Im Februar prognostizierte das Congressional Budget Office (CBO), dass der US-Regierung im Sommer das Geld ausgehen würde. Anleger sollten das genauso ernst nehmen wie den Inflations- und Zinsausblick, empfiehlt Joe Amato.
Amato rechnete nicht mit einem Zahlungsausfall. Er warnte aber, dass das Thema „in den nächsten drei bis sechs Monaten für Volatilität sorgen“ könnte. In den letzten Wochen machten sich Investoren dann auch ernste Sorgen. Wir meinen aber, dass es nur eine von mehreren Stolperfallen für den Markt ist.
Immer öfter ist von den Risiken die Rede, die das Erreichen der Obergrenze mit sich bringt. Am Aktienmarkt spürt man davon aber nur wenig. US-Titel notieren nur knapp unter ihren Jahreshochs, und der CBOE Volatility Index (VIX) ist nur wenig von seinem Tiefststand entfernt.
Für uns sind steigende Risiken ohne Marktkorrektur stets ein Grund zur Vorsicht. Das gilt erst recht, wenn der Geldmarkt und kurzfristige festverzinsliche Wertpapiere so hoch sind wie jetzt und sich Geduld daher auszahlt.
Nervosität
Weil die Steuereinnahmen hinter den Erwartungen zurückbleiben, könnte die Schuldenobergrenze schon bald erreicht sein.
Konsens ist aber weiterhin, dass die Republikaner nicht für einen Zahlungsausfall verantwortlich gemacht werden wollen (weshalb sie im Repräsentantenhaus letzte Woche ein entsprechendes Gesetz verabschiedet haben). Die Demokraten wiederum möchten vermeiden, dass die Schuldenobergrenze zum Wahlkampfthema wird. Diese Konstellation spricht für einen Kompromiss in letzter Minute. Sollten die Märkte deshalb ruhig bleiben?
Wir meinen, nein. 2011 wurde ein Zahlungsausfall zwar verhindert – aber erst so spät, dass der S&P 500 Index um fast 20% einbrach. Wenn man sich auch diesmal erst in letzter Minute einigt, könnte die Regierung andere Ausgaben aussetzen müssen, um die Zinsen zu bezahlen. Das würde die ohnehin schwächelnde Konjunktur zusätzlich belasten.
Am Markt ignoriert man dieses Risiko nicht ganz. Mein Kollege Joseph Purtell bezeichnete den Zinsabstand zwischen drei- und einmonatigen US-Staatsanleihen als ungewöhnlich weit und volatil. Und der VIX notiert zwar nur knapp über seinem bisherigen Jahrestief, aber sein Anleihenpendant, der MOVE-Index (Merrill Lynch Option Volatility Estimate), ist nicht weit von seinem Allzeithoch entfernt. Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Aktieninvestoren nervös werden.
Nicht sorglos werden
Letzte Woche mahnte aber noch etwas anderes zur Vorsicht.
Mehr als einen Monat lang schienen die Bankenturbulenzen vom März unter Kontrolle. Die Aktie der First Republic Bank, des nächsten Kandidaten für einen Zusammenbruch, hatte sich bei etwa 14 US-Dollar stabilisiert.
Doch dann kam die Berichtssaison. First Republic musste zugeben, dass unerwartet viele Einlagen abgezogen worden waren. Der Aktienkurs halbierte sich, und Banktitel gerieten erneut unter Druck.
Wahrscheinlich macht man sich jetzt auch wieder größere Sorgen um die Verschuldung und die Refinanzierungsmöglichkeiten mancher amerikanischer Gewerbeimmobilieninvestoren. Für sie sind die krisengeplagten Regionalbanken wichtige Kreditgeber. Wir beobachten den Sektor daher genau.
Auch wenn die Zahlen von First Republic wohl der größte Schock der laufenden Berichtssaison bleiben – und die großen Technologiekonzerne insgesamt gute Ergebnisse vorlegen –, rechnen wir schon lange mit niedrigeren Unternehmensgewinnen im Jahresverlauf. Dafür sprechen auch die schwächeren Konjunkturdaten, etwa der Wachstumseinbruch im 1. Quartal, die strafferen Kreditbedingungen, die hartnäckige Inflation und die straffe Geldpolitik, vor allem im Euroraum und Großbritannien.
Vorsichtig, liquide und flexibel
Viele Stolpersteine könnten die Märkte dieses Jahr aus dem Tritt bringen. Vielleicht löst keiner von ihnen einen größeren Einbruch aus, aber einige von ihnen dürften die Märkte wohl kräftig bremsen.
Investoren sollten in den nächsten Monaten daher vorsichtig, liquide und flexibel sein, um fallende Kurse schnell nutzen zu können. Wegen der hohen Kurzfristzinsen verursacht das kaum Opportunitätskosten für den Fall, dass es am Ende doch besser kommt.
Von Erik L. Knutzen, CFA, CAIA, Chief Investment Officer, Multi-Asset Class, Neuberger Berman