Die spannendste Erkenntnis der EZB-Sitzung in dieser Woche dürften die neuen Prognosen für Wachstum und Inflation sein. In ihren vorherigen Prognosen sagten die Währungshüter höhere Energiepreise für den Winter und eine langfristig anhaltende Inflation über dem Ziel der EZB von 2 Prozent voraus. Diese Einschätzung könnten die Zentralbanker nun nach unten korrigieren.
Marko-Prognosen machen Neubewertung notwendig
Bei der Geldpolitik ist zu erwarten, dass die EZB die Leitzinsen am Donnerstag unverändert belässt und den Übergang zu einer neutralen Geldpolitik andeutet. Zudem ist absehbar, dass die Währungshüter Diskussionen darüber anstoßen werden, inwiefern sie ihre Geldpolitik auf der Grundlage der neuen makroökonomischen Prognosen neu bewerten müssen. In jedem Fall sollte die EZB vorsichtig bleiben und betonen, dass die Inflationsrisiken weiter bestehen bleiben, sie aber im kommenden Jahr einen größeren Handlungsspielraum für Zinssenkungen als für Zinserhöhungen sehen. Dabei sollten sie aber sowohl die Zinspolitik als auch ein früheres Ende des PEPP als Werkzeug im Blick haben.
Geringere Inflationsrisiken eröffnen neuen Handlungsspielraum
Mit 4 Prozent hat der Leitzins der EZB den höchsten Stand seit der Gründung der Eurozone erreicht. Die Zentralbanker wollten damit sicherstellen, dass der Anstieg der globalen Inflation nicht durch einen scharfen Anstieg der Löhne auf die inländische Inflation übergreift. Dieses Risiko scheint sich nun deutlich zu verringern. Im Umkehrschluss heißt das, dass die EZB zu einer Geldpolitik zurückkehren kann, die dem potenziellen Wirtschaftswachstum des Euroraumes entspricht. Das Risiko einer anhaltenden Rezession könnte darüber hinaus weitere Zinssenkungen mit sich bringen – auch unterhalb der Schwelle von 3 Prozent.
Von Patrick Barbe, Head of European Investment Grade Fixed Income beim US-amerikanischen Vermögensverwalter Neuberger Berman