„In ihrer letzten Sitzung hob die EZB ihre Leitzinsen wie erwartet um 75 Basispunkte an, überraschte den Markt jedoch mit der Wiedereinführung von Wirtschaftswachstums-Kriterien für ihre kommenden Entscheidungen. Sie erklärte, dass sich die Aktivität bereits im dritten Quartal deutlich verlangsamt habe und sich im vierten Quartal dieses Jahres und im ersten Quartal 2023 noch weiter verlangsamen dürfte. Das ist insofern wichtig, als dass es zeigt, dass das Ziel der EZB, die Nachfrage zu dämpfen, voranschreitet und die Arbeitslosenquote ansteigen dürfte. Der einzige verbleibende Grund für die EZB, die Zinsen auch in Zukunft weiter zu erhöhen, wäre also, dass der Höhepunkt der Inflation noch nicht erreicht ist.
Der Rückgang der Energiepreise lässt den Markt erwarten, dass der Höhepunkt der Inflation bald erreicht sein wird. Daher hat der Markt Donnerstagnachmittag seine Endzinsprognose auf 2,5 Prozent gesenkt, während sie zuvor bei 2,75 bis 3,25 Prozent lag. Das deutet auf eine Outperformance von kurz- bis mittelfristigen Anleihen hin.
Die EZB-Analyse verstärkt die Attraktivität der Euro-Anleihen, insbesondere der kurz- und mittelfristigen Anleihen und vor allem derjenigen, die von privaten Emittenten begeben werden: Während der Rezession im nächsten Jahr können wir eine Pause in der EZB-Leitzinssteigerungspolitik erwarten. Die zukünftig teureren gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte dürften dazu führen, dass die Geschäftsbanken das in den vergangenen Jahren geliehene Geld früher zurückzahlen, ohne dass dies den kurz- oder mittelfristigen Anleihemarkt wesentlich beeinträchtigt.“
Patrick Barbe, Head of European Investment Grade Fixed Income bei Neuberger Berman