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Veränderungen von Angebot und Nachfrage scheinen für die Anleihenmärkte wichtiger zu sein als Fundamentaldaten. Rechnen Sie daher mit Turbulenzen. Neuberger Berman | 16.10.2023 08:00 Uhr
Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Bis zu unserem Jahresausblick Solving for 2024 ist es nicht mehr weit. In letzter Zeit haben wir uns daher mit Entwicklungen befasst, die im neuen Jahr wichtig werden könnten.

Bei Anleihen könnte das etwas sein, das in den Ausblicken für 2023 meist übergangen wurde – aber den Markt mitbestimmt hat und auch im neuen Jahr nicht zu unterschätzen ist: Angebot und Nachfrage haben Kurse und Renditen oft stärker beeinflusst als Konjunktur und Kreditqualität.

Wir halten es deshalb für wichtig, dieses Thema separat zu analysieren. Mit dem Ende der beispiellosen Zinserhöhungen wird die Geldpolitik wieder berechenbarer. Umso wichtiger könnten dann Angebots- und Nachfrageschwankungen werden.

Volle Kassen

Bis zum 4. Quartal 2022 wurde der Ausblick für die Welt- und die US-Konjunktur immer pessimistischer. Am Jahresende fragten sich die meisten Volkswirte und Strategen nur noch, wann 2023 die Rezession kommen würde – und nicht mehr, ob.

Was passierte mit den Credit Spreads?

Beim ICE BofA Global High Yield Index fiel der Spread von fast 590 Basispunkten zu Beginn des 4. Quartals 2022 auf 430 Basispunkte im März 2023, beim Bloomberg Global Aggregate Corporate Bond Index von etwa 180 auf weniger als 130 und beim ICE BofA Global Hybrid Corporate Index von 340 auf 240 Basispunkte. Die Mini-Bankenkrise im März ließ die Spreads zwar kurzzeitig steigen, doch wurden sie danach Schritt für Schritt wieder enger – bis heute.

Liegt das daran, dass die US-Wirtschaft überraschend weiterwuchs, auch wenn China und große Teile Europas stagnierten? Vielleicht. Aber das würde nicht erklären, warum es bei europäischen High-Yield-Anleihen und Emerging-Market-Titeln ähnlich war.

Eine wesentlich bessere Erklärung scheint uns, dass in der ersten Jahreshälfte nur wenige neue Unternehmensanleihen begeben wurden. 2021 und 2022 hatten viele Unternehmen sehr viel mehr Kapital aufgenommen als nötig, um sich die extrem niedrigen Zinsen zu sichern. Ihre Kassen waren Ende 2022 also gut gefüllt. Zugleich hielten sich die Mittelzuflüsse dieses Jahr in Grenzen, weil die meisten Anleger mit Geldmarktrenditen von 5% zufrieden waren. Zuletzt ließen die höheren Unternehmensanleihenrenditen die Nachfrage aber wieder etwas steigen – und weil es so gut wie kein Angebot gab, gingen die Spreads zurück.

Enorme Angebotsveränderungen

Natürlich sind die Augen zurzeit mehr auf Staatsanleihen als auf Credits gerichtet. In den Kernländern haben die Staatsanleihenrenditen ihren Handelskorridor verlassen, in dem sie sich seit Jahresbeginn bewegten. In nur gut einem Monat stieg die US-Zehnjahresrendite um etwa 65 Basispunkte und ist jetzt so hoch wie seit Anfang 2007 nicht mehr. Woran könnte das liegen?

Natürlich spielt das „Higher for longer“-Mantra der Fed eine Rolle. Die Inflation mag fallen, aber die psychologische Wirkung der ständigen Wiederholungen ist nicht zu unterschätzen. Veränderungen der Inflationserwartungen dürften demgegenüber nicht so wichtig sein. Die Verschiebungen der nominalen Zinsstrukturkurve entsprechen den Änderungen der Realrenditen; die Inflationserwartungen blieben demnach unverändert. Auch hier scheinen größere Veränderungen von Angebot und Nachfrage eine wesentliche Rolle zu spielen.

