CIO Weekly | ESG: Warum diese Schlammschlacht?

Was versteht Neuberger Berman unter ESG, nachhaltigem Investieren und Impact Investing – und wie passen diese Ansätze zum aktiven Management und den unterschiedlichen Anforderungen unserer Kunden? Neuberger Berman | 09.03.2023 12:36 Uhr
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Wahrscheinlich wird es Sie überraschen, wie politisch und polarisiert in den USA über ESG diskutiert wird. In anderen Ländern geht man die Themen Umwelt, Soziales und Governance, nachhaltiges Investieren und Impact Investing oft sehr viel sachlicher an.

Erst letzte Woche schrieb Chuck Schumer, der demokratische Mehrheitsführer im Senat, in einem Gastbeitrag für das Wall Street Journal, dass alle wirtschaftsliberalen Republikaner „für ESG sein müssten“, statt der Assetmanagementbranche immer neue Vorschriften zu machen. Schumer reagierte damit auf eine schier endlose Serie von Leitartikeln gegen ESG aus den Federn seiner politischen Gegner.

In den USA ist ESG zum Spielball der Politik geworden. Es finden Kongressanhörungen statt, der Bund und Bundesstaaten verabschieden neue Gesetze, Biden droht mit seinem Veto. 2024 könnte ESG sogar zu einem wichtigen Wahlkampfthema werden. Auch Aufsichtsbehörden und Investoren melden sich zu Wort.

Leider wird oft alles in einen Topf geworfen, sodass die Debatte eher für Streit als für Erkenntnisgewinn sorgt. Die Anleger sind verwirrt und verunsichert, vor allem in den USA. 

Wir wollen deshalb noch einmal klar beschreiben, wie wir die Begriffe verwenden und was wir von den verschiedenen Konzepten halten. Wir glauben, dass unser Ansatz aktives Management zulässt, die Treuhandpflichten gegenüber unseren Kunden respektiert und die Vielfalt der Anforderungen und Ziele berücksichtigt.

Prozessorientiertes Investieren

Was heißt ESG? Was heißt nachhaltiges Investieren? Was ist Impact Investing?

Das eigentliche Problem dieser Begriffe ist, dass sie oft synonym verwendet werden. Dabei bezeichnen sie recht verschiedene Konzepte. Zentral ist der Unterschied zwischen Prozessen und Ergebnissen: ESG-Integration bezieht sich auf Investmentprozesse. Nachhaltigkeit, Impact und Ausschlüsse beziehen sich auf Investmentergebnisse.

ESG-Integration bedeutet für uns einfach nur, dass wir bei der standardmäßigen Analyse eines Unternehmens neben vielen klassischen Finanzkennziffern auch finanziell relevante ESG-Faktoren berücksichtigen. Meist sind sie für die Einzelwertauswahl aber nicht entscheidend, sondern nur ein Aspekt unter vielen.

Als aktive Manager sehen wir darin einen wichtigen Teil unserer Treuhandpflichten.

Beispielsweise entwickelt General Motors (GM) eine Elektrofahrzeugstrategie (EV), und außerdem stehen dieses Jahr wichtige Tarifverhandlungen an. Ohne eine Analyse der Elektrofahrzeugstrategie (ein E-Faktor) oder einen Vergleich der Arbeitnehmerbeziehungen mit denen der Wettbewerber (ein S-Faktor) würden wir unsere Pflichten vernachlässigen. Schließlich werden wir dafür bezahlt, dass wir finanziell relevante Risiken und Chancen untersuchen. Nicht anders wäre es, wenn wir die mit unterschiedlichen Stimmrechten ausgestatteten Aktienklassen von Meta ignorierten (ein G-Faktor).

An keiner Stelle des Prozesses müssen die Portfoliomanager aber allein aufgrund von ESG-Faktoren Unternehmen oder Sektoren ins Portfolio aufnehmen oder ausschließen. Auch wenn ein Öl- und Gaskonzern von neuen strengeren Klimavorschriften betroffen ist (ein E-Faktor), kann der Portfoliomanager in dieses Unternehmen investieren. Er muss nur davon überzeugt sein, dass andere Faktoren finanziell wichtiger sind und die Ertragserwartungen die Umweltrisiken ausgleichen.

Ergebnisorientiertes Investieren …

Nachhaltiges Investieren und Impact Investing unterscheiden sich davon grundlegend.

Eine „nachhaltige“ Investmentstrategie möchte ein bestimmtes Finanzziel erreichen, indem sie in Qualitätsunternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen, Praktiken, Produkten und Dienstleistungen investiert. Sie sollen bei einschlägigen ESG-Faktoren vorbildlich sein und dürfen Umwelt und Gesellschaft nicht übermäßig schaden. Hier zählt also das Ergebnis: die Nachhaltigkeit des Portfolios.

Eine „Impact“-Strategie will messbare soziale und ökologische Verbesserungen erreichen und strebt dabei einen Finanzertrag in Höhe der Marktentwicklung an. Auch hier geht es also um messbare Ergebnisse für Mensch und/oder Erde.

Aufgrund dieser Ergebnisorientierung können sich die Anlageentscheidungen von denen eines Investmentprozesses mit ESG-Integration unterscheiden. Auch wenn ein Portfoliomanager die Elektrofahrzeugstrategie von GM sehr schätzt, könnte er in einem Nachhaltigkeits- oder Impact-Portfolio Tesla bevorzugen. Als reiner Elektrofahrzeughersteller könnte Tesla nämlich beim E-Faktor deutlich vorn liegen.

