Auf ihrer Sitzung im September hatte die EZB ihre Zinsentscheidung bereits vor Bekanntgabe der Kerninflationsrate getroffen. Diese war damals erstmals deutlich gesunken. Für die kommende Sitzung am Donnerstag stehen die Währungshüter vor einer vergleichbaren Situation. Ein weiterer Rückgang der Kerninflation, oder ein Ausbleiben, könnte die langfristigen Inflationserwartungen und damit das geldpolitische Vorgehen verändern. Die Währungshüter dürften also auch diesmal eher abwarten und die Zinsen nicht weiter anheben.
Fokus der Währungshüter auf eigener Bilanz
Dies ist auch in Anbetracht der aktuellen Situation ratsam. Zudem gibt es viel zu viele instabile Faktoren (Naher Osten, Wirtschaftswachstum, Importpreise, Investitionsausgaben), als dass die EZB ihre Prognosen jetzt überarbeiten wird. Auch mit einer Aktualisierung der Inflationserwartung ist erst in der Dezember-Sitzung zu rechnen. Zumal es voreilige Siegeserklärungen über die Inflation ohnehin nicht geben dürfte.
Die Aufmerksamkeit der EZB dürfte bei der Sitzung am Donnerstag dahingegen eher auf der eigenen Bilanz liegen: Die derzeitige Reduktion ist hauptsächlich auf die Rückzahlung der TLTROs zurückzuführen. Eine echte Beschleunigung der quantitativen Straffung, also ein Zurückfahren der Reinvestitionen von fälligen Anleihen aus dem EZB-Portfolio, sollte also auf der Tagesordnung stehen.
EZB muss Ölpreisentwicklung im Blick behalten
In den vergangenen Wochen wurde immer wieder darüber spekuliert, wie der seit Sommer stetig steigende Ölpreis die Geldpolitik beeinflussen könnte. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass sich die Währungshüter bei ihren Entscheidungen auf die Entwicklung der Kerninflationsrate stützen – also ohne Nahrungsmittel und Energie. Demnach sollten die Ölpreise nur dann eine Auswirkung auf die kommenden Zinsentscheidungen haben, wenn sie lange genug auf einem hohen Niveau bleiben. Dann würden sich der hohe Ölpreis auch auf Preise für Waren und Dienstleistungen durchschlagen.
Dennoch müssen die Währungshüter berücksichtigen, dass steigende Benzinpreise besonders schnell an die Verbraucher weitergegeben werden, was sich letztendlich auf deren Vertrauen und parallel dazu auf den Preisindex auswirkt. Ein steigender Ölpreis hat einen wesentlich schnelleren Einfluss auf die Wirtschaftsaktivität im Euroraum als etwa höhere Strom- und Gaspreise.
Von Patrick Barbe, Head of European Investment Grade Fixed Income bei Neuberger Berman