CIO Weekly | Lektionen für Länder

Die Anleihenmärkte scheinen Widersprüche zu bestrafen – Inkonsistenzen innerhalb der Länder ebenso wie zwischen ihnen. Neuberger Berman | 20.10.2022 10:09 Uhr
© Photo by Christian Lue on Unsplash
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Probleme bei Staatsanleihen und Währungen schließen wir nicht aus“, schrieben wir vor drei Wochen.

Dass es aber so schnell kommen würde, hat uns ebenso überrascht wie das Ausmaß der Verwerfungen. Letzte Woche legten die Renditen inflationsindexierter britischer Staatsanleihen an manchen Tagen um mehr als 60 Basispunkte zu, und auch die sonst recht stabilen deutschen Bundesanleiherenditen schwankten zweistellig. Was ist passiert? 

Letztlich erleben wir genau das, was Joe Amato kürzlich beschrieb: Wegen der hohen Inflation akzeptieren Unternehmensanleiheninvestoren die Geld- und Fiskalpolitik nicht mehr. Sie fordern wieder faire Renditen.

In Ländern mit einer konsistenten Geld- und Fiskalpolitik könnten die Renditehochs bald erreicht sein, sodass wieder eine Seitwärtsbewegung folgt. Wenn aber Widersprüche bleiben, werden die Märkte das unserer Ansicht nach bestrafen, in Industrieländern wie in Emerging Markets. Und das kann, wie wir gesehen haben, eine heftige Volatilität auslösen. 

Inkonsistenzen innerhalb der Länder …

Es gibt zwei Arten von Inkonsistenzen: im Land selbst, wenn Geld- und Fiskalpolitik nicht an einem Strang ziehen, aber auch zwischen den Ländern.

Großbritannien ist ein Musterbeispiel für den ersten Fall.

Als die Bank of England wegen der hohen Inflation die Geldpolitik straffte, verkündete die neue Regierung Steuersenkungen in Milliardenhöhe. Die Reaktion der Märkte war verheerend: Die Steuersenkungen galten als ungedeckt, inflationstreibend und rückwärtsgewandt – und sie wurden schlecht kommuniziert. Manche Einzelmaßnahmen wurden erst in letzter Minute bekannt, die unabhängige Aufsichtsbehörde, das Office for Budget Responsibility, wurde nicht beteiligt, und niemand hatte über die Konsequenzen für britische Staatsanleihen und die britische Lebensversicherungsbranche nachgedacht. Die Notenbank, die gerade erst mit Zinserhöhungen und Quantitative Tightening begonnen hatte, kam an neuen Notfallkäufen von Staatsanleihen nicht vorbei und kommunizierte ebenfalls schlecht.

… und zwischen ihnen

Ein gutes Beispiel für Inkonsistenzen zwischen Ländern findet sich auf der anderen Seite des Kanals.

Europa könnte ein harter Winter bevorstehen. Der Krieg in der Ukraine und der russische Gas-Lieferstopp könnten zu Energieknappheit führen. Deutschland legte ein 200-Milliarden-Euro-Programm auf, um Haushalte und Unternehmen vor den Folgen zu schützen. Aber das geschah in einer Zeit, in der die Europäische Zentralbank (EZB) vor einer hohen Inflation warnte und die Energieminister der Europäischen Union gerade nach Brüssel reisten, um zumindest ansatzweise eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. 

„Das untergräbt die Basis der Union“, schimpfte ein Berater der neuen italienischen Regierung. Hätte Italien der Europäischen Kommission am Wochenende auch nur einen leicht expansiven Haushaltsplan vorgelegt, hätten die anderen Euroraum-Länder das wohl kritisiert – und die Märkte hätten Italien diszipliniert. 

In der Coronakrise ging man im Euroraum überraschend koordiniert vor. Auch jetzt könnte Europa wieder solidarisch handeln. Es wird berichtet, dass Deutschland zur Finanzierung der Energiekrise gemeinsame Euroanleihen akzeptiert. Wir denken trotzdem, dass der Euroraum eine Risikozone für mehr Inflation und weniger Wachstum bleibt, vor allem bei einer inkonsistenten Politik.

Außenseiterposition

Widersprüche gibt es aber nicht nur in Europa.

Schon im Mai schrieben wir über die wachsende Inkonsistenz der japanischen Geldpolitik angesichts von Inflation und Inflationserwartungen. Weil die Bank of Japan an ihren Negativzinsen und der Zinsstrukturkurvensteuerung festhielt, musste der Yen die Anpassungslast tragen. Gegenüber dem US-Dollar fiel er auf ein 24-Jahres-Tief, was den Inflationsdruck weiter verstärkte. Die Notenbanksitzung im Dezember dürfte spannend werden. Vielleicht kommt es dann zur lange erwarteten Wende der Geldpolitik.

In den USA blieben solche Widersprüche bislang zwar weitgehend aus, doch stehen im November die Zwischenwahlen an. Sie könnten entscheidend dafür sein, wie es weitergeht. Einige würden beispielsweise argumentieren, dass Teile des Inflationsbekämpfungsgesetzes falsch benannt sind, und es ist schwer zu erkennen, wie der jüngste Vorschlag des Arbeitsministeriums zur Klassifizierung von "Gig Economy" inflationshemmend sein soll, sollte er den Weg in ein Gesetz finden.

Disziplin ist nicht immer leicht

Viel spricht dafür, dass wir aus Sicht der Notenbanken und Regierungen der Industrieländer noch immer in der Zeit zwischen der großen Finanzkrise und der Coronapandemie leben. Wir meinen aber, dass sich die Welt verändert hat. Am Anleihenmarkt scheint man es genauso zu sehen, sodass die Staatsanleihenrenditen mehr und mehr zulegen.

Wie Joe Amato bereits schrieb, kann das die Wirtschaft eigentlich nur stabiler und nachhaltiger machen. Aber Disziplin ist nicht immer leicht, und wahrscheinlich führt sie zu neuer Volatilität – vor allem, wenn die Entscheider die Zeichen der Zeit nicht erkennen.

Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income & Ashok Bhatia, CFA, Deputy Chief Investment Officer – Fixed Income

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