CIO Weekly | Die Unsicherheit könnte schlimmer sein als der Abschwung

Wir glauben, dass der Beginn einer Rezession zur Vorsicht mahnt. Aber für Aktieninvestoren ist er vielleicht eine Chance. Neuberger Berman | 08.09.2022 11:33 Uhr
Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Der US-Arbeitsmarktbericht vom Freitag war uneinheitlich. Zwar wurden im August 315.000 neue Stellen geschaffen, aber der Beschäftigungszuwachs im Juni und Juli wurde um mehr als 100.000 herunterrevidiert. Die Löhne stiegen überraschend schwach, die Arbeitslosenquote legte wegen der höheren Partizipationsquote zu. Erstmals seit Monaten finden neue Arbeitssuchende nicht sofort eine Anstellung.

Es klingt seltsam, aber der Grund für die jüngsten Kursverluste war eine zu starke Konjunktur. Die Inflation ist hoch und dürfte es einstweilen bleiben. Solange die Beschäftigung steigt, rechnet man mit weiteren Zinserhöhungen. Die Finanzbedingungen werden dann noch straffer.

Vielleicht brachte der Freitag aber den Wendepunkt am Arbeitsmarkt. Womit können Aktieninvestoren dann rechnen? Mit einem größeren Ausverkauf auf breiter Front, da der Abschwung jetzt wirklich beginnt und sich die Märkte dem nicht entziehen können? Oder mit einer maßvolleren Reaktion?

Wie straff ist straff genug?

Wir glauben schon länger, dass sich die Aktienmärkte erst dann stabilisieren und die Kurse wieder steigen können, wenn sich die Anleihenmärkte beruhigt haben. Bis zum Arbeitsmarktbericht am Freitag gab es darauf nur wenig Hinweise. In Jackson Hole hatte Fed-Chairman Jerome Powell eine „noch länger straffe Geldpolitik“ in Aussicht gestellt, und EZB-Vertreter nach EZB-Vertreter signalisierte eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte. Nach den zuletzt kräftigen Gewinnen gaben Aktien dann auch wieder nach.

Die Anleihenmärkte dürften sich beruhigen, wenn die Notenbanken eine hinreichend straffe Geldpolitik signalisieren. Entscheidend wird sein, wie die Geldpolitik auf einen erkennbar schwächeren Arbeitsmarkt reagiert. Bekommen die Tauben dann wieder Oberwasser, oder werden die Falken auf eine weitere Straffung à la Paul Volcker drängen? Powells jüngste Rede schien die Welt auf den massiven Abschwung vorzubereiten, mit dem er rechnet.

Irgendwann dürften sich auch die Tauben wieder zu Wort melden, zumal die Fed ein doppeltes Mandat hat. Neben Preisstabilität muss sie auch für Vollbeschäftigung sorgen. Aber die recht guten Konjunktur- und Arbeitsmarktdaten machen es ihr nicht leichter. In Europa ist es noch schwieriger, droht hier doch aufgrund der Energiekrise eine Stagflation. Wir rechnen daher mit weiterer Zinsvolatilität und einer schwächeren Konjunktur. Bei Aktien bleiben wir daher vorsichtig.

Rezenzeffekt

Unsere Vorsicht wegen einer unsicheren Zinsentwicklung ist nicht mit unserer Vorsicht wegen eines erwarteten Abschwungs zu verwechseln.

„Kaufe bei Gerüchten, verkaufe bei Fakten“ heißt es an der Börse. Bei Rezessionen ist oft das Gegenteil sinnvoll – bei Gerüchten zu verkaufen, um später wieder einzusteigen. Meist lag das Aktientief vor dem Konjunkturtief.

Wegen des Rezenzeffekts – der Neigung, neuere Nachrichten wichtiger zu nehmen als ältere – fürchtet man jetzt, dass das BIP beim nächsten Abschwung um mehrere Punkte fällt und auch Aktien zweistellig nachgeben, wie bei der Coronakrise 2020 und bei der Finanzkrise 2008. Tatsächlich aber waren die meisten Rezessionen in den USA seit dem Zweiten Weltkrieg recht mild. Viel spricht dafür, dass es diesmal nicht anders sein wird.

Wegen der hohen Inflation dürfte das BIP in der nächsten Rezession nominal weiter wachsen. Für Unternehmensgewinne und Cashflows kann das nur gut sein und wird deren Rückgang zumindest mäßigen. Auch Schulden und Schuldendienst der meisten Unternehmen halten sich in Grenzen.

Die Beschäftigung in den USA ist hoch, und noch immer werden so viele Stellen angeboten wie selten. Je mehr Menschen zu Beginn eines Abschwungs in Lohn und Brot sind, desto weniger bricht die Wirtschaft meist ein. Die Haushalte sind noch immer nur mäßig verschuldet, die Ersparnisse sind nach wie vor recht hoch. All das könnte das überraschend gute Konsumklima der letzten Wochen erklären.

Die tiefen Rezessionen der letzten Jahre wurden durch massive Konjunkturschocks ausgelöst – 2020 durch eine Pandemie, 2007/2008 durch die viel zu hohe Verschuldung des privaten Sektors. Heute ist es anders.

Streuung

Die Aktienmärkte könnten daher stabiler bleiben als angenommen, ohne den befürchteten Einbruch auf breiter Front.

Schon in der Berichtssaison für das 2. Quartal zeigten sich Unterschiede zwischen den Unternehmen.

Im Vorteil sind derzeit Firmen mit Preismacht, freien Cashflows zur Finanzierung von Produktivitätsverbesserungen, einem klugen und vorausschauenden Lieferkettenmanagement oder geringen Arbeits- und Rohstoffkosten. Sie können der Inflation etwas entgegensetzen und selbst bei einem nachlassenden realen Wirtschaftswachstum nominal zulegen. Unternehmen ohne diese Wettbewerbsvorteile mussten ihren Gewinnausblick hingegen senken.

Wir rechnen so lange mit Volatilität und einer hohen Einzelwertkorrelation am Aktienmarkt, bis wir beim Ausmaß des Abschwungs, der Inflation und der Geldpolitik klarer sehen – und bis sich die Anleihenmärkte beruhigen. Die aktuelle Unsicherheit könnte am Ende schlimmer sein als der Abschwung selbst. Wenn sich die Nebel lichten, dürfte sich die unterschiedliche Gewinn- und Cashflow-Entwicklung der Unternehmen auch in einer unterschiedlichen Einzelwertentwicklung zeigen.

Aktieninvestoren raten wir daher erst einmal zur Vorsicht. Der Beginn einer Rezession ist aber immer auch eine Chance.

Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman

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