Als sich unser Asset Allocation Committee (AAC) letzte Woche traf, war das Marktumfeld völlig anders als noch vor drei Monaten.
Im Dezember beschäftigte vor allem der Inflations- und Zinsausblick die Anleger, wie schon in den zwei Jahren zuvor.
Auf den Ausverkauf von Aktien und Anleihen im August, September und Oktober folgte im November und Dezember eine kräftige Rallye, ausgelöst durch neue Erwartungen zu Inflation und Geldpolitik.
Als die lange Zeit so hohe monatliche Inflation fiel, rechneten Anleger trotz zurückhaltender Äußerungen der Notenbanken mit bis zu sechs Zinssenkungen in diesem Jahr. Im Januar schienen sie sich dann aber weniger mit Inflations- und Leitzinserwartungen als mit den neuen und besseren Wachstumszahlen zu befassen. Was ist passiert? Und was könnte das für die Portfolios bedeuten?
Korrelationswende
Weil die Inflation dieses Jahr etwas höher war als erwartet, rechnen Anleger jetzt nicht mehr mit sechs, sondern nur noch mit drei Zinssenkungen der Fed. Dabei passierte etwas Seltsames: Aktien stiegen kräftig, obwohl Anleihen verloren. Die für die letzten zwei Jahre typische starke positive Korrelation zwischen den beiden Assetklassen ging zu Ende.
Die Veränderung begann langsam, war aber eindeutig.
In unseren Pespectives schrieben wir darüber schon Anfang Februar, als wir die Verluste am Januarultimo mit der scharfen Rhetorik der Fed erklärten. Im weiteren Quartalsverlauf waren solche Verluste aber geringer, obwohl Inflations- und Leitzinserwartungen weiter stiegen. In einer Woche mit großer Notenbankaktivität – einschließlich einer überraschenden Zinssenkung der Schweizerischen Nationalbank und einer historischen Erhöhung der Bank of Japan – hat die Fed ihre Inflations- und Zinserwartungen angehoben. Das galt als positiv für Aktien, hatte aber nur wenig Auswirkungen auf Anleihen.
Mittlerweile sind Aktien seit Jahresbeginn um 5% bis 19% gestiegen, je nach Markt. Der Bloomberg Global Aggregate Government Bond Index hat hingegen etwa 3% verloren – und die US-Zehnjahresrendite ist um fast 30 Basispunkte gestiegen.
In gewisser Weise ist die Marktlage jetzt in allen Industrieländern so gut wie in Japan schon seit einem Jahr. Letzte Woche ist die japanische 12-Monats-Inflation, die schon vorher über dem Zielwert lag, stark gestiegen, und die Notenbank hat die längste Negativzinsphase der Geschichte beendet. Das hinderte den TOPIX aber nicht an einem neuen Rekordhoch.
Die Inflation normalisiert sich weltweit. In Japan bedeutet das, dass sie steigt, in anderen Ländern, dass sie – wenn auch langsam – fällt. Bei einer Normalisierung der Inflation können sich Investoren wieder auf das Wachstum konzentrieren. Sie haben beschlossen, dass ihnen die stabile Konjunktur gefällt.
Diversifikation mit Anleihen
Bevor wir uns mit den Auswirkungen auf Portfolios befassen, möchten wir noch einmal daran erinnern, dass wir in unseren Lösungen für 2024 so etwas bereits erwartet hatten.
„Eine recht hartnäckige Inflation und weniger Wachstum sind für Investoren vielleicht gar nicht so schlecht“, schrieben wir. „Es bedeutet schließlich, dass das nominale Wachstum höher ist als in den letzten zehn Jahren. Für langfristige Anleihen und zinssensitive Aktien kann das ungünstig sein. Qualitätsunternehmen mit stabilen Finanzen, die auch bei steigende Kapitalkosten ordentliche Margen erzielen, schadet es aber nicht.“
All das bedeutet zunächst einmal, dass sich das Umfeld für Aktien verbessert hat, und zwar vor allem für einige Qualitätstitel, die aus der Mode gekommen waren und noch immer nicht hoch bewertet sind. Wie zu Beginn der zweiten Welle des Investmentthemas KI könnte der Markt an Breite gewinnen, wenn Anleger weniger auf Inflation und mehr auf Wachstum achten. Vielleicht verdient man dann nicht nur mit den Magnificent Seven und den europäischen „Granolas“, denen fast das gesamte Anlegerinteresse galt.
Hinzu kommt, dass Anleihen Portfolios wieder diversifizieren können, wenn sie nicht mehr positiv mit Aktien korreliert sind. Bei anhaltend hohem Wachstum könnten die Zeiten für langlaufende Anleihen zwar schwieriger werden. Lässt es aber nach, etwa wegen der Spätfolgen der Zinserhöhungen, könnte das Aktien vielleicht schaden – und Anleihen nützen. Weltweit warten zurzeit Barmittel und Geldmarktfondsanteile im Wert von mehr als 9 Billionen US-Dollar darauf, angelegt zu werden. Die Zeit könnte reif sein, wieder mehr in Anleihen zu investieren und das Geld arbeiten zu lassen.
Außerdem sollte man einen neuen stärkeren Inflationsanstieg keinesfalls ausschließen, sei es aufgrund von Lohnerhöhungen, internationalen Krisen oder Störungen des Welthandels. Denken Sie über Assetklassen nach, mit denen man sich hiervor schützen kann. Mit Rohstoffen scheint das allmählich zu gelingen. Öl-, Kupfer- und Edelmetallpreise haben zuletzt kräftig zugelegt.
Große Veränderungen
Freuen Sie sich in der ersten Aprilhälfte auf unseren Asset Allocation Committee Outlook für das zweite Quartal. Hier lesen Sie mehr darüber, was das neue Marktumfeld für unsere Anlagestrategie bedeutet.
Von Erik Knutzen, Chief Investment Officer – Multi-Asset Class, Neuberger Berman