Im August hat die US-Regierung deutlich mehr Anleihen begeben, und am Markt erkennt man allmählich, dass dies nur der Anfang eines längerfristigen Trends ist. Der Wechsel der Fed vom Quantitative Easing zum Quantitative Tightening wurde wiederholt angekündigt und von den Marktteilnehmern gut verstanden. Das wachsende Haushaltsdefizit kommt aber eher überraschend. Zurzeit machen Quantitative Tightening und Neuemissionen fast 10% des US-BIP aus, wobei etwa 3% auf das Quantitative Tightening entfallen.

Die Staatsausgaben steigen weiter, während die Einnahmen im bisherigen Haushaltsjahr um 10% niedriger sind als im Vorjahreszeitraum, vor allem aufgrund der deutlich niedrigeren Einnahmen aus der Kapitalertragsteuer. Für dieses Jahr wird ein Defizit von etwa 1,6 Billionen US-Dollar erwartet, nach etwa 1 Billion US-Dollar im letzten Jahr. Für 2024 rechnet man zurzeit mit etwa 1,8 Billionen, woran steigende Zinsausgaben wesentlichen Anteil haben. Wir glauben daher, dass die USA nächstes Jahr etwa doppelt so viele Anleihen begeben könnten wie 2023. Dieses Jahr waren es gut 1 Billion US-Dollar, nächstes Jahr könnten es bis zu 1,9 Billionen US-Dollar werden – ein massiver Anstieg.

Leere Kassen

Die Fed wird also von einem großen Käufer zu einem Verkäufer von Anleihen. Auf der anderen Seite stehen die amerikanischen Geschäftsbanken, die traditionell zu den Käufern zählen. Aber diesmal ist es anders, weil sie bereits über hohe Bestände verfügen und damit Verlust gemacht haben – aber auch, weil sowohl Investoren als auch Aufsichtsbehörden nach der Mini-Bankenkrise im Frühjahr genauer hinsehen.

Die Auslandsnachfrage nach US-Anleihen – eine wichtige Nachfragequelle seit der internationalen Finanzkrise – ist ebenfalls fast auf null gefallen. Weil die amerikanischen Kurzfristzinsen jetzt wesentlich höher sind als die Kurzfristzinsen in vielen anderen Ländern, ist die Währungsabsicherung prohibitiv teuer geworden. Aktive Investmentmanager (auch wir) hätten einen derartigen Renditeanstieg normalerweise für Käufe genutzt. Positionierungsanalysen und Stimmungsumfragen lassen aber vermuten, dass Investmentmanager kaum noch Mittel für Neuanlagen haben.

Nachfragequellen

Heißt das, dass die Renditen immer weiter steigen? Nicht unbedingt. Drei große Nachfragequellen sind absehbar.

Zum einen ist sehr viel Kapital in Geldmarktfonds und andere kurz laufende Anlagen investiert, und es wird immer mehr. Diese Mittel könnten abgezogen werden, wenn auch nur mit einer kleinen Änderung der Geldpolitik gerechnet wird. Auch könnten Pensionsfonds mit einem LDI-Konzept (Liability-Driven Investments) in lang laufende Qualitäts-Unternehmensanleihen umschichten, wenn ihre Renditen auf 6% bis 7% steigen.

Ein dritter Punkt betrifft die Korrelationen. Die kurz- bis mittelfristigen Korrelationen zwischen US-Staatsanleihen und risikobehafteten Titeln waren zuletzt meist positiv. Das könnte sich aber schnell ändern, wenn die Anleger wieder risikoscheuer werden. Auch das könnte die Nachfrage nach Anleihen stark steigen lassen.

Wenn sich Angebot und Nachfrage nach Staatsanleihen und Credits so stark ändern, sollten sich Investoren auf plötzliche Regimewechsel und Kursvolatilität einstellen.

Lange mussten wir darauf warten, dass man mit Anleihen wieder etwas verdienen kann. Heute sind die Nominalrenditen so hoch wie seit 16 Jahren nicht mehr, und auch die Realrenditen steigen. Deshalb freuen wir uns über die hohen Coupons, selbst wenn die Entwicklung unruhiger geworden ist und dies wohl auch bleibt.

Schnallen Sie sich also an – und freuen Sie sich über laufende Erträge!

Von Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income bei Neuberger Berman

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