CIO Weekly | Eine Geschichte zweier Indizes

Warum der S&P 500 Index wegen einer optischen Täuschung vielleicht teurer und stärker erscheint, als er wirklich ist. Neuberger Berman | 19.05.2023 09:15 Uhr
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Vorletzte Woche warnte Erik Knutzen vor den vielen Stolperfallen für Investoren – von der US-Schuldenobergrenze und den krisengeschüttelten amerikanischen Regionalbanken bis zu schwächeren Konjunkturdaten, hartnäckiger Inflation und strengeren Kreditbedingungen. All das sorgt offensichtlich für volatile Anleihenmärkte, scheint aber Aktieninvestoren nicht sehr zu irritieren.

Warum sind Aktien – und vor allem der S&P 500 – dieses Jahr bislang so stabil?

Sicherlich spielen die Fundamentaldaten eine Rolle. Vielleicht haben wir es aber auch mit einer optischen Täuschung zu tun.

Relative Ruhe

Der Konjunkturabschwung ist weder zu leugnen noch ist er vorbei, doch hält er sich bislang in Grenzen.

Das Nominalwachstum ist nur leicht gefallen, und auch real wächst das BIP weiter, beides vor allem wegen des stabilen US-Arbeitsmarktes und des allmählichen Inflationsrückgangs. Auch letzte Woche nahm die Teuerung in den USA wieder etwas ab, und trotz steigender Zinsen sind die Arbeitsmärkte weltweit überraschend stabil.

Nach dem neuesten Senior Loan Officers Survey, veröffentlicht letzte Woche, sind die Kreditbedingungen eher uneinheitlich als wirklich schlecht. Zwar scheint die Nachfrage nach neuen Krediten so stark zu fallen wie zuletzt in der internationalen Finanzkrise, doch spricht die bisherige Straffung der Kreditbedingungen von US-Banken für eine eher milde Rezession. Die Zahlen für den Euroraum wurden schon eine Woche vorher vorgelegt. Hier waren die Kreditbedingungen im 1. Quartal zwar so straff wie während der Krise 2011, doch war man für das 2. Quartal wieder optimistisch.

Dennoch halten wir eine weiche Landung für wenig wahrscheinlich, und auch die Fed selbst rechnet mit einer Rezession. Eine weiche Landung wird aber auch nicht völlig ausgeschlossen, was die recht gute Anlegerstimmung erklären könnte.

Solange die Bankenprobleme überschaubar erscheinen und die USA allen Zahlungsverpflichtungen nachkommen, könnten die nächsten Quartale dank fallender Inflation und ausbleibender Zinserhöhungen recht gut werden.

Kaum Marktbreite

Das scheint plausibel, wäre da nicht die optische Täuschung.

War der S&P 500 Index dieses Jahr wirklich so stabil? Oder haben wir es eher mit zwei Indizes zu tun, einem performancestarken und einem schwächeren?

Der erste Index besteht aus gerade einmal sieben Mega Caps, die in ihren Branchen zu Weltmarktführern geworden sind: Meta, Apple, Amazon, Alphabet, NVIDIA, Microsoft und Tesla. Nennen wir ihn FAANG+ Index. Jedes dieser Unternehmen hat eine Marktkapitalisierung von über einer halben Billion US-Dollar.

Ein Viertel der Marktkapitalisierung des S&P 500 entfällt auf diese sieben Firmen, ebenso wie 90% des 8-prozentigen Wertzuwachses seit Jahresbeginn. Eine so geringe Marktbreite gab es seit Jahrzehnten nicht mehr. Damit ist der amerikanische Large-Cap-Markt eine echte Ausnahme.

Und dann sind da die anderen Unternehmen.

Verzerrt

Wichtig ist das, weil sich Investoren meist an den Gewinnen und Bewertungen des Gesamtindex orientieren.

Die Konsens-Gewinnerwartungen für den S&P 500 Index betragen dieses Jahr 220 US-Dollar je Aktie. Demnach wäre das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis 19.

Im Vergleich zum 20-Jahres-Median von 16 scheint das viel. Wenn die Gewinnerwartungen auf 200 US-Dollar je Aktie und das KGV auf 16 fielen, würde der Index um mehr als 20% nachgeben.

Tatsächlich aber werden die meisten S&P-500-Titel nicht zum 19-Fachen, sondern nur zum 17-Fachen der Gewinnerwartungen gehandelt, was wesentlich näher am Langfristdurchschnitt liegt. Der Durchschnitt wird dadurch verzerrt, dass das KGV der FAANG+ fast 30 beträgt.

Zweiteilung

Nach der guten Berichtssaison für das 1. Quartal kann man durchaus vermuten, dass die Gewinne dieser weniger konjunktursensitiven Mega Caps im Abschwung nicht so stark fallen wie die der übrigen Aktien.

Würden die Indexgewinne auf 200 US-Dollar je Aktie zurückgehen und die meisten Titel weiterhin zu einem KGV von 16 – dem Langfristdurchschnitt – notieren, ließe ein KGV-Rückgang der FAANG+ um etwa 3 Prozentpunkte den S&P 500 nur um gut 10% statt um mehr als 20% fallen.

Aber missverstehen Sie das nicht: Wir bleiben vorsichtig. Wir rechnen mit einer hartnäckigeren Inflation als der Marktkonsens und weiterhin hohen Zinsen. Außerdem erwarten wir einen stärkeren Gewinnrückgang, wenn die hohen Zinsen und die straffen Finanzbedingungen Wirkung zeigen. Eine mangelnde Marktbreite war in der Vergangenheit oft ein negativer Frühindikator – und die Tatsache, dass zurzeit einige wenige Qualitätsaktien den Markt bestimmen, macht es nicht besser.

Die Zweiteilung des Marktes zeigt, dass die Dinge anders sind, als sie auf den ersten Blick scheinen. Vielleicht erklärt diese optische Täuschung, weshalb Aktieninvestoren zurzeit so sorglos sind.

Von Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities bei Neuberger Berman

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