CIO Weekly | Und wenn alles wieder gut wird?

Fallende Inflation, Konjunkturerholung, entspannte Notenbanken: Wie eine der am häufigsten prognostizierten Rezessionen der Geschichte ausblieb. Neuberger Berman | 02.08.2023 16:08 Uhr
Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Das Asset Allocation Committee von Neuberger Berman zählte in den letzten zwölf Monaten keineswegs zu den größten Pessimisten der Wall Street. Besonders zuversichtlich für risikobehaftete Wertpapiere waren wir aber auch nicht.

In unserem letzten Outlook haben wir die Aktiengewichtung angehoben – allerdings, und das ist uns wichtig, nur auf neutral. Außerdem sahen wir darin eine vorübergehende Maßnahme. Wir mussten akzeptieren, dass der Markt nicht viel auf die schwachen Fundamentaldaten gibt, die wir korrekt prognostiziert hatten.

Seitdem ist die US-Inflation auf 3% gefallen und das Wirtschaftswachstum hat sich bei deutlich über 2% eingependelt. Der Internationale Währungsfonds rechnet jetzt damit, dass das Welt-BIP dieses Jahr um 3% steigt. Die Arbeitslosigkeit bleibt fast überall niedrig. Der Anleihenmarkt hat sich beruhigt, Aktien sind gestiegen. Letzte Woche haben dann die Notenbanken in den USA und Europa vielleicht zum letzten Mal die Zinsen erhöht – nur zur Sicherheit, ohne viel Aufhebens und ohne kritische Nachfragen der Presse.

Warum fand eine der am häufigsten prognostizierten Rezession der Geschichte einfach nicht statt? Oder kommt sie doch noch, und das sogar bald?

Asynchron

Vielleicht hat die überraschende Entwicklung vor allem damit zu tun, dass das Umfeld nach Corona und der derzeitige Abschwung so ungewöhnlich sind. Zwei Dinge fallen auf: die asynchrone Weltwirtschaft und die ungewöhnliche Geld- und Fiskalpolitik.

Unterschiede gibt es sowohl zwischen den Ländern als auch als innerhalb der einzelnen Volkswirtschaften.

Deutschland befindet sich in einer leichten Rezession, aber die anderen großen europäischen Volkswirtschaften wachsen weiterhin stetig. Die USA und Japan übertreffen die Erwartungen, China enttäuscht sie.

In vielen Industrieländern dürften die schnellen und starken Zinserhöhungen bald vorbei sein, und die Inflation fällt allmählich – außer in Japan, wo die Geldpolitik trotz nach wie vor gut 3% Teuerung expansiv bleibt. Viele Emerging Markets haben hingegen schon vor einem Jahr die Zinserhöhungen beendet, und China erwägt angesichts der drohenden Deflation sogar Zinssenkungen. 

Auch innerhalb der Länder sind die Unterschiede groß, vor allem zwischen dem Verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor. 

Der amerikanische Dienstleistungs-Einkaufsmanagerindex (PMI) von S&P Global zeigt seit einigen Monaten eine Expansion an, was für Beschäftigungszuwachs und eine höhere Teuerung spricht. Der Index für das Verarbeitende Gewerbe signalisiert aber noch immer eine schrumpfende Wirtschaft. Ähnliche Unterschiede sehen wir in China, Japan und vor allem in Europa. 

Alles in allem scheinen diese Unterschiede die Konjunkturschwankungen insgesamt zu dämpfen. Gutes und Schlechtes haben sich weitgehend neutralisiert.

Geld- und Fiskalpolitik

Man scheint sich weitgehend einig, dass die beispiellos expansive Fiskalpolitik nach Corona 2022 die Inflation angeheizt hat und mit ihren Nachwirkungen 2023 den Abschwung dämpft.

Sorgen machte Anfang 2023 die Geldpolitik. Man fürchtete die Folgen der starken Zinserhöhungen. Nach dem zweit-, dritt- und viertgrößten Bankenzusammenbruch in der amerikanischen Geschichte kann man die Auswirkungen der Straffung keineswegs leugnen, aber sie hielten sich doch sehr in Grenzen.

