CIO Weekly | Kommt jetzt der Tag der Wahrheit?

Aktien sind gut ins neue Jahr gestartet, aber lassen sich die schwachen Konjunkturdaten wirklich noch ignorieren? Neuberger Berman | 26.01.2023 10:16 Uhr
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Seit vielen Monaten warnen wir davor, dass das schwächere Wachstum den Aktienmärkten am Ende schadet, auch wenn die niedrigere Inflation ihnen zunächst nützt.

Bis letzte Woche schien die Jahresendrallye auch im neuen Jahr weiterzugehen. Aber kann man die schwachen Konjunkturdaten wirklich noch ignorieren?

Disinflation

Auf der letzten Vierteljahreskonferenz unseres Asset Allocation Committee (AAC) diskutierten wir intensiv darüber, wann der Abschwung kommt. Einige Mitglieder rechneten schon Anfang 2023 mit weniger Wachstum und niedrigeren Unternehmensgewinnen, verwiesen aber auch auf Positivfaktoren: die nachlassende Inflation, die wohl langsameren Zinserhöhungen und den schwächeren Dollar.

Im Dezember ging die Teuerung in den USA zurück, vor allem die Güterpreisinflation, und nach dem letzte Woche veröffentlichten Produzentenpreisindex sind die Erzeugerpreise so stark gefallen wie seit dem Höhepunkt der Pandemie nicht mehr. In Europa haben sich die Erdgaspreise allein im Dezember halbiert – dank verstärkter Sparbemühungen, alternativer Energiequellen und des milden Winters.

Nach dem jüngsten US-Arbeitsmarktbericht sprach man von einer weichen Landung, von Goldilocks und einer „lehrbuchmäßigen“ Disinflation. Es schien, als könne die US-Wirtschaft auch ohne einen drastischen Lohnanstieg monatlich 200.000 neue Stellen schaffen, sodass die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten fiel.

Vertreter von Fed und EZB sprachen von einer Rückkehr zu Zinserhöhungen um nur noch 25 Basispunkte, und viele Investoren gingen zu Jahresbeginn neue Risiken ein – vor allem in Europa, wo der Stoxx 600 Index seit Jahresbeginn um 6,4% zulegte und damit zu den weltweit erfolgreichsten zählte.

Abschwung

Der Gedanke an geringere Zinserhöhungen hat aber einen anderen Grund: die schwächere Konjunktur. Doch obwohl höhere Zinsen den Abschwung verschärfen könnten, erwägen die Notenbanken nur eine Verlangsamung und kein völliges Ende der Straffung. Das zeigt, für wie hartnäckig sie die Inflation noch immer halten.

Weniger Produzentenpreisinflation bedeutet, dass die Unternehmen steigende Kosten nicht mehr so leicht weitergeben können – und der Rückgang der US-Einzelhandelsumsätze im Dezember, der ebenfalls letzten Mittwoch bekannt wurde, belegt die nachlassende Kauflaune. Auch die Industrieproduktion war unerwartet schwach. 

Dabei sollte man bedenken, dass Beschäftigung und Inflation nachlaufende Indikatoren sind. Von den Frühindikatoren gehen noch stärkere Warnsignale aus. 

Die Einkaufsmanagerindizes (PMIs) sind in den letzten Monaten eingebrochen. Der amerikanische Industrie-PMI von S&P Global liegt nach dem stärksten Rückgang seit der Pandemie nur noch bei 46,2. Noch Ende letzten Jahres schrieben wir über den bis dahin so stabilen Dienstleistungs-PMI und warnten vor einem Rückgang. Tatsächlich ist der ISM-Index dann erstmals seit Mai 2020 unter 50 gefallen, und der Euroraum-Composite von S&P Global zeigt schon seit Juli letzten Jahres eine schrumpfende Wirtschaft an.

