, wenn die Wirtschaft tatsächlich einbricht. Doch bis dahin müssen die Investoren irgendetwas mit ihren Portfolios tun. Zum Glück eignet sich die Unsicherheit für Umschichtungen. Vielleicht lassen sich dabei Chancen nutzen.
Tatsache ist, dass die deutliche Straffung der US-Geldpolitik seit November die Zinsstrukturkurve wesentlich flacher gemacht hat. Wir sehen daher große Chancen bei kurz laufenden Anleihen. Wer nicht das volle Marktrisiko tragen will, kann also auf kürzer laufende Investmentgrade- oder High-Yield-Anleihen sowie Emerging-Market-Papiere setzen. Sie stellen ordentliche Erträge in Aussicht.
High-Yield- und Emerging-Market-Portfolios mit Kurzläuferschwerpunkt versprechen unserer Ansicht nach mehr als 6% Ertrag, etwa vier Fünftel des Marktertrags. Kurz laufende Investmentgrade-Anleihen lassen deutlich über 3% Ertrag erwarten. Für Privatanleger scheinen Municipals ähnlich interessant.
Man muss den Markt nehmen, wie er kommt. Nach den schwierigen ersten Monaten des Jahres 2022 sind die Chancen aber deutlich besser geworden.
Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman