- Spätestens im September wird der US-Regierung das Geld ausgehen: Ohne neue Schuldenobergrenze könnte das internationale Finanzsystem ins Wanken geraten
- Schwierige Machtverhältnisse: Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus macht schnelle Einigung um Schuldenbremse unwahrscheinlich
- Höhere Volatilität und Kursverluste: Streit um Schuldenobergrenze könnte Märkte in den kommenden drei bis sechs Monaten zusätzlich destabilisieren
Zwischen Juli und September wird der US-Regierung das Geld ausgehen, so die kürzlich veröffentlichte Prognose des Congressional Budget Office (CBO). Am 19. Januar haben die Schulden der USA die gesetzte Obergrenze in Höhe von 31,38 Billionen US-Dollar erreicht. Die Regierung ergriff „Sondermaßnahmen“, setzte etwa Einzahlungen in staatliche Pensionsfonds aus und begab auch keine neuen Anleihen mehr. Können sich Regierung und Kongress nicht auf eine höhere Schuldenobergrenze einigen, wären die so gewonnenen finanziellen Mittel jedoch im Sommer aufgebraucht. Der Zahlungsausfall wäre die Folge. Auch Anleihen würden nicht mehr bedient und der weltweite „risikolose“ Zins, die Basis des internationalen Finanzsystems, würde in Folge kräftig steigen. Zwar ist eine derart extreme Entwicklung unwahrscheinlich, doch die politische Situation in den USA macht eine schnelle Einigung unwahrscheinlich.
Streit um Schuldenbremse erschüttert Märkte
Für die Erhöhung der Schuldenobergrenze müssen sowohl der Kongress als auch der Präsident zustimmen. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist das schon mehr als 100-mal geschehen. Vor der internationalen Finanzkrise war die Erhöhung der Schuldenobergrenze sogar reine Formalität. Danach führte die Erhöhung gelegentlich zum Streit. Am dramatischsten war es 2011, als die Republikaner, die im Januar das Repräsentantenhaus übernommen hatten, von Präsident Obama ein niedrigeres Defizit als Gegenleistung forderten. Am Ende verabschiedete der Kongress ein komplexes Gesetzespaket. Die Parteien vereinbarten Ausgabenkürzungen und signalisierten damit eine gewisse Haushaltsdisziplin – verzögerten damit jedoch wahrscheinlich auch die wirtschaftliche Erholung von der Finanzkrise.
Kurzfristig passierte aber noch mehr. Als die USA im August 2011 noch wenige Tage vor einem Zahlungsausfall standen, entzog Standard & Poor’s als erste große Ratingagentur überhaupt den USA am 5. August das AAA-Rating. Schon im April hatte sie es mit einem negativen Ausblick versehen. Die Märkte reagierten. Zwar sorgten in diesen Wochen vor allem die Probleme des Euroraums für Volatilität, doch das Drama in den USA war der Hauptgrund dafür, dass der S&P 500 allein im August um 17 Prozent einbrach. Die Erholung des Index dauerte volle sechs Monate.
Hoher Schuldenstand nährt Zweifel an nachhaltiger Haushaltspolitik
Die Erfahrungen von 2011 waren aber kein heilsamer Schock – auch 2013 gab es erneut Streit, seitdem stimmte der Kongress oft nur für eine Aussetzung der Schuldenobergrenze statt für eine Anhebung. Und auch diesmal kann es knapp werden, denn einmal mehr haben wir es mit einem gespaltenen Kongress zu tun. Die knappe Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus macht es nicht besser. Die quälend langsame Wahl von Sprecher Kevin McCarthy im Januar zeigt, wie undiszipliniert die Abgeordneten sein können. Machtkämpfe spielen dabei ebenso eine Rolle wie Ideologie.
Hinzu kommt, dass die Schulden der USA von 64 Prozent des BIP im Jahr 2011 auf heute 96 Prozent des BIP gestiegen sind. Für 2033 prognostiziert das CBO sogar 118 Prozent. Auch die Zinsen sind gestiegen: Von 2011 bis 2021 betrug die US-Zehnjahresrendite durchschnittlich 2 Prozent, aber heute sind es 3,8 Prozent. Laut Strategas Research Partners dürfte sich die Bedienung der Nettoschulden in den nächsten zehn Jahren von heute etwa 8 Prozent auf fast 16 Prozent der Steuereinnahmen verdoppeln. Gleichzeitig rechnet das CBO mit einem stetig steigenden Haushaltsdefizit – von 1,4 Billionen US-Dollar 2023 auf 1,8 Billionen 2028 und 2,7 Billionen 2033. Es wird immer schwieriger, die Verfechter der Haushaltsdisziplin als Ideologen abzustempeln. Irgendwann, wenn auch nicht sofort, wird der risikolose Zins an den Märkten ein Thema.
Kursverluste und höhere Volatilität absehbar
Nicht vergessen sollte man zudem, dass politische Dramen die Finanzmärkte destabilisieren können, vor allem wenn ihre Folgen deren Funktionsfähigkeit massiv schaden können. Auch wenn wir keine Zweifel an der Kreditwürdigkeit der USA haben und am Markt zurzeit Inflation, Wachstum, Beschäftigung und Leitzinsen die wichtigsten Themen sind, könnte die Schuldenobergrenze in den nächsten drei bis sechs Monaten für zusätzliche Volatilität sorgen. Aber das hat auch ein Gutes: Kursverluste ohne schlechtere Fundamentaldaten schaffen für Investoren interessante Einstiegsmöglichkeiten.
Von Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer Equities bei Neuberger Berman