Als die US-Inflation letzte Woche leicht, aber doch überraschend, unter den Erwartungen blieb, rechnete am Terminmarkt fast niemand mehr mit einer weiteren Zinserhöhung der Fed. Der euphorischen Reaktion der Anleihen- und Aktienmärkte zufolge waren die Inflationszahlen für viele Anleger ein Signal, jetzt endlich über ein Leben nach dem Geldmarkt nachzudenken – und wieder höhere Zins-, Kredit- und Aktienrisiken einzugehen.
Wir wollen es aber nicht überstürzen. Es ist nicht das erste Mal in den letzten Monaten, dass mit einem Ende der Zinserhöhungen gerechnet wurde. Jedes Mal wurde man enttäuscht.
Wir halten die Anleihenrenditen für attraktiv, schließen aber Kursverluste nicht aus. Niemand weiß wirklich, ob die Zinserhöhungen vorbei sind. Fest steht aber, dass sie die Märkte in den letzten Monaten immer weniger beschäftigten. Stattdessen sind technische Kräftewichtiger geworden; Angebot und Nachfrage wurden zu einem wichtigen Faktor. Anfang des neuen Jahres dürfte es kaum anders sein.
Gibt es also Anleihen mit ordentlichen Zinsen, hohen laufenden Erträgen und wo die technischen Daten besonders gut sind, sodass Anleger nichts überstürzen müssen? Wir meinen ja. Das Zauberwort heißt Verbriefungen.
Diversifikation und Relative Value
Interessant scheinen uns Verbriefungen aus unterschiedlichen Sektoren, mit verschiedenen Laufzeiten und Risikoprofilen. Vor allem zwei Dinge halten wir für vielversprechend: ihr Diversifikationspotenzial und ihr Relative Value.
Wer die Auswirkungen der schwächeren Konjunktur auf Unternehmensanleihen fürchtet, kann mit Verbriefungen in konsumnähere Sektoren diversifizieren – von Kreditkarten- oder Automobilkrediten bis zu Ferienwohnrechten und Mobiltelefonverträgen. Hinzu kommen spezielle Branchen wie Telekommunikationsinfrastruktur sowie Flugzeug- und Maschinenleasing.
Die Fundamentaldaten werden schwächer, weil die höheren Zinsen allmählich ihren Tribut fordern. Dennoch bleibt der US-Konsum recht stabil; man sehe sich nur die Einzelhandelsdaten der letzten Woche an. Außerdem stärken der noch immer stabile Arbeitsmarkt, niedrige Schulden, nachlassende Inflation und rekordverdächtig hohen Eigenkapitalquoten bei Wohnimmobilien die Haushaltsfinanzen – und der Wohnimmobilienmarkt bleibt dank des geringen Angebots und der günstigen Demografie stabil.
Gewerbeimmobilien stehen zwar unter einem gewissen Druck, weil die Bewertungen fallen und der Zinsaufwand steigt, doch könnte sich Diversifikation unserer Ansicht nach auch hier auszahlen. Über 70% der Verbriefungen von Gewerbeimmobilienkrediten (CMBS) werden nicht mit Büroobjekten besichert, sondern mit Mietshäusern, Hotels und Logistikimmobilien. Sie entwickeln sich sehr gut.
Dennoch fielen die hohen Emissionen von Festzinstiteln 2022 mit Verkäufen durch Anleger zusammen, die Verbriefungen überdurchschnittlich trafen. Damit hat der Sektor jetzt nicht nur Diversifikationspotenzial, sondern ist auch vergleichsweise attraktiv bewertet.
Die Spreads von BBB-Unternehmensanleihen betragen zurzeit im Schnitt 190 Basispunkte. Ratinggleiche Verbriefungen von Automobilkrediten bieten hingegen 250 Basispunkte, und bei Anlagen- und Maschinenleasing sind sogar 350 Basispunkte möglich, jeweils bei einer nur halb so hohen Duration. Verbriefungen von Studierendenkrediten mit AAA-Rating bieten 150 Basispunkte, gegenüber 100 Basispunkten bei Unternehmensanleihen mit einem einfachen A.
Wenig vorzeitige Tilgungen
Deshalb blieben wir in unserem jüngsten Fixed Income Outlook in allen Arten von Kreditverbriefungen übergewichtet.
