CIO Weekly | Wie die Kredite, so die Wirtschaft

Kredite halten die Wirtschaft am Laufen. Doch jetzt geriet das System aus dem Takt. Neuberger Berman | 05.04.2023 12:28 Uhr
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Nach heftigen Bankenturbulenzen und eiligen Rettungsaktionen haben sich die Märkte letzte Woche wieder beruhigt. Zeit zum Durchatmen.

Erstens haben nicht alle Banken Liquiditätsprobleme, und zweitens hat die Fed mit dem Bank Term Funding Program schnell und entschlossen für neues Vertrauen gesorgt. Die Notenbanken schienen ruhig und überlegt, und nach anfänglicher Verwirrung hat sich auch US-Finanzministerin Janet Yellen klar und deutlich zur Einlagensicherung bekannt.

Wir schrieben bereits, dass wir die aktuellen Schwierigkeiten für weniger schwerwiegend halten als die Bankenkrise 2007 und 2008. Allerdings liegen die viel zu großen Staatsanleihenportfolios vieler Institute deutlich im Minus, und auch die umfangreichen Gewerbeimmobilienkredite machen Probleme. Vielleicht ist doch noch nicht alles vorbei – und selbst wenn, könnte sich der Konjunkturausblick nachhaltig verschlechtert haben.

Was ist passiert?

Sehen wir uns noch einmal die Auslöser der Krise an, um die Lage der Notenbanken besser verstehen zu können.

Mit einer extrem expansiven Geld- und Fiskalpolitik haben sich Notenbanken und Regierungen gegen die wirtschaftlichen Folgen von Corona gestemmt. In den USA stiegen die Bankeinlagen dadurch um etwa 5 Billionen US-Dollar. Da die Institute nur wenige neue Kredite vergeben konnten, investierten sie das Geld in US-Staatsanleihen, Municipals und Hypothekenanleihen, stets zu äußerst niedrigen Zinsen. Dann kam die Inflation, und die Fed erhöhte den Leitzins so schnell und entschlossen wie nie zuvor. Die Staatsanleihenrenditen stiegen, und Einleger zogen das Geld ab, da Geldmarktfonds jetzt höhere Zinsen boten. Manche Banken mussten ihre Staatsanleihenpositionen mit hohen Verlusten verkaufen.

Wie wir befürchtet hatten, blieb die plötzliche Wende der Geldpolitik nicht ohne Folgen.

Vor einem Monat standen die Notenbanken vor einem Dilemma: Wie sollten sie die Inflation bekämpfen, ohne Wirtschaft und Arbeitsmarkt zu sehr zu schaden? Jetzt stehen sie sogar vor einem Trilemma: Wie kann man diese beiden Ziele erreichen – und zugleich das Bankensystem stabilisieren?

Was sind die langfristigen Kosten?

Nehmen wir an, dass der Bankensektor wieder stabil ist. Aber welche Auswirkungen haben die jüngsten Entwicklungen auf die Kreditvergabe?

Verbraucher und Unternehmen sind auf Kredite angewiesen. Strenge Bedingungen und hohe Kreditstandards bremsen die Konjunktur. Zu lockere Standards bewirken das Gegenteil und können andere Probleme verursachen. 2008 ist noch nicht lange her.

Höhere Leitzinsen, die inverse Zinsstrukturkurve und eine schwächere Konjunktur haben schon jetzt zu strafferen Finanzbedingungen geführt.

Fed und EZB befragen die Banken regelmäßig, ob sie ihre Kreditstandards lockern oder straffen. Sie berechnen dann die Differenz – den Anteil der straffenden minus den Anteil der lockernden Institute. Im jüngsten Senior Loan Officer Opinion Survey der Fed, vor dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank, war diese Differenz bei Handels- und Industriekrediten von -14,5% im 1. Quartal 2022 auf 44,8% im 1. Quartal dieses Jahres gestiegen. Bei Krediten für Gewerbeimmobilien stieg sie von -10,3% auf 69,2%, und in Europa legte sie 2022 von 2% auf 26% zu.

Wir fürchten, dass die Kreditbedingungen nach den jüngsten Turbulenzen noch strenger werden. Volkswirte schätzen, dass die Folgen der jüngsten Krise einer Zinserhöhung der Fed um 25 bis 50 Basispunkte entsprechen.

Die Rettung der Silicon Valley Bank und der Signature Bank, auch wenn beide wohl nicht systemrelevant waren, wird weitere Kosten versuchen. Der Kongress dürfte sicherstellen, dass sie vom Bankensektor getragen werden. Damit nicht noch mehr Einlagen abgezogen werden, müssen wohl auch höhere Guthabenzinsen gezahlt werden. Außerdem dürften die Risikoprämien für Bankanleihen steigen, da deren Gläubiger bei neuen Rettungsaktionen zur Kasse gebeten werden könnten.

Absehbar ist auch eine strengere Regulierung. Wenn die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC), die amerikanische Einlagensicherung, alle US-Bankguthaben im Wert von 18 Billionen US-Dollar (und nicht nur die 11 Billionen unter 250.000 US-Dollar) garantieren soll, dürfte die Bankenregulierung deutlich strenger werden, um die Steuerzahler zu schützen. Sicherlich werden Forderungen nach einer besseren Kapitalausstattung laut, damit Verluste besser abgefedert werden können. Vermutlich wird man auch mehr kurzfristige Liquidität fordern, und es ist mit einer Diskussion über den Umgang mit den vielen kleineren Instituten des sehr fragmentierten amerikanischen Bankensektors zu rechnen.

Selbst wenn nicht alles umgesetzt wird, steigen die Kosten, und die Gewinne fallen. Für die Bankkunden bedeutet das höhere Gebühren und strengere Kreditbedingungen. Vielleicht sind die Banken in Zukunft weniger willens und fähig, Kredite zu vergeben.

Und kurzfristig?

Manche Auswirkungen der Krise werden wir erst in mehreren Monaten oder Jahren spüren. Bis dahin sollten sich Investoren unserer Ansicht nach auf das Trilemma der Notenbanken konzentrieren.

Aus den genannten Gründen dürften Problembanken ihre Kreditbedingungen schneller und stärker straffen als von den Notenbanken beabsichtigt. Und doch sind die europäischen und amerikanischen Verbraucherpreise, die Arbeitsmarktdaten sowie die Geschäfts- und Konsumklimaindizes noch immer überraschend stabil.

Wie werden die Notenbanken reagieren, wenn es erst einmal so bleibt? Können sie wirklich abwarten und hoffen, dass die strengeren Kreditbedingungen irgendwann die Nachfrage dämpfen? Oder haben sie trotz der offensichtlichen Risiken für die Finanzstabilität und die Kreditvergabe den Mut zu noch stärkeren Zinserhöhungen? Oder lassen sie die Zinsen auf dem aktuellen Niveau und senken sie erst später? Das ist unser Basisszenario.

Nichts davon wäre für Unternehmensgewinne und Wirtschaft besonders gut. Kredite halten die Volkswirtschaft am Laufen, und eine ausreichende Kreditversorgung tut not. Deshalb meinen wir, dass man mit dem absehbaren Ende der Zinserhöhungen wieder über risikoreichere Assetklassen nachdenken soll. Für einen Einstieg ist es aber vielleicht noch etwas zu früh.

Von Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities bei Neuberger Berman

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