… geht vom Kunden aus 

Bei Neuberger Berman definieren und benennen wir unsere Nachhaltigkeits- und Impact-Investing-Strategien genau. Wenn sich unsere Kunden dafür entscheiden, tun sie das bewusst und auf Basis genauer Informationen. In manchen Regionen, etwa in Europa, fordern Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden die Einhaltung bestimmter Nachhaltigkeitsvorschriften. Strategien, die mit Ausschlüssen arbeiten, sind ebenfalls ergebnisorientiert und erfordern stets eine gezielte Entscheidung des Kunden. 

Zurzeit entfällt daher nur ein kleiner Teil unseres verwalteten Vermögens auf ergebnisorientierte Strategien. Aber er wächst. Wir informieren unsere Kunden hier sehr genau, damit sie wissen, was sie bekommen. Wenn Produkte von Neuberger Berman nicht klar als nachhaltig oder impactorientiert bezeichnet werden, sind sie es auch nicht.

Auf die Transparenz kommt es an 

Wir halten Transparenz für außerordentlich wichtig. Wenn es einem Anleger reicht, dass alle finanziell relevanten Risikofaktoren (ESG- und eher klassische Finanzfaktoren) berücksichtigt werden, sollte er nicht unfreiwillig in eine Nachhaltigkeits- oder Impact-Strategie investieren – nur weil er nicht weiß, was in ihr steckt.

Wir meinen, dass gerade bei passiven Anlagen mehr Transparenz und Standardisierung nötig sind. Die Begriffe müssen klarer werden, die Fondsnamen aussagekräftiger. In vielen Ländern beginnen die Aufsichtsbehörden jetzt endlich zu handeln.

Wer einfach nur einen klassischen Index nachbildet, verzichtet definitionsgemäß auf ESG-Integration. Da kann es Anleger doch nur verwirren, wenn manche passive Manager für sich in Anspruch nehmen, nachhaltig zu investieren.

Passive Manager sprechen auch gern über ihr Engagement bei Unternehmen, was ebenfalls missverständlich sein kann. Was kann Engagement denn bedeuten, wenn ein passiver Manager eine große Position in GM eingehen kann, ohne wissen zu müssen, dass es sich um ein Automobilunternehmen handelt? Und wenn keinerlei Dialog über wichtige Themen stattfindet, weder über die Investitionsstrategie noch konkret über Elektromobilität? Letztlich doch wohl nur, dass ein zentrales Abstimmungsteam vor Hauptversammlungen Tausende von Kästchen ankreuzt. 

Sollte Eigentümerverantwortung und Engagement nicht mehr sein? Den Investoren wird weisgemacht, dass sie praktisch keine Gebühren zahlen müssen, von der Arbeit anderer profitieren und trotzdem beim Engagement führend sein können. Aber das kann kaum die Zukunft sein. Man muss sich entscheiden. 

ESG-Integration: Warum jetzt? 

Der Begriff ESG-Integration sorgt aber nicht nur wegen unklarer Produktbezeichnungen für Verwirrung. 

„Assetmanager sagen, dass für wichtige ESG-Faktoren der gleiche Maßstab gilt wie für klassische Faktoren“, hört man von manchen Investoren. „Aber warum ist von ESG dann erst seit etwa zehn Jahren die Rede? Es fühlt sich an wie nachhaltiges oder gar ideologisches Investieren durch die Hintertür.“ 

Das ist ein wichtiger Punkt. Von ESG-Faktoren ist heute vor allem deshalb häufiger die Rede, weil sie für Unternehmen finanziell relevanter geworden sind. 

Gesetzgeber, Aufsichtsbehörden, Nichtregierungsorganisationen – vor allem aber Verbraucher und Investoren – achten sehr viel genauer darauf. 

Noch vor zehn Jahren gaben viele Investoren Lippenbekenntnisse zur Corporate Governance ab. Vergütungsanreize für das Management, Boards mit unterschiedlichen Amtszeiten, mangelnde Aktionärsrechte oder das Recht des Boards, die Investitionspläne des CEO zu überstimmen, interessierten sie damals nur wenig. Das änderte sich erst, als „G-Themen“ wirklich Beachtung fanden. 

Erst dann drängten Anleger auf bessere Daten und Informationen, sodass weitere Maßnahmen und noch mehr Transparenz gefordert wurden. Irgendwann änderte sich dadurch das Wirtschaftsumfeld. 

Ohne informierte Kunden und Investoren keine Marktwirtschaft

Das veränderte Marktumfeld ist der vielleicht wichtigste Aspekt von ESG-Integration, nachhaltigem Investieren und Impact Investing.

Vielleicht wollen Sie gar kein Nachhaltigkeitsportfolio und keine Impact-Strategie und mit Ihren Anlagen auch keine anderen Nachhaltigkeitsziele erreichen. Dann wollen Sie bestimmt keine Strategie, deren Ziele Sie nicht kennen. Transparenz und eine klarer Produktname sind wichtig.

Andere Investoren legen aber Wert auf Nachhaltigkeit und Impact, vor allem in Europa. Irgendwann wird das auch Auswirkungen auf die Kurse haben. Das zeigte sich schon in den letzten zehn Jahren und erklärt auch, warum wir jetzt diese Diskussion führen. Wenn ESG-Faktoren Einfluss auf die Wertpapierkurse haben, werden sie definitionsgemäß finanziell relevant. 

Deshalb halten wir es für immer wichtiger, ESG-Faktoren im Investmentprozess zu berücksichtigen. Und mehr noch: Ihre Analyse ist ein wichtiger Teil unserer Treuhandpflichten als aktive Assetmanager.

Von Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities bei Neuberger Berman

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