Das liegt an den entschlossenen Gegenmaßnahmen, aber ganz wesentlich auch daran, dass dienstleistungsintensivere Länder Zinserhöhungen mehr entgegenzusetzen haben als industrielastigere Volkswirtschaften. Viele Länder, in denen die Zinsen stark erhöht wurden, haben einen großen Dienstleistungssektor – etwa die USA, Großbritannien und weite Teile Kontinentaleuropas. Wo die Leitzinsen nicht erhöht oder vielleicht sogar gesenkt wurden, dominiert hingegen oft die Industrie, etwa in Japan, China und den Emerging Markets. Schwierig wird es hingegen für die wenigen Länder mit einem hohen Industrieanteil, in denen die Zinsen trotzdem erhöht wurden. Ein Beispiel dafür ist Deutschland.

Auch die Immobilienmärkte setzen den steigenden Zinsen überraschend viel entgegen. Zwar wurden weniger neue Objekte verkauft und auch die Bautätigkeit ließ nach, aber die Preisentwicklung war sehr unterschiedlich, von Region zu Region und von Land zu Land. Nach den letzte Woche veröffentlichten Mai-Zahlen steigen die amerikanischen Hauspreise zurzeit so stark wie seit einem Jahr nicht mehr. Angebot und Nachfrage scheinen oft wichtiger zu sein als die steigenden Hypothekenzinsen, zumal sich seit Corona durch Hybridarbeit und Homeoffice gerade viel ändert.

Hinzu kommt noch etwas anderes. Eine Normalisierung der Zinsen nach einer derart langen Niedrigzinsphase bleibt zwar nicht ohne Folgen, ist aber auch nicht für alle schlecht. Sparer und Rentner profitieren – und das umso mehr, je stärker die Inflation fällt. Das kann erklären, warum das amerikanische Konsumklima so gut ist und Verbraucherumfragen den größten Optimismus seit zwei Jahren anzeigen. Höhere Zinsen dürften auch Banken, Versicherungen und andere Finanzunternehmen nützen, sobald die Zinsstrukturkurve nicht mehr invers ist.

Wichtig ist auch das Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik. Fiskal- und industriepolitische Impulse helfen dem Verarbeitenden Gewerbe, das am stärksten unter den höheren Zinsen leidet, lösen aber keinen übermäßigen Anstieg der Dienstleistungspreise aus. Manche befürchten, dass hier aneinander vorbeigearbeitet wird. Man könnte aber auch sagen, dass man so den Abschwung dämpft.

Gefahren

Vielleicht wird nach der gefühlt stärksten Inversion der Zinsstrukturkurve aller Zeiten doch noch alles gut. 

Doch es bleiben Gefahren. 

Die weltpolitische Lage bleibt schwierig, und das nicht nur wegen der Spannungen zwischen den USA und China, den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Der Krieg in Europa dauert an, und wie der jüngste plötzliche Anstieg der Lebensmittel- und Energiepreise nach den Angriffen auf die ukrainischen Donauhäfen zeigt, kann er durchaus eine neue Inflationswelle auslösen. Die Fiskalpolitik wird an Wirkung verlieren und die Konjunktur bisweilen sogar bremsen, etwa wenn in den USA Studentenkredite jetzt wieder zurückgezahlt werden müssen. 

Interessant ist auch die Volatilität nach der Anpassung der japanischen Zinsstrukturkurvensteuerung letzte Woche. Sie zeigt, dass eine höhere japanische Inflation ein wichtiges Extremrisiko ist. Japan könnte dann ähnlich wie Deutschland zu einem Industriestandort werden, der mit Leitzinserhöhungen zurechtkommen muss. 

Dennoch spricht viel für vorsichtigen Optimismus. Die Volkswirte der Fed sind nicht die einzigen, die nicht mehr mit einer Rezession rechnen.

Von Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman

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