Ein Sektor rechtfertigt unserer Ansicht nach aber sogar eine starke Übergewichtung: amerikanische Agency-MBS. Hier schätzen wir sowohl die Fundamentaldaten und, vor allem bei den zuletzt emittierten Titeln, auch die Bewertungen.
Wir glauben, dass der stabile Konsum und die schon erwähnte Entwicklung des Wohnimmobilienmarkts hier für attraktive Fundamentaldaten sorgen. In Grenzen hält sich auch eines der wichtigsten Risiken dieses Sektors: vorzeitige oder überraschend schnelle Tilgungen, die meist sowohl dem Zinsertrag als auch der Endfälligkeitsrendite schaden.
Bei niedrigen und fallenden Zinsen sind vorzeitige Tilgungen häufiger, weil sich die Kreditnehmer dann günstiger refinanzieren können. Jetzt sind aber die meisten mit ihren aktuellen – niedrigen – Zinsen zufrieden. Vielleicht ist bei einem Umzug eine vorzeitige Tilgung nötig, aber die Aussicht auf eine teurere Refinanzierung bremst das Interesse und damit die Verkäufe von Bestandsimmobilien.
Außerdem können vorzeitige Tilgungen in der gegenwärtigen Lage für Investoren sogar gut sein, weil der Kreditnehmer den Kredit zu pari zurückzahlt und viele in der letzten Zeit aufgelegte MBS mit einem Abschlag gegenüber pari gehandelt werden.
Neue Investoren
Die Spreads der zuletzt emittierten MBS haben sich auf etwa 170 Basispunkte ausgeweitet. Warum sind sie trotz der Fundamentaldaten so günstig?
Wie bei anderen Verbriefungen liegt das unserer Ansicht nach vor allem an der Markttechnik. Auch hier hat es viel mit den hohen Emissionen der Jahre 2021 und 2022 zu tun, die der Markt nur schwer aufnehmen kann. Bei Agency-MBS kommt nur noch etwas anderes hinzu: Die Anlegerstruktur hat sich stark verändert. Früher waren es überwiegend Banken, die die Titel meist bis zur Endfälligkeit hielten. Jetzt sind es Assetmanager, die einsteigen und wieder aussteigen.
Verstärkt wurde diese Entwicklung durch die Mini-Bankenkrise Anfang des Jahres. Zunächst verzichteten viele Banken auf den Kauf zusätzlicher MBS, da sie wegen der hohen Verluste ihrer Portfolios die Risiken neu bewerteten. Außerdem wurde im April bekannt gegeben, dass die von der amerikanischen Einlagensicherung, der Federal Deposit Insurance Corporation, beschlagnahmten MBS der Silicon Valley Bank und der Signature Bank – mit einem Wert von zusammen etwa 83 Milliarden US-Dollar – „schrittweise und geordnet“ an den Markt gebracht werden sollen.
Die Verkäufe liefen tatsächlich geordnet ab, doch waren die Banken zuvor die größten MBS-Investoren gewesen. Ihr Rückzug konnte dem Markt eigentlich nur schaden, zumal nur wenig für ein Neuengagement der Banken spricht. Der Ausstieg der Banken könnte aber auch sein Gutes haben, da der Anteil von Buy-and-Hold-Investoren abnimmt. MBS werden jetzt stärker gehandelt. Hinzu kommt, dass 2023 bis jetzt nur etwa 25% bis 30% so viele MBS begeben wurden wie 2021 oder 2022. Damit könnte sich auch die Markttechnik verbessern.
Coupon Clipping
Lange Zeit waren amerikanische MBS alles andere als attraktiv. Die Anleihenrenditen waren insgesamt niedrig und die MBS-Renditen mit am niedrigsten.
Doch heute zählen MBS dank der Kombination aus stabilen Fundamentaldaten und einem sehr günstigen Verhältnis von Angebot und Nachfrage zu interessantesten Anleihenmarktsegmenten, mit sehr attraktiven Renditen und laufenden Erträgen. Wenn die Geldmarktzinsen nicht mehr steigen und langfristige Anleihen volatil bleiben, versprechen MBS und auch andere Kreditverbriefungen hohe Coupons. Hier kann man abwarten, bis sich der Anleihenmarkt wieder stabilisiert und ein neues Gleichgewicht findet.
Von Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income, Jason W. Smith, Senior Portfolio Manager – Investmentgrade & Jose Pluto, Portfolio Manager – Investmentgrade bei Neuberger Berman