Schwächere Unternehmensgewinne

Auch aus Bottom-up-Sicht scheint sich die Lage zu verschlechtern. Gerade hat die Berichtssaison für das 4. Quartal begonnen. Laut FactSet rechnen Analysten damit, dass die Gewinne der S&P-500-Unternehmen im Vorjahresvergleich um 3,9% fallen. Hinzu kommen große Unterschiede zwischen den Sektoren. Für den Energiesektor werden über 60% Gewinnanstieg erwartet, was den Gesamtwert nach oben verzerren kann. Finanzinstitute, vor allem solche mit einem großen Kapitalmarktgeschäft, berichten aber schon über einen massiven Gewinneinbruch. Das spricht nicht gerade für Wachstum. In Europa rechnen die Analysten damit, dass die Gewinne der Stoxx-600-Unternehmen im 4. Quartal um 4,2% z.Vj. gestiegen sind. Hier könnte der im Vergleich zu den USA kleinere und weniger internetorientierte Technologiesektor die Zahlen nach oben verzerren. Die Wachstumserwartungen für andere Sektoren sind ähnlich wie in den USA. Die Konsensprognose für die Gewinne der S&P-500-Unternehmen im Jahr 2023 liegt noch immer über 225 US-Dollar je Aktie. Wir halten das für optimistisch und rechnen mit fallenden Erwartungen.

Tag der Wahrheit

Es gibt aber viele Unsicherheitsfaktoren.

In China wird die Null-COVID-Politik gelockert. Das Land öffnet sich wieder, und die Wirtschaft sollte wieder wachsen. Letztes Jahr legte das chinesische BIP um gerade einmal 3% zu. Schon im 4. Quartal 2022 war das Wachstum aber wieder dynamischer.

Die höhere Nachfrage aus China könnte die Weltwirtschaft erheblich stärken. Wahrscheinlich war sie auch der Grund für die Kursgewinne am europäischen Aktienmarkt, der stark von China abhängt. Für das Wirtschaftswachstum wäre das gut, für die Preisstabilität hingegen nicht. Eine Erholung Chinas macht es den Notenbanken nicht leichter.

Wann aber würde eine weiche Landung 2023 wahrscheinlicher? Sicherlich bei einem stärkeren und klareren Inflationsrückgang. Einstweilen rechnen wir aber immer weniger damit.

Wegen der notorisch unberechenbaren Konjunkturdaten ist selbst nach den Zahlen der letzten Woche nicht auszuschließen, dass neue Daten die Anlegerstimmung vorübergehend heben. Dennoch glauben wir, dass Wachstum und Inflation für Aktien echte Herausforderungen sind. Wenn wir bei den Unternehmensgewinnen den Tag der Wahrheit nicht schon im 1. Quartal 2023 erleben, wird es wohl im weiteren Verlauf des Jahres so weit sein.

Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman

Nehmen Sie teil bei der Solving 2023 Roadshow von Neuberger Berman– Diskutieren Sie mit.

07.02.2023 – Frankfurter Hof, Frankfurt

08.02.2023 – Steigenberger Parkhotel, Düsseldorf

09.02.2023 – Hotel Vier Jahreszeiten, Hamburg

21.02.2023 – Palais Coburg, Wien

22.02.2023 – Bayerischer Hof, München

23.02.2023 – Steigenberger Graf Zeppelin, Stuttgart

Hier Registrieren

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen. Das NewsCenter ist eine kostenpflichtige Sonderwerbeform der e-fundresearch.com AG für Asset Management Unternehmen. Copyright und ausschließliche inhaltliche Verantwortung liegt beim Asset Management Unternehmen als Nutzer der NewsCenter Sonderwerbeform. Alle NewsCenter Meldungen stellen Presseinformationen oder Marketingmitteilungen dar.
Klimabewusste Website

AXA Investment Managers unterstützt e-fundresearch.com auf dem Weg zur Klimaneutralität. Erfahren Sie mehr.

Melden Sie sich für den kostenlosen Newsletter an

Regelmäßige Updates über die wichtigsten Markt- und Branchenentwicklungen mit starkem Fokus auf die Fondsbranche der DACH-Region.

Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und kann jederzeit abbestellt werden.